EU-Gipfel und der Kampf um den Euro:Starker Mann, was nun?

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Die Unterscheide zwischen den Wirtschaftsmodellen in Europa sind groß - und mit ihnen die Ungleichgewichte. Die Gemeinschaftswährung wird gesprengt, wenn dieser fundamentale Unterschied zwischen Deutschland und den Südeuropäern bestehen bleibt. Selbst wenn die Notmaßnahmen wirken, die Europas Regierungschefs zur Lösung der Schuldenkrise beschließen wollen. Doch es gibt eine Lösung, die überraschen mag.

Alexander Hagelüken

Es ist ein großes Manko der Währungsunion, dass sie ohne eine Art politische Union schlecht funktioniert. Wenn jedes Land seine eigene Politik betreibt, driften die Staaten auseinander.

Die Deutschen sollten ihre Löhne maßvoll erhöhen, aber stärker als in den vergangenen Jahren - das hilft dem Rest der Euro-Zone. (Foto: dpa)

Eine gemeinsame Währung überlebt nur, wenn die Regierungen Wichtiges gemeinsam entscheiden. Das heißt vor allem: Die Währungsunion muss auch eine Art ökonomische Union sein.

Das aber haben die Regierungen in der ersten Euro-Dekade völlig ignoriert. Während die Deutschen auf niedrige Löhne für einen starken Export setzten, genehmigten sich die Südeuropäer zu hohe Löhne und verabschiedeten sich so vom internationalen Wettbewerb.

Die Wirtschaftsmodelle unterscheiden sich so stark, dass es jetzt den Euro auseinanderreißen könnte - es sei denn, beide Seiten denken um. Wenn sich Europas Regierungschefs an diesem Donnerstag zum nächsten Gipfel versammeln, geht es wieder um die Notrettung des Euro.

Sparen ist notwendig, reicht aber nicht

Zu Recht setzt die Bundeskanzlerin automatische Sanktionen gegen Schuldensünder durch. Gleichzeitig ringen die Regierungen, wie sie mit neuem Rettungsschirm und einem Einsatz der Zentralbank mehr Geld für die angeschlagenen Staaten mobilisieren können. Das alles ist für die Stabilisierung des Euro notwendig.

Aber es reicht nicht aus. Wenn die Notmaßnahmen (hoffentlich) wirken, bleiben immer noch die unterschiedlichen Wirtschaftsmodelle. Der Euro überdauert nicht, wenn Deutschland weiter hohe Exportüberschüsse erzielt und die Südeuropäer gigantische Handelsdefizite anhäufen, weil sie mehr im Ausland kaufen, als sie sich leisten können.

Nur ein Beispiel: Handelsdefizite führen automatisch zu neuen Schulden, die finanziert werden müssen - und vergrößern damit die Probleme der überschuldeten Staaten. Altkanzler Helmut Schmidt wies auf dem SPD-Parteitag ebenso darauf hin wie US-Ökonomen vor ihm: Europa muss die Ungleichgewichte reduzieren, oder sie sprengen den Euro.

Das heißt: Sparen ist notwendig, reicht alleine aber nicht aus. Denn Sparen führt dazu, dass Griechen und Italiener weniger deutsche Produkte kaufen. Bleibt man in der Logik der bisherigen Wirtschaftsmodelle, müssten die Deutschen mit einer Senkung der Löhne reagieren.

Das Ergebnis wäre im Extremfall eine Rezessionsspirale mit Millionen Arbeitslosen, wie sie Deutschland unter dem Sparkanzler Heinrich Brüning erlebte - Hitlers Aufstieg wurde auch so befördert. Vor dem Euro konnten die schwächeren Staaten ihre Währung abwerten, um die Ungleichgewichte mit Deutschland abzubauen. Dieser Weg ist versperrt.

Die Lösung kann daher nur sein, dass beide Lager ihre Politik ändern, auch Deutschland. Natürlich müssen die Südeuropäer ihr Wirtschaftsmodell modernisieren, Monopole schleifen, auf Löhne achten und in Exportfirmen investieren. Deutschlands Stärke darf keine Entschuldigung sein, an Misswirtschaft festzuhalten. Aber gleichzeitig müssen die Deutschen darüber nachdenken, wie ihr Wirtschaftsmodell für eine funktionierende Währungsunion aussieht. Die Antwort ist nicht einfach, weil Deutschland ja nicht nur mit den Euro-Partnern konkurriert, sondern auch mit asiatischen Boomstaaten.

Deshalb gilt: Die Deutschen sollten ihre Löhne maßvoll erhöhen, aber stärker als in den vergangenen Jahren - das hilft dem Rest der Euro-Zone. Millionen Bundesbürger, deren Einkommen seit langem stagniert, werden es mit mehr Konsum danken.

Wenn Deutsche mutiger und von weniger Bürokratie behindert Dienstleistungsfirmen gründen, verringert sich die Fixierung auf den Export zusätzlich. Solche Ideen wirken momentan noch ungewohnt und provokant. Doch es ist wichtig, dass in Deutschland ein Umdenken einsetzt und Vorschläge entwickelt werden. Wenn sich die Bundesrepublik einfach weiter als Exportweltmeister feiert, wird sie die Währungsunion unter ihrem Gewicht begraben.

© SZ vom 08.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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