Euro-Krise:Finanzmärkte regulieren - wie geht das denn?

Deutschland untersagt ungedeckte Leerverkäufe, Europa plant eine Transaktionssteuer - werden demnächst gar Banken zerschlagen? Die Fakten.

Finanzgeschäfte werden höher besteuert

Dax-Kurve,Börse Frankfurt, dpa

Die Finanzmärkte stehen am Pranger, die Politik muss handeln - und überbietet sich mit Vorschlägen.

(Foto: Foto: dpa)

Banken und Anleger an den Kosten der Krise zu beteiligen und riskante Geschäfte einzudämmen - diese Forderung wird schon lange erhoben. Die EU-Regierungen prüfen eine geringe Finanztransaktionssteuer, die auf alle Geschäfte am Kapitalmarkt erhoben würde. Wer den täglichen weltweiten Devisenhandel mit nur 0,02 Prozent besteuern würde, könnte jährlich mehr als 160 Milliarden Euro einnehmen. Vermutlich würden die Einnahmen geringer ausfallen, weil viele Geschäfte mit kleinen Gewinnen entfallen würden.

Befürworter der auch Tobin-Steuer (nach dem US-Ökonomen James Tobin) genannten Steuer finden das gut: Sie erhoffen sich durch weniger Handel geringere Schwankungen von Währungen und Aktienkursen. Ihnen macht Sorge, dass das Volumen an den Finanzmärkten inzwischen weit höher ist als der Kauf und Verkauf von Waren, das Geld also von der wirklichen Wirtschaft entkoppelt zu sein scheint. Gegner einer Transaktionssteuer sagen: Je weniger an den Finanzmärkten gehandelt werde, desto weniger drückten Anleger ihre Meinung über den Wert etwa einer Währung aus - und desto größer fielen die Schwankungen aus.

Die Erfahrungen sind unterschiedlich. Großbritannien erhebt eine Stempelsteuer auf bestimmte Wertpapiergeschäfte und nimmt dadurch Milliarden ein, ohne dass der Finanzplatz leidet. Schweden dagegen gab seine Steuer Anfang der neunziger Jahre wieder auf, weil zu viel des Geschäfts ins Ausland abwanderte. Das gilt als größter Nachteil einer Tobin-Steuer: Wird sie nur in bestimmten Ländern eingeführt, werden die Geschäfte in andere Länder oder außerhalb der Börsen verlagert.

Die Bundesregierung favorisiert eine Finanzaktivitätssteuer. Dabei würden die Gewinne der Banken und die Gehaltszuschläge der Banker höher besteuert als bisher. Beide Posten lassen sich nicht so leicht in andere Kanäle verlagern. Der Weltwährungsfonds IWF präferiert eine solche Steuer, die ab einer bestimmten Gewinn- oder Gehaltshöhe greifen und so besonders lukrative (und daher meist riskante) Geschäfte eindämmen könnte. US-Präsident Barack Obama hat für die USA eine Bankenabgabe in einer Höhe vorgeschlagen, die in Deutschland jährlich neun Milliarden Euro bringen würde. Kritiker wenden ein, angeschlagene Banken könnten eine solche Abgabe kaum stemmen. Gesunde Banken zu belasten sei aber unfair, da sie in der Krise nicht dem Staat zur Last gefallen seien. (Alexander Hagelüken)

Banken werden zerschlagen

Banken werden zerschlagen

Wenn Regierungen Banken mit Steuergeldern retten, kommt immer ein Argument: Die Geldhäuser seien "too big too fail", zu groß, um sie pleitegehen zu lassen, weil sonst das ganze Finanzsystem leide. Manche Ökonomen fordern daher, die Banken in kleinere Einheiten aufzuspalten. Dann könnte die Regierung sie im Krisenfall pleitegehen lassen. Die Banker würden sich mit riskanten Geschäften zurückhalten, weil sie nicht auf eine Rettung durch den Staat hoffen könnten. US-Präsident Barack Obama schlug im Januar vor, Finanzkonzerne sollten zwischen hochriskanten Geschäften auf der einen sowie Krediten und Sparkonten auf der anderen Seite trennen - und damit den eigenen Handel mit Wertpapieren eindämmen. Die USA trennten schon einmal, nach der Weltwirtschaftskrise 1933, durch den Glass-Steagall-Act die Geschäfte. Dieser tiefe Eingriff in die Wirtschaft hatte bis in die neunziger Jahre Bestand.

Ein Argument gegen die Aufspaltung ist, dass die Krise von einigen Finanzkonzernen mit ausgelöst wurde, die keine oder kaum Kundeneinlagen hatten, aber in bestimmten Geschäften besonders stark engagiert waren, so der US-Versicherer AIG oder die deutsche Immobilienbank Hypo Real Estate. In diesem Fall würde eine Trennung von Spekulieren und Sparkonten also gar nicht viel bringen. Schwierig wäre es, wenn einzelne Länder wie Deutschland ihre Banken aufspalten, aber nicht alle großen Industrienationen. Solche Länder hätten dann keine großen Geldhäuser mehr, die international mithalten können.

