WettbewerbEU-Kommission verhängt Hunderte Millionen Euro Strafe gegen Apple und Facebook

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Das Gesetz ist neu, deswegen fallen die Bußgelder gegen Apple und Meta laut einem EU-Beamten relativ niedrig aus.
Das Gesetz ist neu, deswegen fallen die Bußgelder gegen Apple und Meta laut einem EU-Beamten relativ niedrig aus. (Foto: PETER PARKS/AFP)

Wegen Verstößen gegen das Gesetz über Digitale Märkte soll Facebook 200 Millionen Euro Bußgeld zahlen, Apple 500 Millionen. Die Entscheidung ist politisch heikel.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Die Beamten waren weitgehend fertig, aber einige Ebenen höher überwog offenbar die Vorsicht. Mehrmals hatte die Europäische Kommission in diesem Jahr in Aussicht gestellt, ihre ersten Verfahren nach den neuen Wettbewerbsregeln für den digitalen Raum abzuschließen, mehrmals wurde die Entscheidung vertagt. Es schien klar, dass jede Maßnahme zulasten der US-Tech-Konzerne Apple und Meta wegen mutmaßlicher Gesetzesverstöße auf der anderen Seite des Atlantiks als Affront gelesen würde. Mit der Wahl Donald Trumps, seiner aggressiven Zollpolitik und seiner demonstrativen Nähe zu den Silicon-Valley-Größen waren die Verfahren hineingeraten in die geopolitische Auseinandersetzung zwischen der EU und den USA.

Am Mittwoch schließlich war die Kommission so weit. Zum ersten Mal verhängte sie Geldstrafen nach den neuen Wettbewerbsregeln für den digitalen Raum. Wegen Verstößen gegen das Gesetz für Digitale Märkte (Digital Markets Act, kurz DMA) soll der iPhone-Konzern Apple 500 Millionen Euro Bußgeld zahlen, die Facebook-Mutter Meta 200 Millionen Euro. Apple habe regelwidrig die Wahlfreiheit für Nutzer in seinen App-Stores eingeschränkt, teilte die Brüsseler Behörde mit. Facebook wiederum habe mit seinen Vorgaben für personalisierte Werbung gegen das Datenschutzwahlrecht verstoßen.

„Die heutigen Entscheidungen senden ein starkes und klares Signal“, ließ sich Teresa Ribera in einer Pressemitteilung zitieren, die für Wettbewerb zuständige Vizepräsidentin der Kommission. „Apple und Meta haben die Anforderungen des DMA nicht erfüllt, indem sie Maßnahmen ergriffen, die die Abhängigkeit von gewerblichen Nutzern und Verbrauchern von ihren Plattformen verstärken.“ Beide Konzerne müssten innerhalb von 60 Tagen vollständig den Anforderungen der Gesetze entsprechen, erklärte die Kommission, andernfalls drohten zusätzliche Zwangsgelder.

Die Verfahren haben auch geopolitische Bedeutung

Der DMA trat im März vor einem Jahr vollständig in Kraft. Die EU-Verordnung zielt darauf ab, den Wettbewerb im digitalen Raum sicherzustellen und die Marktmacht großer Online-Plattformen zu begrenzen. Sie soll zugleich die Wahlfreiheit für Nutzer garantieren und kleineren Unternehmen den Marktzugang erleichtern. Abhängig von der Nutzerzahl in der EU wurden dazu zunächst große Plattformdienste definiert, die dem Gesetz entsprechen müssen. Das gilt etwa für Apples Betriebssystem iOS, für die Meta-Plattformen Facebook, Instagram und Whatsapp oder Googles Betriebssystem Android. Ende März 2024 hatte die Kommission förmliche Verfahren gegen Apple und Meta wegen möglicher Verstöße eröffnet.

Im Fall von Apple ging es um die Vorgabe, dass die Konzerne App-Entwicklern erlauben müssen, ihre Nutzer auf alternative Angebote außerhalb der App-Stores hinzuweisen. Dazu gehört auch, dass Anbieter von Smartphone-Apps, etwa Zeitungsverlage, die Nutzerinnen zu solchen Angeboten hinlenken und den Kauf außerhalb der App-Stores ermöglichen dürfen. Dagegen habe Apple laut Kommission verstoßen: Nutzer hätten gerade nicht von günstigeren oder besseren Angeboten außerhalb des App-Stores profitieren können, weil Apple deren Sichtbarkeit behindert habe. Der Konzern habe nicht überzeugend dargelegt, dass die Einschränkungen objektiv notwendig seien. Apple kritisierte die Entscheidung und kündigte Einspruch an.

Meta wiederum hat der Kommission zufolge gegen Datenschutzvorgaben verstoßen. Die Plattformen müssen die Zustimmung der Nutzer einholen, bevor sie personenbezogene Daten verschiedener Dienste kombinieren. Willigt ein Kunde nicht ein, muss er eine gleichwertige Alternative erhalten, die weniger Daten verarbeitet – ohne zusätzliche Kosten. Meta hatte im November 2023 ein neues Werbemodell in der EU eingeführt, nach dem Nutzer personalisierten Anzeigen zustimmen mussten. Das konnten sie nur durch ein kostenpflichtiges Abo vermeiden. Im November änderte Meta dieses Werbemodell, was die Kommission derzeit noch prüft. „Es geht hier nicht nur um eine Geldstrafe“, kritisierte der Konzern in einer Stellungnahme. „Die Kommission zwingt uns, unser Geschäftsmodell zu ändern, indem sie Meta einen milliardenschweren Zoll auferlegt.“

Der Bezug zu Donald Trumps Zollpolitik scheint bewusst gesetzt.  Im politischen Kontext fallen zwei Dinge auf: Erstens schien die Kommission ihre Entscheidung aus politischen Erwägungen zu verzögern, was die Behörde am Mittwoch allerdings dementierte. Im Vergleich zu früheren Wettbewerbsverfahren der EU gegen US-Tech-Konzerne, in denen teils hohe Milliardenstrafen fällig wurden, fallen die Bußgelder zweitens niedrig aus. Ein hochrangiger Kommissionsbeamter begründete das einerseits mit der kurzen Dauer der Verstöße – die betrachteten Zeiträume seien eben kurz. „Der DMA ist neu, die Verstöße sind ernst, aber erstmalig. Das berücksichtigen wir“, sagte der Beamte.

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