Süddeutsche Zeitung

EU:Streit um neue Steuern

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Die EU-Finanzminister debattieren über Abgaben für Digitalkonzerne. Dabei droht ein Flickenteppich.

Von Björn Finke, Brüssel

Es war ein historisches Treffen der Finanzminister. Am Dienstag nahm zum letzten Mal ein britischer Schatzkanzler an der Zusammenkunft seiner EU-Amtskollegen in Brüssel teil. In anderthalb Wochen tritt das Königreich nach 47 Jahren aus, und danach werden Sajid Javid und die anderen Londoner Regierungsvertreter nicht mehr bei den Ministerräten, den Entscheidungsgremien der Mitgliedstaaten, mitmischen. Passenderweise standen bei Javids Abschiedsbesuch Klassikerthemen auf der Tagesordnung: Steuern.

Einiges Aufsehen erregte eine Ankündigung des neuen österreichischen Finanzministers Gernot Blümel. Der Christdemokrat drohte den Ausstieg seines Landes bei der Finanztransaktionssteuer an. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte im Dezember gesagt, die Beratungen zwischen Deutschland und neun anderen EU-Staaten über die Etablierung solch einer Abgabe auf Börsengeschäfte befänden sich vor dem Abschluss. Dazu hatte er einen Gesetzesentwurf präsentiert. Der missfällt aber der Regierung in Wien: "Wenn es hier zu keiner Änderung kommt, werden wir aus der Gruppe der Mitgliedsländer, die diese Finanztransaktionssteuer einführen will, aussteigen", sagte Blümel.

Der ÖVP-Minister kritisiert, dass Scholz nur Käufe von Aktien besteuern will, nicht jedoch von Finanzwetten wie Derivaten, die Spekulanten gerne nutzen. Deutschland und die anderen Staaten möchten die Steuer im Zuge der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit einführen. Das ist eine EU-Methode, wie Länder bei Themen voranschreiten und gemeinsam Regeln erlassen können, ohne darauf warten zu müssen, dass alle 28 - bald 27 - Staaten mitziehen. Für diese verstärkte Zusammenarbeit sind aber mindestens neun Teilnehmer vorgeschrieben. Würden sich die Österreicher wirklich von dem Projekt abwenden, blieben genau neun Länder über: Es darf dann also keinen weiteren Dissens mehr geben.

Trotzdem zeigte sich Scholz nach dem Ministertreffen entspannt. Dass eine neue Regierung wie die in Wien erst einmal den Blick nach innen richte und nicht darauf, was bei den Partnern im Ausland möglich sei, "ist nicht überraschend", sagte der SPD-Politiker. Er habe mit dem österreichischen Amtskollegen "ein freundliches und sehr gutes Gespräch" geführt. Zum Problem der Teilnehmerzahl sagte er: "Es gibt sogar noch Länder, die mitmachen wollen." Welcher EU-Staat der Initiative beitreten möchte, verriet Scholz jedoch nicht.

Außerdem tauschten sich die Minister über Steuern für die Digitalbranche aus. Bei der Industriestaaten-Organisation OECD in Paris laufen Verhandlungen darüber, die weltweiten Steuerregeln für Konzerne fairer zu gestalten. Der Kuchen des Steueraufkommens soll anders aufgeteilt werden. Mehr Gewinn soll in jenen Ländern versteuert werden, in denen Firmen Kunden und Nutzer haben. Die Reform zielt vor allem auf Internetkonzerne wie Google und Amazon ab, die ihren Gewinn bislang in erster Linie in ihrer Heimat USA verbuchen. Daneben diskutiert die OECD über eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmen.

Frankreich wollte nicht auf einen Erfolg der Verhandlungen vertrauen und führte daher bereits eine Digitalsteuer ein, also eine Abgabe für Internetfirmen. US-Präsident Donald Trump fürchtet um seine Steuereinnahmen von Onlinekonzernen und drohte mit Strafzöllen auf französische Produkte. Aber zu Wochenbeginn legten Trump und Präsident Emmanuel Macron den Streit am Telefon bei. Sie wollen nun abwarten, ob die OECD bis Jahresende eine Lösung findet. Wenn ja, wird Paris die nationale Digitalsteuer wieder abschaffen.

Minister Scholz sagte, er hoffe, dass die OECD-Gespräche bis Anfang Februar zu Vorschlägen führten. In dem Fall könne es bis Jahresende eine endgültige Verständigung geben. Deutschland übernimmt im Juli für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft. Scholz sagte, es sei "für mich persönlich eine große Sache", wenn er dann als Vorsitzender der Finanzminister-Treffen zur Umsetzung beitragen könne.

Doch wird eine Einigung bei der OECD dadurch erschwert, dass Washington zuletzt forderte, Unternehmen sollten die Wahl haben, ob die neuen oder alten Regeln für sie gelten. Die EU-Kommission droht, bei einem Scheitern der Gespräche eine europaweite Digitalsteuer vorzuschlagen - allein schon deshalb, weil ansonsten Mitgliedstaaten geneigt sein könnten, ihre eigenen neuen Steuern für Internetkonzerne einzuführen. Dann entstünde ein Flickenteppich: "Es ist wichtig, eine Verbreitung unterschiedlicher Systeme in den Mitgliedstaaten zu verhindern", sagte Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis nach dem Ministertreffen.

Seine Behörde regte allerdings bereits vor zwei Jahren solch eine Digitalsteuer an. Das scheiterte damals am Widerstand einiger Länder.

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SZ vom 22.01.2020
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