EU-Haushaltsplan:85 Milliarden Euro mehr oder weniger

Die Mitgliedstaaten können sich nicht auf einen mehrjährigen Haushaltsplan einigen. Ein Kompromiss würde teuer für Deutschland.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht um sehr viel Geld, und die Positionen liegen sehr weit auseinander: Die Mitgliedstaaten müssen sich auf einen neuen Haushaltsrahmen der EU für die sieben Jahre 2021 bis 2027 einigen. Dies wird auch Thema beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel sein. Die Diskussionen sind diesmal besonders schwierig, weil mit Großbritannien ein wichtiger Beitragszahler vermutlich wegfällt. Zugleich verkündet die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ehrgeizige - und damit kostspielige - Vorhaben. Die finnische Regierung, die gerade die Ratspräsidentschaft innehat, unterbreitete nun einen Kompromissvorschlag. Ihm zufolge müsste Deutschland mehr zahlen, als die Bundesregierung bislang will.

Das dreiseitige Papier der Finnen, das der SZ vorliegt, dient zur Vorbereitung des Gipfels; es ist Ergebnis langer Diskussionen. Vorige Woche etwa gab es beim Treffen der EU-Botschafter eine hitzige Debatte übers liebe Geld. Die Finnen schlagen vor, dass die EU in den sieben Jahren zwischen 1,03 und 1,08 Prozent der Wirtschaftsleistung Europas ausgeben darf. Im aktuellen Haushaltsrahmen, der 2020 ausläuft, ist es ein Prozent, und wohlhabende Staaten wie Deutschland, die Niederlande oder Schweden fordern bisher, dass sich die EU auch von 2021 an mit höchstens einem Prozent bescheidet.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger schlägt dagegen eine Steigerung auf gut 1,1 Prozent vor, allein schon deshalb, weil die Briten wohl nicht mehr dabei sind, dieser Prozentsatz sich also auf eine geschrumpfte Wirtschaftsleistung des Blocks bezieht. Hinter diesen Mini-Prozentzahlen verbergen sich gewaltige Summen: 1,1 Prozent stehen für Ausgaben von 1,279 Billionen Euro - oder 1,135 Billionen Euro, wenn die Inflation über die kommenden Jahre nicht berücksichtigt wird. Die von den Finnen genannte Untergrenze ihres Kompromisses von 1,03 Prozent würde im Vergleich zu Oettingers Rechnung satte 85 Milliarden Euro einsparen.

Das würde der Kommission nicht gefallen - und nicht den ärmeren Staaten, die um die Höhe ihrer Fördergelder fürchten müssten. Der Zorn des Europäischen Parlaments wäre den Staatschefs ebenfalls gewiss. Die Abgeordneten verabschiedeten erst vergangene Woche mit großer Mehrheit eine Entschließung, in der sie sich dafür aussprechen, das Sieben-Jahres-Budget kräftig auf 1,3 Prozent aufzustocken. Dies wäre 189 Milliarden Euro teurer als Oettingers Vorlage. Zudem verlangen sie mehr Mittel für den Klimaschutz. Das wird die künftige Kommissionschefin von der Leyen sicher gern hören; die ehemalige Bundesverteidigungsministerin will in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft investieren.

Der grüne Europa-Abgeordnete Rasmus Andresen kritisiert die Kompromisslinie der Finnen scharf: "Der aktuelle Vorschlag ist beschämend", sagt der Politiker, der als einziger Deutscher im Verhandlungsteam des Parlaments für den Sieben-Jahres-Haushaltsrahmen sitzt. Die EU würde bei Zukunftsthemen wie Klimaschutz "weit zurückfallen". Außerdem bemängelte das Parlament in seinem Beschluss vorige Woche, dass es viel zu langsam vorangehe. Oettinger unterbreitete seinen Vorschlag bereits vor fast anderthalb Jahren, doch die Mitgliedstaaten können sich nicht einigen - und daher können keine Diskussionen zwischen dem Rat, der Vertretung der Mitgliedsländer, mit dem Parlament beginnen. Dieses muss dem Finanzrahmen zustimmen. Andresen befürchtet, die Streitereien gefährdeten "ein pünktliches Umsetzen der Förderprogramme ab Januar 2021".

Konsens zwischen den Regierungen wird auch durch eine Neuerung erschwert. Oettinger schlug vor, dass die EU bei rechtsstaatlichen Bedenken Auszahlungen an Länder einfrieren könne. Dahinter steht die Sorge, dass die polnische und ungarische Regierung rechtsstaatliche Prinzipien aushöhlen, etwa die Unabhängigkeit der Justiz. Der deutsche Kommissar begründet die Idee ganz unverfänglich damit, Geld der Steuerzahler schützen zu wollen. Aber solch eine Klausel könnte natürlich als Druckmittel eingesetzt werden, um Reformen in Polen und Ungarn zu erzwingen. Daher wollen die dortigen Regierungen den Vorschlag verwässern.

Beim Gipfel am Donnerstag und Freitag kommen die Staats- und Regierungschefs einer Einigung auf den Haushaltsrahmen wohl nicht viel näher. In einem Entwurf für die Schlussfolgerungen des Treffens heißt es lapidar, die Teilnehmer hätten ihre Ansichten ausgetauscht, und die Finnen mögen bitte bis zum nächsten Gipfel im Dezember genaue Zahlen vorlegen. Der Streit geht weiter.

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