Um eine Abwicklung angeschlagener Banken zu erleichtern, will die Bundesregierung ein besonderes Konkursrecht für die Finanzbranche entwickeln. Die Idee: Die Geldhäuser müssen ihre Geschäfte in einer Art Testament detailliert auflisten. Dann könnte die Finanzaufsicht eine angeschlagene Bank vom Markt nehmen, ohne dabei zu großen Schaden für die Allgemeinheit anzurichten - weil sie weiß, welche Risiken in den Büchern lauern. (Alexander Hagelüken)

Hedgefonds werden stärker reglementiert

Hedgefonds werden stärker reglementiert

Die Hedgefondsmanager waren gewarnt: "Es kann nicht sein, dass Spekulanten Profiteure der schwierigen Situation in Griechenland sind", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im März. Die riskanten Wetten mit Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, kurz: CDS) gegen Staaten müssten eingedämmt werden. Nun ist es so weit. Die Finanzaufsicht hat "ungedeckte Leerverkäufe" von Staatsanleihen aus Euro-Ländern und Geschäfte mit bestimmten CDS untersagt. Das Verbot trifft besonders Hedgefonds, also hochspekulative Investmentfonds, deren Tätigkeit die Europäische Union zudem stärker kontrollieren und reglementieren will. Die von den Finanzministern erarbeitete Richtlinie sieht eine Meldepflicht für in Europa tätige Fondsmanager vor, diese müssen zudem ihre Aktivitäten transparenter machen. Widerstand ist von Großbritannien zu erwarten, wo 80 Prozent der Hedgefonds ansässig sind.

CDS sind ein bevorzugtes Mittel von Hedgefonds. Damit können sich Anleger gegen Kursverluste von Staatsanleihen absichern. Spekulanten setzen diese Papiere aber auch losgelöst vom Risikoschutz ein, um auf die Pleite eines Staates zu wetten. Steigt die Gefahr, dass ein Land seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt, nimmt der Wert einer Kreditausfallversicherung zu. Eine ähnliche Strategie lässt sich mit dem Leerverkauf von Staatsanleihen verfolgen. Auch hier setzen Anleger darauf, dass die Kurse fallen, je näher ein Land an den Abgrund rückt. Sie leihen sich die Zinspapiere, veräußern sie sofort und hoffen, sie später zu einem niedrigeren Kurs wieder kaufen zu können. Die Differenz zwischen Verkaufs- und Kaufpreis ist ihr Gewinn.

Solche Käufe von CDS-Kontrakten können einen fatalen Druck auf die zugrundeliegenden Anleihenkurse ausüben, warnen Kritiker. Im Falle Griechenlands bestehen aber Zweifel an der These, dass CDS-Wetten die Anleihekurse bewegt haben. Schließlich stehen 300 Milliarden Euro Staatsschulden nur CDS von acht Milliarden Euro gegenüber. (Catherine Hoffmann)

Banken müssen Eigenkapital erhöhen

Banken müssen Eigenkapital erhöhen

Ein Schlüssel für die Krise der Banken wie auch für riskante Geschäfte an den Finanzmärkten ist die Kapitalausstattung der Kreditinstitute. Schon im Sommer 2007, als erste Banken wie die IKB und die SachsenLB zu kollabieren drohten, zeigte sich, dass viele Kreditinstitute zu wenig eigenes Kapital vorhalten. Das Kapital, eine Art Puffer für Verluste, war rasch aufgezehrt, als faule amerikanische Immobilienkredite den Finanzkonzernen Milliardenverluste bescherten. Bis jetzt gilt nach internationalen Bilanzierungsregeln, dass den gesamten Vermögenswerten einer Bank - dazu gehören zum Beispiel vergebene Kredite - vereinfacht ausgedrückt nur vier Prozent eigenes Kapital entgegenstehen müssen. Diese geringen Anforderungen führen dazu, dass Banken mit geringem Kapitaleinsatz spekulative Geschäfte tätigen können. Und schließlich weiteten die Kreditinstitute ihre Möglichkeiten noch aus, indem sie Kredite zu Wertpapieren bündelten und aus der Bilanz schafften.

Weltweit herrscht deshalb unter den Regierungen Konsens darüber, dass strengere Regeln eingeführt werden müssen. So haben es die führenden 20 Industrie- und Schwellenländer im Herbst 2009 beschlossen. Ausgearbeitet werden die neuen Regeln von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, einer Art Zentralbank der Zentralbanken. In Grundzügen stehen die neuen Regeln, bis Ende dieses Jahres sollen sie auf alle möglichen Folgen hin untersucht werden. Eingeführt werden die Regeln aber erst 2012, teils sind noch längere Übergangsfristen vorgesehen.

Aber die Regeln werden kommen. Und an den Börsen erwarten Anleger schon jetzt von ihren Banken, dass sie deutlich mehr Kapital halten. Im Kern werden die Banken insgesamt mindestens doppelt so viel Kapital vorhalten müssen wie bisher. Außerdem wird es künftig stärker von dem Risiko jedes Bankgeschäfts abhängen, mit wie viel Kapital die Finanzkonzerne diese absichern müssen. "Im Wesentlichen soll der Risikoappetit der Banken dadurch gezügelt werden, dass es teurer und damit unattraktiver wird, Risiken einzugehen", erklärte Bundesbank-Präsident Axel Weber kürzlich. Außerdem kann Kapital unterschiedlich "hart" sein, je nachdem, inwieweit jene, die es zur Verfügung stellen, an Verlusten beteiligt werden. Auch hierfür wird es strengere Regeln geben. Analysten schätzen, dass die neuen Vorschriften für europäische Banken mehrere hundert Milliarden Euro kosten könnten. (Martin Hesse)

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