Sein angeblich immer noch guter Draht zum russischen Machthaber Wladimir Putin hat dem Oligarchen Oleg Deripaska zuletzt nichts genutzt. Der Milliardär hatte Anfang März zur Beendigung des Krieges in der Ukraine aufgerufen. Und Ende März erklärte er in seinem Telegram-Kanal, dieser "Wahnsinn (für den wir uns noch lange vor unseren Nachfahren schämen werden)" hätte noch einige Wochen vorher durch vernünftige Gespräche beendet werden können.
Andererseits hat Deripaska der Nachrichtenagentur dpa zufolge auch vor einer angeblichen atomaren Gefahr aus der Ukraine gewarnt und lag damit auf Linie der russischen Kriegspropaganda. Jedenfalls nützen dem Oligarchen all die Wortmeldungen gegen den Krieg jetzt wahrscheinlich nichts mehr bei der Europäischen Union (EU). Die hatte bislang davon abgesehen, Sanktionen gegen den Milliardär zu verfügen und sein in der EU vorhandenes Vermögen einzufrieren. Doch jetzt soll auch Deripaska drankommen, Gründer und Inhaber des russischen Mischkonzerns Basic Element. Der Oligarch herrscht über ein weitverzweigtes Imperium, das bis nach Deutschland reicht.
Deripaska soll kein Geld mehr aus Österreich bekommen
Aus EU-Diplomatenkreisen heißt es, dass Deripaska auf der neuesten Sanktionsliste steht, die von den EU-Botschaftern am Mittwoch diskutiert wurde. Die Liste könnte bereits am Donnerstag verabschiedet werden. Dass der Milliardär wieder von der Liste fliegt und verschont wird, gilt als nahezu ausgeschlossen. Auf vorherigen Sanktionslisten tauchte er hingegen nicht auf: Zwar wollten manche EU-Staaten den Oligarchen dem Vernehmen nach aufnehmen, aber andere waren dagegen.
Schneller als die EU hat jedenfalls der österreichische Baukonzern Strabag mit Großaktionär Hans Peter Haselsteiner gehandelt, einem der führenden Industriellen in der Alpenrepublik, und ist auf Abstand zum Mitinhaber Deripaska gegangen. Die Privatstiftung von Haselsteiner ist einer der drei Hauptaktionäre der Strabag AG, die ebenso wie die Bautochter Züblin Großaufträge in Deutschland übernimmt. Züblin ist bei dem Mammutprojekt Stuttgart 21 dabei: vier neue Bahnhöfe, 120 km neue Schienenwege, zwei neue Stadtviertel und mehr.
Über die Strabag war indirekt auch Deripaska gewissermaßen einer der Bauherren des Milliardenprojekts Stuttgart 21 und somit über mehrere Ecken auch Profiteur von Aufträgen des Staatsunternehmens Deutsche Bahn. Bis Mitte März. Da teilte die Strabag mit, Haselsteiners Privatstiftung sei aus dem langjährigen Syndikatsvertrag mit der russischen Rasperia ausgestiegen. Zuvor sei das Vorhaben gescheitert, den russischen Anteil an sich zu ziehen. Deripaska ist Mitgesellschafter von Rasperia; und Rasperia wiederum hält gut ein Viertel der Strabag-Aktien.
Strabag-Chef Thomas Birtel erklärte, durch die Kündigung des Syndikatsvertrages würden "klare Verhältnisse" geschaffen. Das Management sei bereit, alle rechtlich möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um Schaden vom Unternehmen abzuwenden. Das gelte mit Blick auf von Großbritannien und Kanada erlassene Sanktionen insbesondere für die Auszahlung von Dividenden, so Birtel. Im Klartext: Deripaska soll kein Geld mehr aus Österreich bekommen. In den USA steht der Oligarch schon länger auf den Sanktionslisten.
Gespannt sein darf man auf die Begründung, sollte der Milliardär dieses Mal wirklich auf die EU-Sanktionsliste kommen. Deripaska ist beziehungsweise war mit seinen Unternehmen in etlichen Branchen (Autos, Luftfahrt, Bau, Maschinenbau, Aluminium, Landwirtschaft) aktiv und gilt als besonders kremlnah. Zu seinem Imperium soll unter anderem der Flughafen von Sotschi gehören, dem Ort der Olympischen Winterspiele 2014. Das war eines der vielen Prestigeprojekte von Putin gewesen.
Deripaska selbst tut so, als habe er mit Putin wenig zu schaffen. Eine Sprecherin von ihm erklärte auf SZ-Anfrage, die bisherigen Sanktionen gegen den Oligarchen basierten auf falschen Vorwürfen. Es sei falsch zu behaupten, er stehe Putin nahe. Seit Erlass der US-Sanktionen im Jahr 2018 sei Deripaska von Führungspositionen zurückgetreten und kümmere sich nun fast ausschließlich um soziale Projekte auf der ganzen Welt, von Bildung, Kultur und Gesundheitswesen bis hin zu Aktivitäten, die darauf abzielten, einige der dringendsten Probleme wie Klimawandel und Armut anzugehen.
Die USA, Kanada und Großbritannien und nun offenbar auch die EU sehen das anders.