Das wichtigste Thema wird bloß im Vorwort angeschnitten: Viele Regierungen in Europa sind stocksauer über ein massives Subventionsprogramm der USA für grüne Produkte. Denn Beihilfen fließen oft nur dann in voller Höhe, wenn die Produkte - etwa Elektroautos - weitgehend in US-Fabriken hergestellt worden sind. Europäische Konzerne könnten daher Werke verlagern. In der Abschlusserklärung für das Treffen des amerikanisch-europäischen Handels- und Technologierats heißt es jedoch lediglich, dass die US-Regierung "die Bedenken der EU anerkennt" und diese "konstruktiv angehen" werde. So steht es im 26-seitigen Entwurf des Dokuments, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt.
In dem erst vor einem Jahr gegründeten Handels- und Technologierat diskutieren amerikanische Minister mit Spitzenvertretern der EU-Kommission. An diesem Montag findet das dritte Treffen statt, diesmal an der Universität von Maryland in der Nähe von Washington. Aus Brüssel reisen die Kommissionsvizepräsidenten Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis an. Das Gremium soll die Zusammenarbeit fördern bei technologischen Standards, der Sicherung von Zulieferketten, zum Beispiel für Halbleiter, und dem Abbau von Handelshindernissen. Doch jetzt überschattet der Streit über das Subventionsgesetz von Präsident Joe Biden - der sogenannte Inflation Reduction Act - das Treffen.
Die EU-Kommission und die amerikanische Regierung gründeten vor sechs Wochen eine Arbeitsgruppe, um eine Lösung für den Disput zu finden. Präsident Biden räumte vorigen Donnerstag beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron immerhin ein, dass es kleinere Mängel an dem Gesetz gebe, die besprochen und behoben werden könnten.
Klar ist allerdings, dass der eigentliche Rechtsakt nicht mehr geändert wird. Womöglich kann die US-Regierung den Europäern aber bei den Regeln zur Umsetzung entgegenkommen. Beim Treffen des Handels- und Technologierats soll darüber beim Mittagessen gesprochen werden. Aus Sicht der Kommission soll dies die Stunde der Wahrheit sein. Der für Handel zuständige Behördenvize Dombrovskis sagte kürzlich der SZ, dass die Kommission nach der Konferenz in Maryland "Bilanz ziehen und gegebenenfalls nächste Schritte prüfen" werde.
Subventionswettläufe seien "teuer und ineffizient", mahnt die EU-Komission
Einer dieser Schritte könnte ein Verfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) sein. Die Genfer Handelswächter könnten der EU am Ende erlauben, mit Strafzöllen zu reagieren. Außerdem hat der EU-Ministerrat, das Gremium der Mitgliedstaaten, vergangene Woche praktischerweise ein Gesetz gegen unlautere Subventionen final gebilligt. Die Verordnung ermächtigt die Kommission, Konzerne aus Asien oder Amerika von staatlichen Ausschreibungen auszuschließen oder ihnen Übernahmen zu verbieten, wenn sie in der Heimat mit unfairen Beihilfen gepäppelt werden. Das könnte Brüssel vielleicht auch gegen US-Unternehmen anwenden, die vom Inflation Reduction Act profitieren.
Frankreichs Regierung wirbt zudem dafür, dass die EU eigene Subventionsprogramme auflegen sollte, die ähnlich wie das US-Gesetz nur Produkte aus heimischen Fabriken unterstützen. Aber gegen diese Diskriminierung würden dann Handelspartner wie Japan und Südkorea Sturm laufen. Und Kommissionsvize Dombrovskis warnt, dass Subventionswettläufe ohnehin "teuer und ineffizient" seien. Ein weiteres Problem ist, dass reiche Staaten wie Deutschland ihre Industrie viel großzügiger fördern könnten als klamme Länder wie Italien.
Binnenmarktkommissar Thierry Breton forderte deswegen vorige Woche bei einer Tagung in Berlin, "rasch" einen EU-Fonds "mit angemessener finanzieller Feuerkraft" aufzusetzen, um strategisch wichtigen Industrien zu helfen. Seine Chefin Ursula von der Leyen legte am Sonntag bei einer Rede im belgischen Brügge nach. Die Kommissionspräsidentin kündigte an, als Antwort auf Bidens Gesetz die strengen EU-Regeln für staatliche Beihilfen zu lockern. "Wir müssen schauen, wie wir die Vorschriften einfacher und berechenbarer" für Konzerne machen können, sagte die Deutsche.
Zudem sollten Regierungen nicht nur Innovationen, sondern auch den Aufbau der Massenproduktion unterstützen können, regte sie an. Um Unterschiede bei der Finanzkraft von Mitgliedstaaten abfedern zu können, verlangte von der Leyen außerdem "neue und zusätzliche" EU-Mittel für einen Brüsseler "Souveränitätsfonds". Der solle Forschung und Entwicklung sowie "strategische Projekte" der Industrie anschieben: "Eine gemeinsame europäische Industriepolitik erfordert eine gemeinsame europäische Finanzierung."
Die USA und die EU arbeiten gegen China zusammen
Verglichen mit diesem grundlegenden transatlantischen Streit wirkt es eher unbedeutend, was der Handels- und Technologierat am Montag verkünden will. So möchten die EU und die USA gemeinsam Standards für vertrauenswürdige künstliche Intelligenz entwickeln; bei dem Treffen soll ein Fahrplan dafür verabschiedet werden, wie es im Entwurf der Abschlusserklärung heißt. Bei Standards für Ladesäulen für Elektrolaster oder für die Verschlüsselung von Daten wollen die Partner ebenfalls zusammenarbeiten. Der Hintergrund: Europa und die USA möchten so verhindern, dass ansonsten China die weltweiten Standards setzt.
Außerdem wollen Washington und Brüssel vereinbaren, sich gegenseitig zu warnen, wenn in der Zulieferkette für Halbleiter Probleme festgestellt werden. Die Partner wollen sich zudem offen über ihre Subventionen in dieser Schlüsselbranche informieren. Die Abschlusserklärung listet viele Initiativen auf. Doch aus EU-Sicht zählt vor allem jenes Thema, das bloß im Vorwort erwähnt wird: der Disput um Bidens grüne Subventionen.