EU:Recht zum Alarmschlagen

Die EU reagiert auf Skandale wie Lux Leaks und Panama Papers: Damit sich Hinweisgeber trauen, Missstände zu benennen, gibt es künftig Regeln zum Schutz der Whistleblower.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Ohne Whistleblower wären Enthüllungen wie Lux Leaks oder Panama Papers wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Mit ihren Hinweisen deckten die Informanten Missstände auf und stießen eine weltweite Debatte über Steuergerechtigkeit an. "Whistleblower tun das Richtige für die Gesellschaft und sollten von uns geschützt werden, damit sie dafür nicht bestraft, entlassen, degradiert oder vor Gericht verklagt werden", sagte EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans am Dienstag. In der Nacht zuvor hatten sich Unterhändler der EU-Staaten, des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission auf einheitliche Regeln zum Schutz von Hinweisgebern geeinigt.

Künftig sollen etwa Arbeitnehmer, die Verstöße in ihrem Unternehmen oder ihrer Organisationen offenlegen wollen, keinerlei Repressalien mehr zu befürchten haben. Nach dem Willen der EU-Verhandler soll niemand mehr aus Angst vor Vergeltung abgehalten werden, seine Bedenken zu äußern. Die Nichtregierungsorganisation Transparency International bezeichnete das Verhandlungsergebnis als "historisch". Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte den Kompromiss: "Eine solche Regelung macht es wahrscheinlicher, dass Wirtschaftsskandale mit Hilfe von integren und mutigen Beschäftigten ans Licht kommen und diese gleichzeitig vollen Schutz genießen."

Der Einigung war ein langer Streit über die Regeln für Hinweisgeber beim Melden von Missständen vorausgegangen. Die EU-Staaten hatten sich für ein dreistufiges Verfahren ausgesprochen: Bevor Informanten an die Öffentlichkeit gehen dürfen, sollten sie sich zunächst an eine unternehmensinterne Stelle wenden und dann an eine Aufsichtsbehörde außerhalb. Das Europaparlament hatte hingegen darauf gedrungen, dass Whistleblower selbst wählen können, wie und wo sie Alarm schlagen. Die nun erzielte Einigung hält im Prinzip an dem dreistufigen Meldeverfahren fest. Der Weg über betriebsinterne Kanäle ist laut EU-Kommission aber nur vorgeschrieben, wenn das Problem so auch tatsächlich "wirksam angegangen" werden kann und die Hinweisgeber "keine Vergeltungsmaßnahmen riskieren". Andernfalls könnten sie sich an die Behörden wenden. In bestimmten Fällen dürfen Whistleblower auch an die Öffentlichkeit gehen, etwa über Medien. Dies ist etwa erlaubt, wenn Behörden nicht angemessen auf einen gemeldeten Missstand reagieren, das öffentliche Interesse gefährdet oder das Melden an die Behörde aus gewichtigen Gründen keine Option ist. Letzteres könne der Fall sein, wenn die betroffene Behörde und der Straftäter Absprachen getroffen haben.

Das neue Gesetz wird insbesondere bei Verstößen gegen EU-Recht bei Geldwäsche, Unternehmensbesteuerung, Daten- und Umweltschutz sowie Lebensmittelsicherheit angewendet. Die EU-Staaten und das Europäische Parlament müssen die Einigung noch formell bestätigen. Anschließend müssen die Mitgliedsländer die neuen Regeln in nationales Recht umwandeln. EU-Justizkommissarin Věra Jourová sprach von einem "ausgewogenem System". Arbeitgeber würden ermutigt, Probleme intern zu lösen. Hinweisgeber hätten auch andere Möglichkeiten - "ohne Angst vor Vergeltung haben zu müssen", sagte Jourová. "Whistleblower bekommen in Europa künftig den Schutz, den sie verdienen", so der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold.

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