Der Europäische Rat der 27 Staats- und Regierungschefs tagt, und alles wird gut? Das ist in Brüssel üblicherweise nicht zu erwarten, und in der Tat gibt es maßgebliche EU-Akteure, die mit ein paar Taschenspielertricks über das kritische Wochenende kommen wollen - als ob man so das dringend benötigte Vertrauen der Investoren weltweit zurückgewinnen könnte. Es gibt aber auch die anderen, die um den Ernst der Lage wissen und die beharrlich auf vertrauensbildende Beschlüsse hinarbeiten: Deutsche und Franzosen vor allem und neuerdings auch Italiener. Dass sie kooperieren, ist eines von mehreren bemerkenswerten Ergebnissen der Krise, die nicht nur Risiken bietet, sondern auch Chancen.
Erstens ist selten ein Gipfel so gut vorbereitet worden. Seit Monaten wird sehr ernsthaft über Verschuldung und Stabilität diskutiert, werden die Rollen von Politik, Finanzmärkten und Notenbanken analysiert. Viele Vorschläge liegen auf dem Tisch, leider umfassen sie das ganze Spektrum, was es für die Entscheider so schwierig macht, den richtigen Weg zu finden - weil es mathematische Richtigkeit in wirtschaftspolitischen Zusammenhängen eben nicht gibt.
Zweitens verlieren endlich die Apokalyptiker ihren verderblichen Einfluss. Über Monate haben sie die Diskussion unheilvoll beherrscht. In einer Art unfreiwilliger Zangenbewegung kaperten zwei Richtungen Hirn und Herz von Bürgern und Politikern. Die einen sehen eine Finanzkatastrophe kommen, wenn die Märkte nicht mit Milliarden von Euro geflutet werden. Diese Ansicht findet sich vor allem in den Kreisen internationaler Finanzexperten und den von ihnen beeinflussten Medien. Die anderen sehen umgekehrt den Euro in einer grenzenlosen Verschuldensorgie untergehen; eine sehr deutsche Sichtweise. Lange Zeit hatten beide Parteien ihr Publikum, aber sie haben überzogen. Getreu der mathematischen Regel, dass minus mal minus eben plus ist, können am Ende immer weniger Bürger die ewigen Kassandrarufe ertragen, und ist am Ende Gelassenheit der beste Ratgeber.
Drittens sind die viel gescholtenen Märkte rechtzeitig zu diesem Gipfel berechenbarer geworden, ihre Reaktionen eher nachzuvollziehen als lange Zeit zuvor. Ausgerechnet im Vorfeld dieses Gipfels wird weder für noch gegen etwas in großem Stil spekuliert. Die Zinsen für die Krisenstaaten sind eher gesunken, die Börsenkurse steigen, die Nervosität hält sich in Grenzen. Erkennbar reagieren die Anleger auf Stabilitätssignale. Die Ankündigungen der Rating-Agenturen haben die Investoren nicht verschreckt - weil diese sie richtigerweise so verstanden haben, wie sie gemeint waren: als Hinweis auf drohende Probleme.
Viertens präsentiert sich namentlich die deutsche Industrie in beeindruckender Verfassung. Von der Panik der Banker und Geldhändler lassen sich Manager und Mitarbeiter der Realwirtschaft nicht anstecken. Vorbereitungen für einen Abschwung, gar für eine Rezession laufen, ohne dass man sich der Angst ergibt - nicht die schlechteste Voraussetzung, um durch die Krise zu kommen.
Fünftens verändert sich die Politik in rasanter Geschwindigkeit. Griechenland erträgt mit bisher bewundernswerter Würde sein schweres Sparschicksal. Italien versammelt sich hinter dem guten Professor Mario Monti. Eine Stabilitätsunion, wie sie die Deutschen immer wollten und nie bekommen haben, findet europaweit immer mehr Anhänger.
Sechstens moderiert die Bundesregierung diesen Prozess mit einer bemerkenswerten Selbstverständlichkeit, geführt von einer Kanzlerin, die allmählich zu großer Form aufläuft. Die bellende Kritik der Möchtegern-Krisenretter der SPD wirkt dagegen seltsam fad. Wo so viel von fehlender Glaubwürdigkeit die Rede ist in dieser Krise: Angela Merkels Glaubwürdigkeitskurve zeigt derzeit deutlich nach oben.
All das sind gute Voraussetzungen für eine Rettung des Euro zu allseits erträglichen Bedingungen. Diese Rettung wird nicht an diesem Wochenende gelingen, und der Gefahren bleiben viele. Aber es ist einiges in Bewegung gekommen. Womöglich reicht dieser Schwung aus, um die Krise zu bewältigen.