Datenschutz:EU vergibt brisanten Auftrag - ausgerechnet an die Briten

Datenschutz: Sitz der EU-Kommission in Brüssel: Ein IT-Auftrag bereitet Ärger.

Sitz der EU-Kommission in Brüssel: Ein IT-Auftrag bereitet Ärger.

(Foto: Aaron Chown/dpa)

Die EU-Kommission will ein sensibles Computer-Netzwerk von der Tochter eines britischen Konzerns betreiben lassen. Kritiker halten das für eine ganz schlechte Idee.

Von Björn Finke, Brüssel

Eine Ausschreibung für so etwas Dröges wie Informationstechnik bereitet der EU-Kommission gerade viel Ärger: Die Brüsseler Behörde sucht ein Unternehmen zum Betrieb von "Testa", einem sicheren internen Netzwerk, mit dem EU-Einrichtungen und auch nationale Behörden Daten austauschen können. Die Abkürzung steht für "Trans-European Services for Telematics between Administrations", und der Kommission zufolge sind mehr als 750 Dienststellen angeschlossen. Aufgebaut und bislang betrieben wurde es von T-Systems, der Tochter der Deutschen Telekom. Aber nun soll der Auftrag an BT Global Services in Belgien gehen - einer Tochter des britischen Telekom-Konzerns BT.

Die Nachrichtenseite Politico berichtet, die Kommission habe den Briten bei der Ausschreibung zumindest provisorisch den Zuschlag erteilt; der Vertrag sei 1,2 Milliarden Euro wert und laufe über acht Jahre. Doch diese Entscheidung erzürnt manche im Europaparlament. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber schickte daher einen zweiseitigen Beschwerdebrief an seine Parteifreundin Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin. "Gerade im Vereinigten Königreich sind die Geheimdienste bekanntlich nicht zimperlich und haben zum Teil weitreichende Eingriffsrechte in die Privatsphäre britischer Bürger", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Eigentlich will die EU wirtschaftlich unabhängiger werden

Ferber, der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, warnt in dem Brief, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Spione auch bei EU-Töchtern britischer Konzerne auf Daten zugreifen könnten. Damit sei durch die "Vergabe an einen britischen Anbieter die Möglichkeit eröffnet, dass ein ausländischer Geheimdienst vertrauliche EU-Informationen mitliest: Das ist nicht nur ein Datenschutz-, sondern auch ein Sicherheitsproblem." Der CSU-Politiker wirft zudem die Frage auf, wie dieser Beschluss "mit dem von der Europäischen Kommission ausgegebenen Ziel einer offenen strategischen Autonomie zu vereinbaren ist". Dieser Slogan steht für die Anstrengungen Brüssels, die EU weniger abhängig von anderen Wirtschaftsmächten und deren Technologien und Rohstoffen zu machen. Ferber sagte der SZ, es passe nicht zu diesem "Mantra" von der Leyens, jetzt "sensible Infrastruktur in die Hände eines Drittstaaten-Unternehmens" zu legen: "Die Entscheidung gehört umgehend revidiert."

Die Beziehungen der EU zum BT-Heimatland Großbritannien sind ohnehin angespannt, weil Premier Boris Johnson droht, das Nordirland-Protokoll in Teilen außer Kraft zu setzen. Diese Regelung soll verhindern, dass zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland wegen des Brexit Lastwagen kontrolliert werden müssen. Beim Thema Datenschutz und Datentransfer wartet ebenfalls Ärger. Erst im vorigen Jahr bescheinigte die Kommission Großbritannien, ähnlich gute Datenschutz-Regeln wie die EU zu haben. Daher dürfen Firmen Daten von EU-Bürgern weiterhin auf britischen Servern speichern und verarbeiten. Johnson hat allerdings angekündigt, die Datenschutz-Vorschriften zu ändern. Dies könnte die Kommission zwingen, ihre Bescheinigung wieder einzukassieren - Datentransfers über den Ärmelkanal wären dann illegal.

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