Süddeutsche Zeitung

Corona-Hilfstopf:Hübsch grün und digital bitte

Die EU-Kommission stellt klar, wofür Staaten die Milliarden aus dem Corona-Hilfstopf nutzen dürfen. Manche Italiener werden enttäuscht sein

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um sehr viel Geld, und die EU-Kommission hat nun klargemacht, was sie von den Empfängern erwartet: Die Brüsseler Behörde veröffentlichte am Donnerstag Vorgaben, wofür Mitgliedstaaten die Milliarden aus dem wichtigsten Programm des Corona-Hilfstopfes verwenden dürfen. Die Regierungen sollen etwa in erneuerbare Energien investieren - Steuersenkungen dagegen soll der Geldsegen nicht finanzieren.

Im Juli einigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs auf einen 750 Milliarden Euro umfassenden Hilfsfonds. 360 Milliarden Euro sollen als Darlehen fließen, 390 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuschüsse. Die Beträge sind in Preisen von 2018 ausgedrückt, berücksichtigen also nicht die Inflation. In heutigen Preisen ist der Topf sogar 807 Milliarden Euro wert. Knapp 313 der 390 Milliarden Euro an Zuschüssen wird die Kommission über ein neues EU-Programm verteilen, das staatliche Investitionen und Reformen unterstützen soll. Dafür müssen die Regierungen Reformpläne mit förderwürdigen Projekten einreichen - und die Kommission hat jetzt dargelegt, welche Kriterien sie für eine Bewilligung anlegen wird.

Demnach sollen die Vorhaben Wachstum und Jobs schaffen und die Krisenanfälligkeit der Länder verringern. Wichtig ist auch, dass die Reformpläne den ehrgeizigen Klimaschutzzielen der EU dienen. Mindestens 37 Prozent der vorgeschlagenen Ausgaben müssen dafür verwendet werden; außerdem dürfen zu den Reform- und Investitionspaketen keine Projekte gehören, die Klima und Umwelt schaden - wie der Bau von Kohlekraftwerken. Weitere 20 Prozent der Ausgaben sollen für Digitales reserviert sein, etwa den Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes. Die Reformen sollen zudem die wirtschafts- und sozialpolitischen Empfehlungen widerspiegeln, welche die Kommission jährlich für jeden Mitgliedstaat abgibt.

Die jüngsten Empfehlungen stammen vom Mai. Damals riet die Behörde der Bundesregierung unter anderem, die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben und mehr in Forschung, Bildung und Wohnungsbau zu investieren. Auf Deutschland entfallen schätzungsweise 23 der insgesamt 313 Milliarden Euro an Zuschüssen. Am stärksten soll Italien mit 65 Milliarden Euro profitieren, gefolgt von Spanien mit 59 Milliarden Euro.

Die Kommission führt sieben Bereiche auf, die sie besonders gerne in den Reformplänen lesen will. Dazu zählen etwa der Ausbau erneuerbarer Energien, die Förderung von Gebäudesanierung und öffentlichem Nahverkehr oder die Entwicklung bahnbrechender Computerchips. In Italien fordert die Opposition dagegen, mit Hilfe des Geldsegens aus Brüssel schlicht die Steuern zu senken. Ein hoher Kommissionsbeamter sagte aber am Donnerstag, seine Behörde werde die Finanzierung von Steuersenkungen im Allgemeinen nicht als förderwürdig ansehen. Die Regierungen können die Reformpläne von Mitte Oktober bis Ende April einreichen. Die ersten Auszahlungen sollen im ersten Halbjahr 2021 erfolgen. Für einen pünktlichen Start müssen allerdings EU-Parlament und Ministerrat bis Jahresende den nötigen Rechtsakt verabschieden. Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis mahnt zur Eile: "In einer Krise ist die Zeit der entscheidende Faktor."

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