Die nächsten 20 Jahre:Der Euro wird überleben

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Nikolaus Piper fürchtet sich vor seiner nächsten Gasrechnung. Illustration: Bernd Schifferdecker (Foto: x)

Am Anfang war viel Skepsis, und etliche Kritiker sagten ein Scheitern der europäischen Währung voraus. Aber der Euro hat überlebt, und er wird weiter überleben. Damit es aber gute Jahre werden, muss noch einiges geschehen.

Kommentar von Nikolaus Piper

Zwanzig Jahre ist es her, seit die Deutschen die Mark für den Euro hergaben. Der Start der europäischen Gemeinschaftswährung war begleitet von sehr viel Skepsis und Misstrauen in der deutschen Öffentlichkeit. Manch einer bezweifelte sogar, dass der Euro überhaupt überleben würde angesichts der enormen Unterschiede zwischen den Mitgliedern der Währungsunion. Überlebt hat er, aber erst nach einer existenzbedrohenden Krise, die durch ein dramatisches Versprechen entschärft werden musste: die Erklärung des EZB-Präsidenten Mario Draghi am 26. Juli 2012 in London, die Europäische Zentralbank werde alles tun, was nötig ist (" whatever it takes"), um die neue Währung zu retten.

Wird der Euro auch die nächsten 20 Jahre überleben? Sehr wahrscheinlich ja, schon allein deshalb, weil die Kosten einer Rückkehr zu nationalen Währungen dramatisch und für niemanden kalkulierbar wären. Die Frage ist aber, ob es zwanzig gute Jahre für die Europäerinnen und Europäer sein werden. Oder ob in schwierigen Zeiten, die niemand ausschließen kann, der Euro erneut in Turbulenzen gerät. So ein Versprechen wie in Draghis Whatever-it-takes-Rede können auch Notenbankchefs nicht oft abgeben. Entscheidend wird sein, wie gut die Europäische Zentralbank in ihre Roller als Hüterin der Gemeinschaftswährung mit deren Widersprüchen umgeht.

Das Hauptproblem des Euro liegt unverändert darin, dass sich die Wirtschaftskraft und die Wirtschaftskultur der nunmehr 19 beteiligten Länder zu sehr unterscheiden und dass deren Finanzsektoren zu wenig verflochten sind. Euro-Land ist kein "optimaler Währungsraum", sagen die Skeptiker mit einem Begriff von Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Mundell. Ein plakativer Beleg dafür ist Griechenland, wo die Finanzkrise 2010 eine schwere Euro-Krise auslöste und das sich deshalb einer brutalen Sanierungspolitik unterwerfen musste, um den Staatsbankrott abzuwenden. Griechenland wäre heute sicher besser dran, wäre es 2001 noch nicht dem Euro beigetreten. Der Preis der Sanierung war hoch, aber die Jahre danach haben gezeigt, dass die Europäer in der Krise lernfähig sind. Diese Lernfähigkeit vorausgesetzt, kann eine Währungsunion also funktionieren, selbst wenn sie kein optimaler Währungsraum ist.

Auch in Zukunft wird der Euro immer wieder Stresstests ausgesetzt sein. Zum Beispiel rund um die Präsidentschaftswahl in Frankreich im April. Sollte es dabei einen Rechtsruck geben und sollte der amtierende Präsident Emmanuel Macron sein Amt verlieren, hätte das vermutlich eine schwere Vertrauenskrise für den Euro zu Folge. Frankreich ist ein Kernland der Euro-Zone. Sollten in Paris Euro-Skeptiker an die Macht kommen, kann dies nicht ohne Folgen bleiben.

Und dann das Thema Inflation. Während der vergangenen zwanzig Jahre war Geldentwertung kein Problem für die EZB. Eher stiegen die Preise zu langsam, und man musste sich wegen der Gefahr einer Deflation sorgen. Diese Zeiten sind vorbei. Im Dezember stiegen die Preise in der Euro-Zone um fünf Prozent - in Deutschland waren es vermutlich 5,3 Prozent - so viel wie noch nie, seit es eine Euro-Statistik gibt. Zwar wird der Preisdruck im Laufe dieses Frühjahrs wieder etwas sinken, zum Beispiel weil die Dynamik der Energiepreise zurückgeht. Trotzdem wird die Teuerung deutlich über der Marke von zwei Prozent liegen, die sich die EZB als Ziel vorgeben hat. In den Vereinigten Staaten ist die Geldentwertung sogar erstmals seit 40 Jahren auf alarmierende sieben Prozent gestiegen.

Ursache der Preiserhöhungen sind Produktionsausfälle aufgrund der coronabedingten Störung der Lieferketten, außerdem ist es die hohe Nachfrage von Verbrauchern und Regierungen. Die amerikanische Notenbank Fed wurde durch die Entwicklung überrascht, wird jetzt aber ihre Konsequenzen ziehen. Sie wird weniger Geld in Wirtschaft pumpen und im Jahresverlauf voraussichtlich dreimal die Zinsen erhöhen. Die EZB dagegen fährt einen anderen Kurs. Im Rat der Notenbank haben die "Tauben" eine Mehrheit, also jene Länder, die es im Kampf gegen die Inflation nicht so eng sehen. Nach jetzigem Stand wird die EZB ihre ultralockere Geldpolitik fortsetzen, sie plant für dieses Jahr auch keine höheren Zinsen.

Das ist ein riskanter Kurs, vor dem der neue Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, zu seinem Amtsanritt bemerkenswert deutlich gewarnt hat. Sollte sich der Verdacht erhärten, die europäische Notenbank würde Inflationsgefahren nicht ernst nehmen und Zinsen nur deshalb nicht erhöhen, um die Haushalte hochverschuldeter Euro-Länder wie zum Beispiel Italien zu schonen, dann würde der EZB-Rat mit dem Vertrauen und damit auch mit der Zukunft des Euro spielen.

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