Luxemburgs Premier weiter Euro-Gruppen-Chef:Junckers Coup

Ein solcher Sieg ist wohl noch keinem Regierungschef auf europäischem Parkett geglückt: Luxemburgs Premier Juncker erkämpfte zwei von drei zu vergebenen Spitzenjobs für sein Land, darunter erstmals einen Platz im inneren Entscheidungszirkel der EZB. Und noch ein weiteres Kunststück gelang dem angeblich amtsmüden Chef der Euro-Gruppe.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Jean-Claude Juncker hat in seinem politischen Leben schon viele Siege errungen. Der Ministerpräsident konnte sich stets als derjenige inszenieren, der zwischen Frankreich und Deutschland zu vermitteln vermag. Ein Luxemburger zwischen den Euro-Mächten.

Luxemburgs Premier weiter Euro-Gruppen-Chef: Euro-Kungler Jean-Claude Juncker: Steiler Aufstieg für den Sohn eines Hüttenwerkspolizisten. Ihm ist jetzt ein Coup gelungen.

Euro-Kungler Jean-Claude Juncker: Steiler Aufstieg für den Sohn eines Hüttenwerkspolizisten. Ihm ist jetzt ein Coup gelungen.

(Foto: AFP)

Doch was dem seit Monaten auf Abruf arbeitenden Vorsitzenden der Euro-Gruppe - dessen europäisches Licht zu erlöschen drohte - in der langen Nacht des 9. Juli gelang, ist nur mit einem Wort zu beschreiben: unglaublich. Er rang den Finanzministern breiteste Zugeständnisse für sein kleines Land ab.

Es ist ein Sieg in eigener Sache, wie ihn wohl noch kein Regierungschef auf europäischem Parkett erzielt hat - und der nur möglich wurde, weil sich Paris und Berlin gegenseitig schachmatt gesetzt hatten. Der Premierminister des Großherzogtums Luxemburg, des nach Malta zweitkleinsten Landes der EU, in dem gerade mal 500.000 Bürger leben, erkämpfte zwei von drei zu vergebenden Spitzenjobs.

Und setzte, ganz nebenbei, ein ungeschriebenes Gesetz der Euro-Länder außer Kraft: Es besagt, dass die vier größten Euro-Länder immer einen Posten im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) besetzen. Die Notenbank der Währungsunion ist eine mächtige Institution, die einzige, in der wirklich europäisch entschieden wird. Einst saß ein Spanier im EZB-Spitzengremium, nun wird da ein Luxemburger sitzen: Yves Mersch, Chef der nationalen Notenbank.

Das Großherzogtum hat erstmals einen Platz im inneren Entscheidungszirkel der EZB. Die Deutschen hatten in den 1990er Jahren während der Verhandlungen zur Währungsunion durchgesetzt, Europas Notenbank in Frankfurt anzusiedeln - was bis heute am Selbstbewusstsein der Luxemburger kratzt, auch an Junckers.

Und der tüchtige Regierungschef, ein Veteran der EU, hat nicht nur einen Landsmann ins Direktorium gehievt - sondern auch die Tür aufgestoßen, um eine der EZB zugeordnete, neue Institution nach Luxemburg zu dirigieren. Das ist die geplante zentrale Aufsicht für die wichtigsten Banken der Währungsunion. Diese Aufsicht soll so schnell wie möglich geschaffen werden.

Was liegt näher, als das neue Mitglied im EZB-Direktorium mit dieser Aufgabe zu betrauen? Diese Aufsicht kann kaum direkt bei der EZB angesiedelt werden, schließlich soll die Bank politisch unabhängig sein; zudem bestehen Bedenken, ob eine Bank andere Banken wirklich im Sinne der Bürger beaufsichtigen kann. Deshalb glauben Experten, der Standort Luxemburg werde wichtig für die neue Aufsicht.

Offizielle Bestätigung für 2,5 Jahre

Der zweite Posten, den der konservative Premier Juncker durchsetzte, war der für ihn selbst. Der bisher einzige, angeblich amtsmüde Vorsitzende der Euro-Gruppe schaffte das Kunststück, von den Euro-Finanzministern für eine weitere Amtszeit von 2,5 Jahren bestätigt zu werden - und zwar offiziell. Wobei noch zu erwähnen ist, dass Juncker damit auch Chef des Boards of Gouvernors beim Euro-Rettungsfonds ESM ist. Er führt also jenes wichtige Gremium, in dem über Milliarden-Kredite zur Rettung klammer Staaten entschieden wird.

Alles in allem eine beachtliche Karriere für den Sohn eines Hüttenwerkspolizisten, der eine belgische Klosterschule besuchte und das Studium der Rechtswissenschaften in Straßburg abschloss. Der den Anwaltsberuf nie ausübte, sondern lieber Berufspolitiker war.

Inoffiziell gibt es die Lesart, Juncker sei nur eine Zwischenlösung für sechs Monate. Doch wer mag heute darauf vertrauen, dass solche informelle Absprachen sechs Krisenmonate überstehen? Wer mag darauf wetten, dass Anfang 2013 alles so ist wie kurz vor der Sommerpause 2012? Die Krise hat sieben Regierungen des Währungsgebiets aus dem Amt getrieben, etliche Gipfeltreffen provoziert und ständig neue Beschlüsse herbeigeführt.

Es ist also durchaus möglich, dass weiterhin informelle Absprachen kippen. So wie die deutsch-französische Absprache, von der EU-Diplomaten in Brüssel erzählen: Danach wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble den Dauervorsitzenden Juncker in sechs Monaten beerben - der wiederum von einem Franzosen abgelöst wird.

Juncker bestimmt mit, was passieren wird. Er sitzt in jenem Vierergremium, das von den Staats- und Regierungschefs beauftragt ist, bis Ende des Jahres ein Konzept zum Umbau der Europäischen Währungsgemeinschaft zu entwerfen. Darin eingeschlossen: eine Stellenbeschreibung für den Job des Vorsitzenden der Euro-Gruppe. Juncker entscheidet mit, ob sein Nachfolger bereits der Prototyp des europäischen Finanzministers sein wird: Vollzeit-Job in Brüssel, durchgriffsberechtigt, so mächtig wie der Präsident der EZB.

Jean-Claude Juncker kann sein eigenes Vermächtnis schreiben - mit 57 Jahren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: