EU-Kommission:Girokonto soll soziales Grundrecht werden

Bilanz-Pk der Sparkasse Köln-Bonn

Kein Konto, keine Bankkarte, kein Geld aus dem Automaten - das soll sich bald ändern: Die EU plant allen volljährigen Bürgern das Recht auf ein Girokonto zu geben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

30 Millionen volljährige EU-Bürger haben kein Konto. Häufig folgt daraus ein Teufelskreis, denn Wohnung oder Handyvertrag sind meist nur mit Bankverbindung zu haben. Brüssel plant deshalb EU-weit ein Recht aufs Bankkonto.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, und Simone Boehringer

Jeder EU-Bürger soll künftig ein Recht auf ein Bankkonto haben. Das sieht ein Gesetzespaket vor, das der für den europäischen Binnenmarkt zuständige Kommissar Michel Barnier bis Juni vorlegen will. Der Entwurf liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Zugleich will Barnier den Wechsel von einer Bank zur anderen erleichtern. Dazu sollen die Finanzinstitute verpflichtet werden, transparente und leicht vergleichbare Angaben zu Gebühren und Konditionen zu machen. Ziel des Gesetzespakets sei es, "ein soziales Grundrecht" durchzusetzen, hieß es in der EU-Kommission.

Derzeit haben 30 Millionen Bürger der Europäischen Union, die 18 Jahre und älter sind, kein Bankkonto. Viele von ihnen befinden sich damit in einer Art sozialem Teufelkreis, da ein Girokonto beispielsweise für Wohnungsvermieter oder Telekommunikationsanbieter eine Voraussetzung für den Abschluss eines Vertrages ist. Zudem ist es diesen Bürgern verwehrt, etwa im Internet günstig einzukaufen. Damit könnten sie nicht von den Vorteilen des europäischen Binnenmarktes profitieren, argumentiert Barnier in dem Gesetzentwurf.

Der europäische Binnenmarkt liefert damit auch die gesetzliche Basis, auf der Barnier den 27 Ländern vorschreiben will, ihren Bürgern das Grundrecht auf ein Bankkonto einzuräumen: Da sich die Europäische Union vorgenommen habe, den gemeinsamen Markt zu vollenden, müssten alle Bürger in den 27 Ländern davon profitieren können und damit das Recht auf ein Bankkonto haben. Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, begrüßte die Initiative als "einen Schritt, auf den Bürger seit drei Jahren warten".

In Deutschland gibt es bisher kein gesetzliches Recht auf ein Konto

Laut dem Gesetzentwurf soll das Konto für jedermann lediglich "grundsätzlich nötige Buchungen" ermöglichen, also Zahlungseingänge und Abbuchungen, solange das Konto im Plus bleibt. Kreditaufnahmen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Die Kontoführung soll möglichst gebührenfrei angeboten werden. Banken dürfen allerdings in Ausnahmefällen, "erschwingliche" Gebühren verlangen.

Die meisten Bürger ohne Bankkonto leben in den osteuropäischen Ländern. In Rumänien und Bulgarien hat jeder zweite Erwachsene kein Konto. In den mittel- und westeuropäischen Ländern lebt nur einer von zehn Bürgern ohne Girokonto. In elf EU-Ländern gibt es ein gesetzlich verbrieftes Recht darauf, in Deutschland nicht.

In der Bundesrepublik hat sich die Kreditwirtschaft selbst verpflichtet, für jedermann ein Konto anzubieten, auf Guthabenbasis. Darüber hinaus haben die Sparkassen 2012 sogenannte Bürgerkonten eingeführt, die Kunden auf Guthabenbasis dieselben Rechte gewähren wie herkömmliche Girokonten-Besitzern.

Ob die Regelungen ausreichen, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während Verbraucherschützer monieren, dass wenigstens 670.000 Menschen in Deutschland kein Girokonto hätten, melden Banken kaum Beschwerden. Ganze 230 Bürger hätten sich 2011 wegen dieses Themas bei Schlichtern gemeldet, heißt es beim Sparkassenverband DSGV in Berlin.

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