Euro-Krise:Tsipras knüpft seine Zukunft an Referendum

  • Griechenlands Ministerpräsident Tsipras knüpft seine politische Zukunft an den Ausgang des Referendums.
  • Die Europäische Zentralbank schließt den Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone nicht mehr aus.
  • Eine Kreditrate des Internationalen Währungsfonds (IWF), die heute fällig wird, wird Athen Tsipras zufolge vorerst nicht zahlen.

Tsipras: "Ziel der Volksabstimmung ist die Fortsetzung der Verhandlungen"

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras macht seine politische Zukunft vom Ausgang der Volksabstimmung über den Spar- und Reformkurs abhängig. Wenn bei dem Referendum über die Forderungen der internationalen Geldgeber am Sonntag ein "Ja" herauskomme, "bin ich nicht für alle Zeiten Ministerpräsident", sagte Tsipras am Montagabend in einem Fernsehinterview. "Wenn das griechische Volk einen gedemütigten Ministerpräsidenten will, gibt es da draußen einige. Aber ich werde es nicht sein."

Details über das weitere Vorgehen nach der Abstimmung nannte er allerdings nicht. Er sagte lediglich: "Ziel der Volksabstimmung ist die Fortsetzung der Verhandlungen."

Eine an diesem Dienstag fällig werdende Kreditrate beim Internationalen Währungsfonds (IWF) wird Griechenland Tsipras zufolge nicht fristgerecht begleichen. Erst wenn die internationalen Gläubiger aufhörten, "uns zu ersticken", würden die ausstehenden 1,5 Milliarden Euro bezahlt. Die Kreditrate wird am Dienstag um Mitternacht fällig.

In Athen demonstrierten am Abend mindestens 20 000 Anhänger der Regierung für die Politik von Tsipras.

EZB-Direktor schließt Grexit nicht mehr aus

Kann ein Land die Währungsunion verlassen - oder gilt die Euro-Mitgliedschaft für die Ewigkeit? Noch im Januar hatte der Direktor der Europäischen Zentralbank, Benoît Cœuré, Nachfragen zu einem Grexit brüsk zurückgewiesen. Forderungen nach einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone seien "Unsinn", sagte er damals. "Niemand diskutiert ernsthaft darüber, dass Griechenland den Euro verlassen sollte, oder bereitet diese Option gar ernsthaft vor."

Nun äußert sich Cœuré ganz anders. "Der Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone kann leider nicht mehr ausgeschlossen werden", sagte er der französischen Zeitung Les Echos. Es sei jedoch weiterhin der Wunsch der Europäischen Zentralbank, dass Griechenland im Euro bleibe. Der Grexit ist für die Europäische Zentralbank aber offenbar kein Tabu mehr, sondern wird als Szenario öffentlich anerkannt.

Varoufakis droht mit Klage gegen Grexit

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat im Falle eines Ausschlusses aus dem Euro zum wiederholten Mal mit einem juristischen Vorgehen seines Landes gegen EU-Institutionen gedroht. "Die EU-Verträge haben keine Regelung für einen Ausstieg aus dem Euro, und wir weigern uns, diesen zu akzeptieren", sagte Varoufakis der britischen Zeitung Daily Telegraph. Griechenlands Mitgliedschaft sei nicht verhandelbar. Die Regierung in Athen lasse sich derzeit beraten und ziehe nötigenfalls eine gerichtliche Verfügung des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Institutionen in Erwägung. Die Regierung werde von all ihren Rechten Gebrauch machen, betonte Varoufakis.

S&P stuft Griechenland auf CCC- herab

Zuvor hatte die Ratingagentur Standard & Poor's ein düsteres Szenario für die Zukunft Athens gezeichnet. Die Finanzexperten schätzen die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Austritts auf etwa 50 Prozent, teilte die Agentur mit. Eine Pleite in den kommenden sechs Monaten sei unausweichlich, wenn die Dinge sich nicht überraschend zum Besseren wenden würden. Die Agentur stuft deswegen Griechenland herab, von CCC auf CCC-. Die Noten bewerten, wie glaubwürdig die Kreditfähigkeit eines Lands eingeschätzt wird. Deutschland hat die Bestnote AAA.

Kanzlerin wirft Tsipras Kompromisslosigkeit vor

Angela Merkel verspricht sich nur ein einziges Mal während ihrer international viel beachteten Pressekonferenz. Der Holperer ist aber symbolträchtig: Die Kanzlerin bezeichnet die Runde, die am Samstagabend in Brüssel getagt hatte, als Euro-Gruppe. Das ist falsch. Denn Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hatte das Treffen zuvor verlassen, die Gespräche waren geplatzt. Merkel korrigiert sich sofort. Am Samstagabend hätten die übrigen Finanzminister sich besprochen.

Der Regierung in Athen warf die Kanzlerin vor, zu keinem Kompromiss bereit zu sein. "Der Wille auf griechischer Seite war nicht da", sagte Merkel. "Niemand kann 100 Prozent bekommen", Griechenland sei ein "großzügiges Programm" angeboten worden. Auch wolle keiner das Referendum in Griechenland beeinflussen. Es müsse aber auch respektiert werden, wenn die Partner eine Haltung dazu einnehmen. Am Mittwoch werde der Bundestag das Thema diskutieren.

Mit einem Sondergipfel in Brüssel noch vor der Volksbefragung rechnet Merkel derzeit nicht. "Es wird nach dem Referendum ein Treffen geben", sagte sie. Weil Athen aber mutmaßlich auch zwischenzeitlich Geld braucht, um Kredite zurückzuzahlen, ging es auch um die Frage einer Zwischenfinanzierung. "Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, das ist ja offensichtlich", sagte Merkel aber.

Juncker richtet sich an das griechische Volk

Mit harschen Worten ging EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei einer Pressekonferenz in Brüssel mit der griechischen Regierung ins Gericht. Juncker sagte, er fühle sich "verraten". Die Verhandlungen seien einseitig durch die griechische Regierung abgebrochen worden. "Wir haben wirklich Berge versetzt bis zur letzten Minute, als die griechische Regierung die Tür geschlossen hat." Es passe nicht zu Griechenland, eine Demokratie gegen 18 andere auszuspielen.

Das Angebot der Gläubiger an Athen sei "fair" gewesen und kein "dummes Sparpaket", sagte Juncker. Es habe "weder Lohn- noch Rentenkürzungen" enthalten, sondern sei darauf ausgerichtet gewesen, "mehr soziale Fairness zu schaffen".

Juncker sprach sich dafür aus, beim für Sonntag angesetzten Referendum dem Programm zuzustimmen, das Griechenland mit Notkrediten versorgt, aber auch Reformen auferlegt. "Ich wende mich an die griechische Bevölkerung und bitte sie mit Ja abzustimmen", sagte Juncker. "Wenn Griechenland mit Nein abstimmt, sagt Griechenland Nein zu Europa."

Bisher empfiehlt der griechische Premier Alexis Tsipras ein Nein. Athen hat die Euro-Länder aufgefordert, das Angebot nachzubessern. Das lehnte Juncker ab. "Ich habe keine neuen Vorschläge zu unterbreiten", sagte er.

Juncker betonte aber auch, dass die Tür für weitere Verhandlung offen stehe. "Wir befinden uns jetzt in der allerletzten Millisekunde". Es sei aber immer noch möglich, eine Lösung zu finden. "Ich will nicht zulassen, dass Griechenland untergeht", sagte Juncker.

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