Süddeutsche Zeitung

EU-Haushalt:Zähes Ringen

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Das EU-Parlament und die Staaten streiten über den Etat und den Corona-Topf. Zunächst waren vier Gesprächsrunden angesetzt. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, das wird nicht reichen. Das Ringen um die Milliarden wird sich mindestens bis Oktober hinziehen.

Von Björn Finke, Brüssel

Es geht voran - aber langsamer, als von manchen erhofft: Das Europaparlament und der Ministerrat, das Gremium der EU-Staaten, verhandeln über den Sieben-Jahres-Etat und den Corona-Hilfstopf, auf den sich die 27 Staats- und Regierungschefs im Juli geeinigt haben. Die Abgeordneten sind unzufrieden, fordern etwa mehr Geld für zukunftsträchtige Programme und strenge Regeln zum Schutz des Rechtsstaats. Zunächst waren vier Gesprächsrunden angesetzt, die letzte an diesem Freitag. Doch inzwischen ist klar, dass sich das Ringen um die Milliarden mindestens bis in den Oktober hinziehen wird.

"Langsam kommt Bewegung in die Verhandlungen", sagt der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen, der einzige Deutsche in der sechsköpfigen Verhandlungsdelegation des Parlaments. Doch einen schnellen Abschluss sieht er nicht: "Die nächsten Wochen werden arbeitsintensiv." Ohne Placet der Abgeordneten kann der Mehrjährige Finanzrahmen, der grobe EU-Etatplan für die sieben Jahre von 2021 bis 2027, nicht pünktlich im Januar in Kraft treten - und damit auch kein Geld aus dem Corona-Hilfstopf fließen.

Zudem müssen noch die nationalen Parlamente der meisten Staaten dem Novum zustimmen, dass die EU-Kommission für den Corona-Fonds im großen Stil Schulden aufnimmt. Deswegen hoffte die Bundesregierung, die Gespräche mit dem EU-Parlament im September abzuschließen. Da Deutschland im Juli die Ratspräsidentschaft übernommen hat, führt der deutsche EU-Botschafter die Verhandlungen. Jetzt gehen Beobachter in Brüssel davon aus, dass es Ende Oktober wird - frühestens. Die Abgeordneten verlangen unter anderem, 15 Programme aufzustocken, zum Beispiel Erasmus zum Studentenaustausch. Insgesamt summieren sich die Wünsche auf mehr als 100 Milliarden Euro. Die Mitgliedstaaten sind offenbar bereit, umzuschichten und bei einzelnen Programmen Geld draufzulegen, ohne das beim Juli-Gipfel beschlossene Gesamtvolumen zu erhöhen: allerdings nicht bei 15 Programmen. Daher sollen sich die Abgeordneten einigen, welche der 15 Initiativen ihnen am wichtigsten sind. Und das könnte dauern.

Heikelster Streitpunkt ist aber die Forderung des Parlaments nach einem harten Mechanismus, der Geldtransfers daran knüpft, dass im Empfängerland der Rechtsstaat funktioniert. Der Gipfel einigte sich hier nur auf einen wolkigen Kompromiss, so dass die Staaten selbst noch keine Verhandlungsposition haben. Die Gespräche liefen, heißt es, doch sei es ungewiss, wie viel Zeit gebraucht werde.

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SZ vom 15.09.2020
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