EuGH zur Vorratsdatenspeicherung:Welche Konsequenzen das Urteil für Deutschland hat

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Dienstag eine wichtige Entscheidung zur Speicherung von Verbindungsdaten bei Telekommunikationsanbietern gefällt. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Der Europäische Gerichtshof bestätigt das Verbot, Daten auf Vorrat zu sammeln. Bei Verbrechen oder Gefahrenlagen sollen künftig aber Ausnahmen gelten.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das deutsche Gesetz zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung verstößt aller Voraussicht nach gegen europäisches Recht und muss überarbeitet werden. Das folgt aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Die Entscheidung aus Luxemburg richtet sich zwar formal nicht gegen Deutschland, dazu ist ein weiteres Verfahren anhängig. Auslöser waren vielmehr Klagen gegen britische, französische und belgische Gesetze, wonach Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten verpflichtet sind.

Mit seinem Urteil hat der EuGH aber - wie bereits in einem Grundsatzurteil von 2016 - klargestellt, dass eine "generelle und unterschiedslose" Speicherpflicht nicht mit der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation sowie der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist.

Die deutsche Regelung von 2015 - die nach dem Urteil von 2016 ausgesetzt worden war - ist zwar hinsichtlich der Speicherfristen eher zurückhaltend ausgefallen. Verbindungsdaten sollten für zehn, Standortdaten für vier Wochen gespeichert werden, Daten über E-Mails und aufgerufene Internetseiten waren davon gar nicht erfasst. Allerdings gilt die Speicherpflicht für die Daten aller Bürger, ohne dass diese dazu Anlass gegeben hätten. Eine solche "anlasslose" Speicherung bleibt aber laut EuGH grundsätzlich verboten. Deutschland müsse das Gesetz nun umgehend zurücknehmen, forderten die Grünen-Abgeordneten Konstantin von Notz und Tabea Rößner.

Zugleich kommt das oberste EU-Gericht nach massiver Kritik an seiner sehr datenschutzfreundlichen Linie aber den Sicherheitsbehörden einen Schritt entgegen. Die Mitgliedstaaten dürfen Speicherpflichten für bestimmte Gefahrensituationen vorsehen, etwa eine Terrorlage. Wenn eine ernstliche Bedrohung der nationalen Sicherheit "aktuell, real und vorhersehbar" sei, dann seien Ausnahmen von der Vertraulichkeit der elektronischen Kommunikation erlaubt. Allerdings müsse die Speicherpflicht zeitlich auf das unbedingt Notwendige begrenzt werden - wobei der EuGH aber eine Verlängerung für fortdauernde Bedrohungslagen für zulässig erachtet. Auch gezielte Speicherungen sind dem Urteil zufolge möglich, etwa für bestimmte Personengruppen wie etwa sogenannte Gefährder, aber auch nach regionalen Kriterien; das Gericht denkt hier offenbar an sicherheitsrelevante Orte wie Flughäfen. Solche Maßnahmen müssten durch ein Gericht oder ein anderes unabhängiges Gremium überprüft werden können.

Eine weitere Ausnahme soll für eine bestimmte Gruppe von IP-Adressen möglich sein. Damit soll die Bekämpfung von Kinderpornografie erleichtert werden, eine Forderung, die in den vergangenen Wochen in Deutschland den Ruf nach einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung hatte laut werden lassen. Erhoben wurde er nicht nur in der Union, sondern auch in wesentlichen Teilen der SPD. Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) fordert nun die Bundesjustizministerin auf, den Spielraum, den das Urteil bei der Speicherung von IP-Adressen lässt, für eine Neuregelung zu nutzen.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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