Süddeutsche Zeitung

Zölle:So will die EU den Handel fairer und grüner machen

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Selbst harte Sanktionen wie die Wiedereinführung von Zöllen sollen künftig möglich sein, wenn sich ein Partnerland nicht an Umwelt- und Sozialstandards hält.

Von Björn Finke, Brüssel

Es ist eine Hängepartie, und die EU-Kommission will mit ihren Vorschlägen von Mittwoch verhindern, dass sich so etwas wiederholt: Die Brüsseler Behörde einigte sich schon 2019 mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur auf einen Handelsvertrag, 19 Jahre nach dem Start der Gespräche. Doch das EU-Parlament und einige Mitgliedstaaten wollen das Handelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay - das umfangreichste in der Geschichte der Union - bislang nicht annehmen.

Als Begründung heißt es etwa, dass Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro nicht hart genug gegen die Brandrodungen am Amazonas vorgehe. Kritiker befürchten, der Vertrag, der Zölle streicht und Exporte vereinfacht, werde dieses Problem verschärfen. Zugleich monieren die Gegner des Abkommens, dass dessen Kapitel zu Umwelt- und Sozialstandards viel zu lax sei und bei Verstößen keine Sanktionen wie die Wiedereinführung von Zöllen drohten. Solcher Kritik will die Kommission jetzt den Wind aus den Segeln nehmen: Der zuständige Kommissions-Vizepräsident Valdis Dombrovskis erläuterte am Mittwoch, wie seine Behörde diese Kapitel besser durchsetzbar machen will.

Demnach wird die Kommission bei laufenden und künftigen Verhandlungen darauf dringen, dass die Verträge bei gravierenden Verstößen gegen Klimaschutz- und Sozialvorgaben als letzten Schritt die Wiedereinführung von Zöllen vorsehen. Dies soll ein Einlenken erzwingen.

Es wird weiterhin so sein, dass bei Streit zunächst ein Schlichtungsverfahren beginnt, bei dem ein Expertenpanel am Ende entscheidet, ob und wie Regierungen ihr Verhalten ändern müssen. Die Verschärfung besteht darin, dass die EU in Zukunft Zollvorteile rückgängig machen kann, wenn ein Partnerland dieses Urteil ignoriert und damit Vorgaben des Pariser Klimaschutzabkommens oder Prinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gebrochen werden. Da geht es etwa um das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit und Gewerkschaftsrechte.

"Eine Revolution im System"

Ministerrat und EU-Parlament müssen der geplanten Änderung beim Design von Handelsverträgen erst noch zustimmen, allerdings sollte das keine Hürde sein. Dombrovskis sagte, die Abkommen der EU unterstützten bereits nachhaltige Entwicklung, aber "wir möchten sie zu einem noch größeren Treiber positiven Wandels machen". Ein Kommissionsbeamter betonte, das bisherige System ohne die Möglichkeit von Strafzöllen funktioniere nach Ansicht der Behörde gut, doch die Kommission habe auf die Bedenken von Politik und Zivilgesellschaft gegen Handelsverträge eingehen wollen. Dies werde hoffentlich zu neuem Schwung bei den Abkommen führen.

Anna Cavazzini, die handelspolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, begrüßt den Vorstoß: "Nach jahrelangem Druck von uns Grünen und der Zivilgesellschaft liefert die Kommission endlich." Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses, nennt die Initiative "eine Revolution im System".

Sollten die schärferen Regeln wirklich die Widerstände in manchen EU-Mitgliedstaaten gegen bestimmte Handelsverträge mindern, käme das 15 Regierungen in der Europäischen Union sehr gelegen. Diese Gruppe schickte nun einen Brief an Dombrovskis, in dem sie mahnen, schneller und mehr Abkommen abzuschließen, um nicht im globalen Wettstreit mit Ländern wie Japan abgehängt zu werden. Ein Unterzeichner ist Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen.

Das Schreiben fordert, neben dem Mercosur-Vertrag auch fertig verhandelte Abkommen mit Mexiko und Chile anzunehmen und umzusetzen, natürlich unter der Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards. Zudem solle Dombrovskis bitte die Verhandlungen "mit Partnern wie Neuseeland, Australien, Indien und Indonesien beschleunigen". Indien und die EU vereinbarten erst Ende der vorigen Woche, eingeschlafene Gespräche wieder zu beginnen. Hier würden dann schon die neuen, härteren Klauseln zu Klima und Sozialem greifen.

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