Günther Oettinger hat an diesem Montag einen Termin bei Angela Merkel. Der EU-Haushaltskommissar will mit der Kanzlerin über Geld reden. Er möchte, dass Deutschland künftig mehr in den EU-Haushalt einzahlt als bisher. In Berlin rennt er damit offene Türen ein, denn im Koalitionsvertrag einer möglichen neuen großen Koalition findet sich die klare Bereitschaft zu höheren Beiträgen - auch wenn die Summe bewusst offengelassen wurde. So einfach wie in Berlin hat es Oettinger nicht überall; schon gar nicht in Holland. Die Botschaft aus Den Haag ist unmissverständlich: "Die Niederlande können eine Erhöhung ihres Bruttobeitrags zum EU-Haushalt nicht akzeptieren." So steht es in einem Positionspapier der Regierung, das der SZ vorliegt.
Dass die Niederländer mit ihrer Haltung nicht allein sind, wird sich diese Woche beim informellen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zeigen. Am Freitag wollen die Heads, wie man sie in Brüssel nennt, erstmals über den nächsten siebenjährigen Finanzrahmen ab 2021 sprechen. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat im Entwurf seines Einladungsschreibens schon drei Fragen formuliert, die es zu beantworten gilt. Erstens: Was sind die politischen Prioritäten? Zweitens: Wie hoch sollten die Ausgaben sein? Und drittens: Wie soll der Zeitplan aussehen?
Klar ist: Mit dem Brexit verliert die EU einen ihrer größten Nettozahler. Bis Ende 2020 wollen die Briten zwar weiter in den Haushalt einzahlen, doch danach klafft ein großes Loch. Etwa zehn Milliarden Euro fehlen dann pro Jahr, schreibt Tusk. Nichtsdestotrotz sind die Staats- und Regierungschefs entschlossen, deutlich mehr in den Schutz der EU-Außengrenzen, zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und in die Verteidigung zu investieren. Doch woher soll das Geld kommen, wenn es nach dem Brexit ohnehin weniger zu verteilen gibt?
In vielen Nettozahler-Ländern herrscht jedenfalls die Meinung, dass die EU besser unnötige Ausgaben kürzen sollte, anstatt das Budget weiter zu aufzublähen. In Österreich, Schweden, Dänemark und den Niederlanden bekam Oettinger mit seiner Forderung nach höheren Beiträgen deshalb eine Absage. Die Argumentation der dortigen Regierungen ist durchaus logisch, schließlich nimmt die Zahl der EU-Staaten mit dem Austritt Großbritanniens ab. "Eine kleinere EU bedeutet einen kleineren EU-Haushalt", heißt es im Papier aus Den Haag. Folglich müsse der mehrjährige Finanzrahmen entsprechend angepasst werden. Und: "Darüber hinaus müssen neue Prioritäten aus den Einsparungen bestehender Programme finanziert werden."
Weniger Geld für Landwirtschaft und Strukturförderung
Dass bei Agrar- und Strukturförderung gekürzt werden muss, sieht auch Oettinger so. Geht es nach ihm, soll die Brexit-Lücke zur Hälfte durch Einsparungen, zur anderen Hälfte durch frisches Geld der EU-Staaten geschlossen werden. Die neuen Ausgaben beziffert Oettinger auf etwa zehn Milliarden Euro. 20 Prozent davon sollen durch Kürzungen im Haushalt kommen; der Rest wiederum von den Mitgliedstaaten. Für die Nettozahler würde es damit deutlich teurer. Oettinger will den Haushaltsbeitrag von derzeit einem Prozent des Bruttonationaleinkommens auf "1,1x" Prozent erhöhen. Von Deutschland fordert der EU-Haushaltskommissar einen zusätzlichen Beitrag von mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr.
Oettinger will die Beratungen noch vor den Europawahlen 2019 abschließen. Doch daran gibt es Zweifel. Laut Tusks Brief halten "viele" Heads dieses Ziel für "unrealistisch". Und auch sonst gibt es Konfliktstoff. So will Deutschland die Vergabe von Geld an die Frage der Rechtsstaatlichkeit knüpfen. Eine klare Drohung in Richtung Polen, den bislang größten Profiteur des Haushalts.