Süddeutsche Zeitung

EU-Kommissionspräsident warnt vor Ausbreitung der Schuldenkrise:Barroso zweifelt an Schlagkraft des Euro-Rettungsfonds

Die Krise ist wieder da: Kommissionspräsident Barroso schreibt einen Brandbrief an die Regierungschefs der Euro-Staaten und dringt auf eine "rasche Überprüfung aller Elemente" des Rettungsfonds - auch der Summe von 440 Milliarden Euro. Und die Europäische Zentralbank will wieder Anleihen von Krisenländern kaufen.

Es sollte ein Befreiungsschlag für Euroland sein: Mit einem neuen Rettungspaket für Griechenland von 109 Milliarden Euro, einem Bankenbeitrag von 37 Milliarden Euro bis 2014 und Kreditzusagen für andere Sorgenkinder wie Italien und Spanien wollten die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel am 21. Juli in Brüssel die Schuldenkrise eindämmen. Auch der Euro-Rettungsfonds (EFSF) wurde aufgewertet. Er soll Vorsorgeprogramme auflegen, Finanzinstitutionen rekapitalisieren und sogar Anleihen aufkaufen können.

Keine zwei Wochen später scheint der Befreiungsschlag Makulatur geworden zu sein. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso muss zähneknirschend einräumen, dass die Gipfelbeschlüsse "nicht die beabsichtigte Wirkung auf den Märkten" erzielt hätten - und sieht sich genötigt, einen Brandbrief an die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten zu schreiben.

Darin dringt Barroso nicht nur darauf, die Ratifizierung der Gipfelbeschlüsse zu beschleunigen, sondern bringt auch eine erneute Aufstockung des 440 Milliarden Euro schweren Krisenfonds ins Gespräch.

Deutlich wie kaum ein Politiker bislang räumt Barroso die Dimension der Krise ein: Es sei klar, dass wir es "nicht mehr nur mit einer Krise an der Peripherie der Eurozone zu tun haben". Nachdem bereits Irland, Griechenland und Portugal EU-Hilfen erhalten haben, wird inzwischen auch die Lage in den EU-Staaten Italien und Spanien mit großer Sorge betrachtet. Die beiden Länder sind unter den Druck der Finanzmärkte geraten und müssen Rekordzinsen für ihre Staatsanleihen zahlen.

Deshalb fordert Barroso eine "rasche Überprüfung aller Elemente des EFSF". Die Regierungen müssten sicherstellen, dass der Fonds "über die Mittel verfügt, um die Ansteckungsgefahren zu bekämpfen".

Eine Sprecherin des Kommissionspräsidenten sagte, mit "allen Elementen" sei auch die Finanzausstattung des Krisenfonds gemeint, der bislang über ein Volumen von 440 Milliarden Euro verfügt. "Wir müssen überlegen, wie wir die Effizienz des EFSF und des ESM weiter verbessern können", schrieb Barroso. Der dauerhaften Rettungsmechanismus ESM soll ab 2013 an die Stelle des EFSF treten.

Zugleich warnte Barroso vor zusätzlichen Forderungen nach zu strikten Vorbedingungen für die Hilfe des EFSF, ohne irgendeinen Mitgliedstaat namentlich zu nennen. Die Märkte verwiesen bei ihrer Skepsis vor allem auf "die undisziplinierte Kommunikation und die Komplexität und Unvollständigkeit der Beschlüsse vom 21. Juli", so Barroso.

EZB kauft wieder Staatsanleihen

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert auf die neuerlichen Krisenmeldungen: Sie wird voraussichtlich weitere Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten kaufen. Er schließe Anleihekäufe heute nicht aus, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt am Main. Das Programm sei nie unterbrochen worden. Details ließ Trichet offen. "Sie werden sehen, was wir tun werden." Händlern zufolge erwirbt die Zentralbank irische und portugiesische Anleihen.

Die EZB hatte in der Krise um ausufernde Staatsschulden massenhaft Staatspapiere gekauft: griechische, irische, portugiesische. Zwar ruht das Aufkaufprogramm seit Anfang Februar dieses Jahres, doch die Notenbank sitzt inzwischen auf Staatsanleihen im Gesamtwert von 74 Milliarden Euro.

Experten der Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Mitgliedsstaaten arbeiten nun unter Hochdruck daran, die Gipfel-Beschlüsse im Detail auszuformulieren. In einem nächsten Schritt müssen diese den nationalen Parlamenten zur Verabschiedung vorgelegt werden. Schon in den kommenden Wochen solle es soweit sein, verlautete aus Kreisen der EU-Kommission. "Wenn nötig, müssen die Parlamente aus ihrer Sommerpause zurückgerufen werden", hieß es.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1128065
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/dpa/woja/aum/luk
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.