Süddeutsche Zeitung

EU-Pläne:"Made in Germany" soll reguliert werden

Streit über einen Mythos: Produkte "made in Germany" gelten als qualitativ hochwertig. Wer sich das Siegel anheften darf und warum, ist allerdings nicht geregelt - das möchte die EU nun ändern.

Von Javier Cáceres, Brüssel

Es gab mal eine Zeit, da waren deutsche Industrielle peinlich berührt, wenn auf ihren Produkten "Made in Germany" stand; 126 Jahre liegt sie nun zurück. Damals ersannen die Briten das Label als eine Art Stigma für schlecht verarbeitete, qualitativ minderwertige, aber billige Kopien britischer Produkte aus deutschen Landen. Doch das war einmal.

Seit "Made in Germany" zu einem Gütesiegel geworden ist, versucht die deutsche Industrie die Unverwechselbarkeit des Labels zu verteidigen. Und das ist nun offenbar ernsthaft in Gefahr. Das zumindest glaubt der Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer. Dem widersprach jetzt die Europäische Kommission vehement. "Made in Germany ist absolut nicht in Gefahr. Im Gegenteil. Das Label Made in Germany wird vielmehr gestärkt und in der gesamten EU rechtlich besser abgesichert", sagte ein Sprecher.

Bei dem Streit geht es um einen Vorschlag, den Tonio Borg und Antonio Tajani, die in der EU-Kommission für den Verbraucherschutz beziehungsweise die Industrie zuständig sind, bereits im Februar vorlegt haben. Er sieht vor, dass die Herkunftsangabe auf Konsumprodukten verpflichtend werden soll. Bislang ist eine "Made-in"-Etikettierung freiwillig - und prinzipiell die autonome Entscheidung eines Fabrikanten. Er darf, überspitzt formuliert, das Label Made in Germany auf seinen Produkten führen, solange er das nicht in irreführender Absicht tut - seine Produkte also etwa nicht zu 100 Prozent im Ausland konzipiert und hergestellt werden.

Heikel wurde der Vorschlag aber durch den Hinweis, die Bestimmung des Herkunftsortes eines Produkts künftig am sogenannten Zollkodex zu orientieren. Insbesondere unter deutschen Mittelständlern kamen mannigfaltige Befürchtungen auf, die - verkürzt formuliert - in der Angst gipfelten, dass nicht mehr Qualität oder technisches Design für die Bezeichnung Made in Germany entscheidend sein sollten. Sondern die so genannten Wertschöpfungsanteile, beziehungsweise die Frage, welchen Wert jede einzelne Zulieferkomponente hat. Diejenige mit dem höchsten Wert würde demnach automatisch die Herkunftsbezeichnung bestimmen.

Was ist der Mehrwert für den Verbraucher?

"Das ist in Zeiten globaler Lieferketten nicht nur völlig realitätsfremd, es führt auch dazu, dass das bisherige Qualitätssiegel Made in Germany zur Bedeutungslosigkeit verkommt", sagte Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages, unlängst bei einer Veranstaltung in Brüssel.

Bei der Kommission hält man dies allerdings für ein großes Missverständnis. Im bereits erwähnten Zollkodex heiße es ja ausdrücklich, dass eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, die Herkunftsbezeichnung des Landes trägt, "in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist".

Bei der österreichischen Wirtschaftskammer (WKÖ) in Brüssel runzelt man darüber aber ebenfalls die Stirn: "Was geschieht mit dem Tennisschläger, der von einem, sagen wir, österreichischen Fabrikanten entworfen, aber in einem anderen Land zusammengebaut wird?", sorgt sich Markus Stock, der WKÖ-Delegierte in Brüssel. Er stellt, eine grundsätzliche Frage: Ob der Verbraucher wirklich einen Mehrwert hat. Ein Hersteller muss seinen Namen und seine Adresse ja bereits angeben.

Unabhängig davon ist offen, ob der Vorschlag überhaupt durchkommt. Zurzeit liegt er beim Europaparlament, wo CSU-Mann Markus Ferber bereits einige Änderungsanträge in der Schublade hat. Diplomaten berichten, dass neun Mitgliedsstaaten den Vorschlag ablehnen, unter ihnen neben Deutschland auch "Made-in-Germany"-Erfinder Großbritannien. Für eine Sperrminorität würde es im Moment wohl reichen, heißt es.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2013/fran
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