EU-Hilfen wegen Corona:Es geht um die Lasten für die nächsten Generationen

Hilfspaket Griechenland

Ein starkes Hilfspaket muss auch an ernstzunehmende Konditionen geknüpft sein. Auf dem Foto: eine Euro-Skulptur vor der früheren EZB-Zentrale in 2016.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Die EU-Regierungschefs streiten über das Corona-Hilfspaket. Es werden massiv Schulden gemacht, es wird massiv umverteilt: Deshalb muss es harte Bedingungen und strikte Kontrollen geben. Das gebietet die Fairness.

Kommentar von Björn Finke, Brüssel

Das wird ein heißer Sommer: Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen sich jetzt im Juli zu einem oder mehreren Gipfeln treffen, um sich auf einen neuen Brüsseler Haushalt und den Corona-Hilfstopf zu einigen. Eine Videokonferenz am Freitag brachte keine Annäherung. Zu den Punkten, über die am heftigsten gerungen wird, gehören die Bedingungen der Hilfsgelder - also die Frage, wofür Regierungen die Milliarden ausgeben dürfen und welche Auflagen und Kontrollen existieren. Die niederländische Regierung führt hier das Lager derer an, die strikte Regeln fordern; auf der anderen Seite steht die italienische Regierung, die möglichst freie Hand haben will. Es ist sehr zu hoffen, dass der Kompromiss am Ende näher bei der niederländischen Position liegt.

Schließlich geht es um extrem viel Geld - und um Lasten für die nächsten Generationen. Denn für das Hilfsprogramm möchte die Kommission erstmals in ihrer Geschichte im großen Stil Schulden aufnehmen und das meiste als nichtrückzahlbaren Zuschuss an Mitgliedstaaten überweisen. Die Schulden sollen erst zwischen 2028 und 2058 beglichen werden. Das ist politisch sehr bequem: Die Behörde will Wohltaten verteilen, ohne an anderer Stelle sparen oder die Länder um höhere Beiträge bitten zu müssen. Stattdessen wird die Bürde auf die Schultern jener gelegt, die nicht am Verhandlungstisch sitzen - künftige Regierungen und Steuerzahler.

Ein Paket mit Schulden ist immer noch besser als gar kein Paket

Solche Wechsel auf die Zukunft sind im nationalen Politikbetrieb gang und gäbe. Jetzt soll es sie auch auf europäischer Ebene geben. Und die Gefahr ist groß, dass es nicht bei einer einmaligen Aktion bleibt, selbst wenn die Kommission oder die Bundesregierung das immer betonen. Schließlich schafft der Corona-Hilfstopf einen Präzedenzfall, und es wird immer wieder zu Krisen kommen, in denen hohe Investitionen von der EU gefordert werden, aber niemand woanders sparen möchte. Da wird es sehr verlockend sein, sich an das Corona-Programm zu erinnern und anzuregen, die Rechnung einfach von künftigen Regierungen zahlen zu lassen.

Doch hat die Kommission keine Wahl, als das Paket mit Schulden zu finanzieren, weil höhere Beiträge oder radikales Umschichten des Etats in der Krise nicht durchsetzbar sind. Ein Paket mit Schulden ist immer noch besser als gar kein Paket, denn Nichtstun ist keine Option. Aber die Fairness gegenüber den nächsten Generationen gebietet es, Überweisungen an harte Auflagen zu knüpfen, damit das Geld nicht verschwendet wird.

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Tatsächlich schlägt die Kommission ja vor, den Großteil der Zuschüsse aus dem Hilfstopf - 310 Milliarden Euro - über ein neues EU-Programm auszuzahlen, das staatliche Investitionen und Reformen unterstützen soll. Die Regierungen sollen hierfür Reformpläne mit förderwürdigen Projekten einreichen und dabei die Empfehlungen berücksichtigen, welche die Kommission regelmäßig zur Wirtschafts- und Sozialpolitik jedes Mitgliedstaats veröffentlicht.

Es ist zu befürchten, dass manche Staaten es mit den Reformen nicht so genau nehmen

Allerdings besteht die Gefahr, dass sich Regierungen, etwa die italienische, einfach nur jene Empfehlungen heraussuchen, die ihnen passen, und andere - wichtigere, aber unbequemere - Reformen links liegen lassen. Der Kommissionsentwurf muss daher verschärft werden: Nötig sind klare, relevante Reformvorgaben, nötig sind Kontrollen, nötig sind Strafen, wenn Versprechen gebrochen werden.

Der Zeitplan und der Verteilungsschlüssel sprechen ebenfalls für solch ein striktes Regime. Anders als man meinen könnte, ist der Corona-Topf kein Rettungs- oder Konjunkturprogramm, um von der Pandemie besonders betroffenen Staaten schnell zu helfen. Bei so einem Programm wäre Nachsicht angesagt: Wenn es brennt, muss gelöscht werden; zeitraubende Debatten, ob das Opfer das Wasser der Feuerwehr verdient hat und wie es sich in Zukunft verhalten soll, wären absurd. Doch den Großteil des Geldes will die Kommission erst nach 2022 auszahlen - da sollte die Wirtschaft hoffentlich keine Konjunkturspritze mehr benötigen.

Die höchsten Milliardensummen erhalten Italien und Spanien, zwei Länder, die stark unter Corona leiden. Werden die Hilfen aber als Anteil an der Wirtschaftsleistung ausgedrückt, liegen Bulgarien, Griechenland und Kroatien ganz vorne. Das Paket dient also nicht nur der Unterstützung von Corona-Opfern, sondern verteilt auch massiv Geld von reicheren zu ärmeren Staaten um, vom Westen in den Osten und Süden.

Die Kommission begründet dies damit, dass sie schwächere Volkswirtschaften widerstandsfähiger für die nächste Krise machen wolle. Ein nobles Ansinnen - dessen Erfolgschancen harte Auflagen für die Regierungen nur erhöhen würden.

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