Süddeutsche Zeitung

EU-Regulierung:Neue schöne Krypto-Welt

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Der Markt der digitalen Vermögenswerte gilt als Graubereich, in dem sich auch Betrüger tummeln. Nun hat die EU-Kommission eine umfassende Regulierung von virtuellen Währungen vorgelegt. Denn der vielfältige Bereich an Krypto-Werten dürfte in den kommenden Jahren stark wachsen.

Von Katharina Wetzel

Im Zahlungsverkehr der Zukunft lassen sich Aktien, Fonds, Währungen und andere Vermögenswerte einfach digital von A nach B transferieren. Was für viele nach Science Fiction klingt, wird vielerorts teils schon bereits erprobt. Die Blockchain-Technologie macht es möglich. Start-ups, aber auch klassische Banken sowie Zentralbanken tüfteln bereits weltweit an solchen Blockchain-Lösungen. Auch die Krypto-Währung Bitcoin funktioniert mit der Technik. Bisher galt der noch relativ kleine Markt als unregulierter Graubereich. Ein Tummelplatz für digitale Freaks, innovative Tech-Firmen, Spekulanten und Betrüger - so war anfangs der Eindruck. Finanzaufseher und Politiker erkannten jedoch schnell, dass sie hier aktiv werden müssen, um von der Entwicklung nicht abgehängt zu werden. Am Donnerstag hat die EU Kommission nun ein Regelwerk für Krypto-Werte vorgelegt. Ziel ist es, Rechtssicherheit für Unternehmen zu bieten, den Anlegerschutz zu gewährleisten und kriminelle Handlungen wie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu unterbinden.

"Ein Verbot der Facebook-Währung Libra ist vom Tisch"

Die Verordnung "Markets in Crypto-assets" (abgekürzt "MiCA") beschreibt die bisher umfassendste Regulierung von Krypto-Werten, sagt Professor Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center. Kryptowerte wie Bitcoin werden damit ebenso erfasst wie die geplante Facebook-Währung Libra. Der Regulierungsvorschlag muss noch vom Europäischen Parlament und vom Rat genehmigt werden. Bis Ende 2022 könnte die Verordnung dann in Kraft treten, schätzt Sandner.

Mit MiCA möchte die EU-Kommission auch einen regulatorischen Flickenteppich in der EU vermeiden. Dass das Regelwerk so detailliert geworden ist, mag auch auf den Vorstoß von Facebook, eine eigene Währung einzuführen, zurückzuführen sein. Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande drohten zuletzt mit einem Verbot der geplanten Facebook-Devise Libra. Das weltgrößte Internet-Netzwerk mit mehr als eine Milliarde Nutzern hat mit seinen Plänen für ein eigenes Digitalgeld Regierungen, Aufseher und Zentralbanken weltweit alarmiert und viele Fragen aufgeworfen. So befürchten etwa Zentralbanker, dass sie in ihrer Geldpolitik an Einfluss verlieren, wenn Millionen Nutzer mit der digitalen Facebook-Währung einfach per Smartphone bezahlen. Würde die digitale Währung in der Breite als Zahlungsmittel akzeptiert, könnte sich eine Art Ersatzwährung bilden, die den Staaten ihr Geldmonopol streitig macht. Risiken gibt es auch aus Datenschutzgründen, wenn der mächtige Konzern noch mehr Einblick in sensible Daten bekommt.

"Ein Verbot von Libra ist nun vom Tisch", sagt Sandner. Allerdings seien die regulatorischen Anforderungen enorm. "Die Hürden sind hoch für Libra, aber Facebook hat sich durch eine chaotische Kommunikation auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert", meint Sandner. Während Libra von der Aufsicht hart angefasst wird, sollen Krypto-Währungen wie Bitcoin regulatorisch auf ein ähnliches Fundament gestellt werden wie andere Finanzinstrumente, ordnet Sandner ein. Der Blockchain-Experte hält es für erstaunlich, dass der noch wenig bedeutende Markt der Kryptowerte derart umfassend und detailreich reguliert werden soll. "Es ist keine Gefahr in Verzug. Das Volumen der Krypto-Werte ist relativ klein", beruhigt Sandner. Das Marktvolumen beträgt laut https://coinmarketcap.com/ 325 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Der US-Konzern Apple ist weitaus mehr als 1000 Milliarden US-Dollar an der Börse Wert.

Experten erwarten künftig eine stark wachsende Krypto-Landschaft. "Es braucht so eine Regulierung, um den Bereich zu professionalisieren", sagt Sandner, der mit der neuen Verordnung auch den Verbraucherschutz gestärkt sieht. Auf Start-ups und Unternehmen, die im Bereich der Krypto-Werte tätig sind, wird dies deutliche Auswirkungen haben. Ihnen bietet die neue Verordnung aber auch Vorteile. Durch die europaweite Regelung verringert sich die Komplexität und Unsicherheit für Dienstleister, die bisher innerhalb der EU verschiedene Vorschriften erfüllen mussten. Zudem erhöht sich die Chancengleichheit der Marktteilnehmer.

Einzelne Banken könnten demnächst den digitalen Euro herausbringen

Digitale Vermögenswerte ermöglichen neue Innovationen und vereinfachen den Zahlungsverkehr, insbesondere Transaktionen ins Ausland lassen sich schneller und günstiger abwickeln, so das Versprechen. Die rein digitale Abbildung von Werten und Rechten auf Blockchain-basierten Systeme könnte den globalen Handel künftig deutlich effizienter machen. Bisherige Intermediäre, wie etwa Banken oder Börsen könnten dann aber bei diesen digitalen Transaktionen nur noch eingeschränkt benötigt werden. Sandner rechnet damit, dass die Institute ihre derzeit eingesetzte Infrastruktur signifikant anpassen müssen: "Der Finanzplatz Deutschland braucht Blockchain-Lösungen zwangsläufig. Wer sich nicht damit beschäftigt, fliegt aus dem System raus", sagt Sandner.

Große Erwartungen sind auch an einen digitalen Euro geknüpft. "Ein Bankenkonsortium oder auch einzelne Banken werden hierzulande den digitalen Euro demnächst herausbringen", schätzt Sandner. Die LBBW, die DZ Bank und die Commerzbank hätten bereits Lösungen in ersten Testprojekten. Der Wettbewerbsdruck ist groß. China sei in bestimmten Bereichen schon fünf bis sechs Jahre weiter in der Entwicklung. "Es ist zu befürchten, dass Euros technisch auf einer ausländischen Technologieplattform laufen könnten. Das sollte vermieden werden", warnt Sandner. China führe bereits in Experimenten erste Transaktionen mit dem digitalen Yuan durch, etwa 40 Millionen Menschen würden die Technik dort ausprobieren.

Auch ein Grund, warum Zentralbankenselbst Experimente starten: "Zentralbanken erkennen gerade, dass sie durch Ausprobieren mehr lernen als mit dem Lesen und Schreiben von Dokumenten", sagt Sandner. Die deutsche Bundesbank und die französische Zentralbank seien in der EU schon relativ weit. An der Spitze liege die Schweizerische Nationalbank.

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SZ vom 25.09.2020
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