EU-Kommission:Gewinner der Google-Verfahren werden die Nutzer sein

Android-Smartphone

Etwa 80 Prozent aller verkauften Smartphones laufen mit Android - hat Google damit seine Marktmacht missbraucht?

(Foto: dpa)

Der Konzern stand mal für radikale Offenheit, aber die Zeiten sind vorbei. Schuld ist - wieder einmal - die Macht.

Kommentar von Alexander Mühlauer

Wenn es so etwas wie einen Traum gibt, den jedes Unternehmen hat, dann wäre es wohl dieser: unverzichtbar zu sein. Und zwar am liebsten so, dass der Kunde ohne das Produkt nicht mehr leben mag. Ganz einfach deshalb, weil es den Alltag um so vieles leichter macht. Das Smartphone wäre dafür ein Beispiel oder die Möglichkeit, einfach zu googeln, wenn man eine Frage hat.

Nun kann man sicher auch ganz gut leben, ohne die Suchmaschine jenes Konzerns zu benutzen, dessen Name zum Synonym für alle Fragen dieser Welt geworden ist. Doch Google ist viel mehr als nur eine Suchmaschine. Google ist ein Konzern, der Fragen monopolisiert hat. Die Antworten sind Google wiederum ziemlich egal. Der wahre Wert liegt in den Fragen, denn nichts verrät mehr über Menschen als ihre Fragen, Wünsche und Träume. Google sammelt sie alle.

Ein Gewinner steht schon jetzt fest: der Nutzer

An diesem Mittwoch hat die Europäische Kommission eine Frage gestellt: Missbraucht Google seine marktbeherrschende Stellung? Die Brüsseler Behörde hat darauf noch keine abschließende Antwort gefunden. Doch ihr Verdacht ist eindeutig: Google verstoße gegen europäisches Wettbewerbsrecht. In gleich zwei Verfahren versucht die EU-Kommission, das zu beweisen. Einfach wird das nicht, und doch ist es im Sinne eines fairen Wettbewerbs, diese Frage zu stellen und die Geschäftspraktiken Googles genau zu untersuchen.

Wie auch immer das Ergebnis sein wird, am Ende gibt es einen Gewinner, der schon jetzt feststeht: den Nutzer. Denn entweder hat die EU-Kommission recht mit ihrem Verdacht, dann müsste Google im Sinne der Verbraucher reagieren. Falls sich die Anklage aus Brüssel jedoch als falsch erweisen sollte, schadet das dem Kunden nicht. Denn dann bleibt es eben so, wie es ist.

Ökonomisch betrachtet gibt es jedenfalls einige Argumente, die dafür sprechen, dass Google seine Marktmacht missbraucht. Nun ist Marktmacht an sich nichts Schlechtes, zeigt sie doch, wie gefragt die Produkte eines Unternehmens sind. Das Betriebssystem für Smartphones, das Google herstellt, ist sehr beliebt: etwa 80 Prozent aller verkauften Smartphones laufen mit Android. Ein Erfolg, der im Jahr 2007 seinen Ausgangspunkt hatte. Damals beschloss Google, Android als sogenannte Open-Source-Software herauszugeben. Das bedeutet: Jeder kann sich das System herunterladen, es für seine eigenen Zwecke anpassen und Produkte damit ausstatten. Das ist allerdings nun fast zehn Jahre später allenfalls Theorie. Google übt massiven Druck aus, damit es keine neuen Abspaltungen von Android gibt, sogenannte Forks.

Die eigenen Apps sind Googles wertvollstes Druckmittel

Das beste Druckmittel hat Google selbst produziert: eigene Apps. Smartphones und andere mobile Geräte sind ja nichts ohne jene Programm-Applikationen, die zum Beispiel Google Maps heißen. Doch damit ein Smartphone-Hersteller überhaupt Google-Apps auf sein Gerät installieren darf, braucht er die Genehmigung des Konzerns. Denn anders als Android sind diese nicht Open Source, eben nicht frei zugänglich. Sogar ein mächtiger Hersteller wie Samsung musste bereits Pläne aufgeben, Android für eigene Zwecke zu verändern. Google gefiel das nicht. Und so verzichtete Samsung darauf, eigene Ideen umzusetzen.

Google verhindert somit, was die (digitale) Wirtschaft dringend braucht: Innovation und Wettbewerb. Mit der ursprünglichen Open-Source-Idee setzte sich Google einst vom Konkurrenten Apple ab, der auf ein in sich geschlossenes System setzt, das Apple als Einziger kontrolliert. Google wiederum steht in der Tradition von Microsoft und seit jeher für radikale Offenheit. Doch diesem freiheitlichen Ansatz ist etwas dazwischengekommen: die eigene Macht, das digitale Chaos kontrollieren zu können. Google hat dazu viele Mittel: den Browser Chrome, den Google Playstore, all die bekannten Google Apps und natürlich die Suchmaschine.

Google droht ein ähnliches Schicksal wie einst Microsoft

In Brüssel erinnert der Fall Google so manche an den Fall Microsoft. Fast neun Jahre ist nun her, als der Europäische Gerichtshof der EU-Kommission recht gab: Microsoft musste Computerherstellern die Möglichkeit geben, das Betriebssystem Windows auch ohne die Musik- und Video-Abspielsoftware Media Player zu erwerben. Ein ähnliches Schicksal droht nun Google, Milliardenstrafe inklusive.

Schon damals hatte die Europäische Union allerdings das gleiche Problem wie heute: Es sind Unternehmen aus den USA, die den digitalen Standard setzen und die Welt verändern. Das Urteil gegen Microsoft schuf zwar faireren Wettbewerb. Viele wichtige Innovation kommen trotzdem nicht aus Europa, sondern aus den USA. Ein europäisches Google ist noch immer nicht mehr als ein Traum.

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