Euro-Krise:Griechenlands Rauswurf kostet mehr, als er bringt

Europa quatscht seine Probleme so lange hoch, bis niemand mehr an den Euro glaubt. Es mag sein, dass man den Zusammenbruch des Euro nach einem Austritt Griechenlands verhindern könnte - besser wäre es aber, niemand müsste den Ernstfall testen. Der Grexit wäre ein teurer Irrtum.

Alexander Hagelüken

Nun bestimmen wieder die Schwarzseher die Debatte. Jene, die ganz sicher wissen, dass es nichts mehr werden kann mit den Griechen und dem Euro. So schnell wie möglich möchten CSU- und FDP-Politiker die Griechen loswerden. Die CDU lehnt zumindest frisches Geld für Athen ab. Das alles erzeugt einen fatalen Eindruck am Anfang einer Woche, in der Griechenlands neuer Premier Deutschland und Frankreich besucht - den Eindruck, alle Bemühungen seien vergeblich, und außer den Griechen habe niemand etwas zu verlieren. Das aber ist ein Irrtum. Ein teurer Irrtum.

Daily Life In Athens As Greece Prepares To Go To The Polls

Billig-Laden in Athen: Wegen der Reformprogramme müssen viele Griechen sparen, wo sie können.

(Foto: Getty Images)

Natürlich verzweifelt jeder leicht, der sich mit den Details der griechischen Krise beschäftigt, etwa dem löchrigen Steuersystem, dem teuren Beamtenapparat, der veralteten Wirtschaftsstruktur. So einem Land wäre besser das Tor zur Währungsunion versperrt worden.

Nun sind die Griechen aber mal drin, und deshalb stellt sich die Frage anders. Die potenziellen Schäden des ersten Abgangs eines Euro-Mitglieds sind so groß, dass sich noch viele Bemühungen lohnen, die Griechen in der Währungsunion zu halten.

Es sind vor allem zwei Kosten, die den Befürwortern eines schnellen Grexit bewusst sein müssen. Zum einen würden der griechische Staat und seine Wirtschaft ins Chaos stürzen. Die mit einer weichen Drachme kaum bedienbaren Schulden und die vermutlich ausbleibenden Investitionen, das alles könnte das Land kaum verkraften. Es bliebe auf Unterstützung angewiesen, welche die anderen Regierungen dem EU-Partner wohl nicht versagen werden.

Ermutigung zu weiteren Endspielen

Zudem wird ein Land im Niedergang die bisher gegebenen Euro-Kredite schuldig bleiben. Für die deutschen Steuerzahler, die bisher real noch keinen Euro verloren haben, hieße das: Viele Hilfsmilliarden wären dann wirklich weg.

Am schlimmsten ist aber wohl die Gefahr, dass andere schwächelnde Länder angesteckt werden. Die Apologeten des Rauswurfs glauben, die Währungsunion werde ohne die Griechenlast aufblühen. Wahrscheinlicher ist, dass die Finanzakteure sich ermutigt fühlen, auch ein Endspiel mit Portugal, Spanien und Italien zu veranstalten.

Warum soll eine Wette gegen sie misslingen, wenn Athen so leicht aus dem Euro zu schießen war? Mag sein, dass die Hauptstädte von Berlin bis Madrid den Zusammenbruch des Euro nach einem Grexit durch Notfallpläne verhindern können. Besser wäre es, niemand müsste den Ernstfall testen.

Samaras ist Griechenlands letzte Chance

Am Wochenende entstand Aufregung um ein neues Haushaltsloch, das angeblich in Athen entdeckt worden ist und jetzt das endgültige Aus bedeuten soll. Es ging um 2,5 Milliarden Euro, weniger als ein Tausendstel der deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres.

Ob eine Währung steht oder eine Wirtschaft boomt, hat immer auch mit Psychologie zu tun. Amerika sitzt auf einem Schuldenberg von 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und zerstreut jeden Zweifel am Dollar. Europa quatscht seine nicht zu unterschätzenden Probleme so lange hoch, bis niemand in der Welt mehr an den Euro glaubt. Diese Kaskade der Kassandras richtet Schaden an. So beginnen internationale Konzerne ihr Geld von Euro in Dollar umzuschichten, als sei Amerika ein Hort der Stabilität.

Die Griechen haben in den vergangenen zwei Jahren einiges geleistet. Sie haben ihr Defizit stark reduziert, Löhne und Renten in einem schmerzlichen Prozess an ihre Wirtschaftskraft angepasst. Es bleibt noch viel zu tun. Der konservative Premier Antonis Samaras muss zeigen, wie ernst es das Land mit den Reformen meint.

Zwingt er Unternehmer vom Reeder bis zum Cafébesitzer, Steuern zu zahlen? Schafft er durch Privatisierungen Einnahmen, und wenn die Gewerkschaften noch so zetern? Schrumpft er den aufgeblähten Beamtenapparat? Wenn Samaras nur täuscht und zögert, ist sein Land im Euro nicht zu halten. Dann ist wirklich der Moment gekommen, Griechenland mit möglichst geringem Schaden aus dem Euro zu operieren. Aber erst mal sollten die Partner dem Mann ein Jahr Zeit und Kredit geben, das Land auf den richtigen Kurs zu bringen - ruhig mit harten Drohungen. Ein vorschneller Rauswurf kostet jedenfalls mehr, als er bringt.

Ob Samaras der richtige Mann für den Job ist, darf bezweifelt werden. Er ist eine Figur des alten Systems, das Günstlingen sinnlose Staatsposten beschaffte und Reichen Steuern ersparte. In der Opposition fiel er durch Obstruktion gegen den Sparkurs auf.

Gleichwohl, Samaras ist der letzte Schuss, den die Griechen haben. Das wissen sie, weil sie ihn dem Linkspopulisten Alexis Tsipras vorzogen, aus Angst, dass es dann wirklich vorbei sein könnte mit dem Euro. Es lässt sich nur hoffen, dass allen der Ernst der Lage klar ist.

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