Süddeutsche Zeitung

Konjunktur:Großzügigkeit würde die Inflation nur anheizen

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Während der Pandemie stützten Regierungen die Wirtschaft mit massiven Hilfsprogrammen. Jetzt herrscht wieder Krise, aber die Politik sollte sich breit angelegte Unterstützung besser verkneifen.

Kommentar von Björn Finke

Es klingt erst einmal absurd, vielleicht sogar kaltherzig, ist aber leider der richtige Weg: Die Finanzminister der 27 EU-Mitgliedstaaten wollen sich dieses Mal zurückhalten. Riesige Konjunktur- und Hilfspakete, wie sie zu Beginn der Pandemie aufgelegt wurden, soll es nicht geben. Dabei stecken die Bundesrepublik und die ganze EU ganz tief in der Krise. Bürger und Betriebe leiden unter den hohen Energiepreisen, viele Volkswirte erwarten, dass die deutsche Wirtschaftsleistung schrumpft. Der damalige Finanzminister Olaf Scholz nannte diese Covid-Krisen-Programme eine "Bazooka", Deutschland solle mit einem "Wumms" die Kurve kriegen. Jetzt dagegen soll die Panzerfaust im Waffenschrank bleiben.

Dieses Gelöbnis der Minister bedeutet nicht, dass die Politiker die Folgen von Inflation und Energiekrise für Verbraucher und Firmen unterschätzen. Aber sie wissen, dass die finanzpolitische Bazooka die falsche Waffe wäre. Ihr Einsatz würde mehr schaden als nützen. Denn in Zeiten hoher Inflation müssen staatliche Hilfen so zielgerichtet und bescheiden wie möglich ausfallen. Die Bürger müssen daher akzeptieren, dass die Regierung ihre Verluste an Kaufkraft und Wohlstand nicht einmal annähernd ausgleichen kann. Die entscheidende Frage ist nur, ob die 27 Finanzminister diesen schwierigen Kurs durchhalten werden. Schließlich ist der politische Druck gewaltig, die Bevölkerung in der Breite zu unterstützen.

Schon jetzt sind viele Hilfsprogramme der EU-Regierungen wenig zielgerichtet, das gilt auch für die Entlastungspakete der Bundesregierung. Von diesen Maßnahmen profitieren nicht nur Bedürftige, sondern sogar Besserverdienende. Und in zwei Wochen könnte in Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft der EU, eine Koalition von Konservativen, Populisten und Rechtsextremen die Macht übernehmen. Das Bündnis fällt mit teuren Wahlversprechen auf, weswegen die Gefahr besteht, dass der künftige Finanzminister in Rom nichts von Zurückhaltung hält.

Doch die scheinbare Großzügigkeit würde die Inflation nur weiter anheizen und die Rückkehr zu stabilen Preisen verzögern. Die hohen Energienotierungen bedeuten, dass deutlich mehr Einkommen der EU-Bürger letztlich in den Taschen von Öl- und Gaslieferanten außerhalb Europas landet. Entsprechend weniger können die Verbraucher für Einkäufe und Dienstleistungen ausgeben. Ihre Kaufkraft ist drastisch gesunken. Das ist nicht nur schmerzhaft für die Bürger, sondern auch für Restaurant- und Ladenbesitzer, die mit weniger Nachfrage klarkommen müssen.

Normalerweise wären Hilfsprogramme das Mittel der Wahl, doch die Inflation ist zu hoch

Regierungen können diesen Nachfrageeinbruch mildern, indem sie die Kaufkraft erhöhen. Steuersenkungen oder ein Preisdeckel für Energie, finanziert mit massiven Subventionen, könnten die Bürger in der Breite entlasten. Normalerweise ist ein solcher Konjunkturstimulus genau die richtige Politik im Abschwung. Das gilt aber nicht, wenn zur gleichen Zeit die Inflation so hoch ist. Sogar die Kerninflationsrate, bei der Energiepreise außen vor bleiben, hat die fünf Prozent überschritten. Und je länger Inflation herrscht, desto schwieriger wird es, sie wieder loszuwerden. Stützt der Staat mit Hilfsprogrammen die Nachfrage, erschwert er den Kampf der Europäischen Zentralbank gegen die Inflation. Mehr Nachfrage bedeutet schließlich höhere Preise, vor allem dann, wenn das Angebot eingeschränkt ist - zum Beispiel weil Lieferketten-Probleme die Produktion mancher Güter erschweren.

Daher verbieten sich breit angelegte Entlastungsprogramme. Zugleich ist klar, dass Regierungen gezielt Geringverdiener unterstützen müssen. Kein Bürger sollte aus Geldnot dazu gezwungen sein, auf Heizung oder Licht zu verzichten. Nötig sind auch maßvolle Hilfen für Firmen, deren Existenz die Energiepreise bedrohen. Die Programme müssen dabei so entworfen sein, dass weiterhin Anreize bestehen, den Verbrauch zu senken. Gezielte Hilfen haben gegenüber dem Bazooka-Ansatz auch den Vorteil, die Staatshaushalte weniger zu belasten. Das ist umso wichtiger, weil bereits die Covid-Krise die Schuldenstände aufgebläht hat. Würde ein Land wie Italien alle Disziplin in den Wind schießen, droht der EU mitten in der Energiekrise eine neue Schuldenkrise. Das will man sich lieber nicht ausmalen.

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