EU-Gipfel beschließt Fiskalpakt:Merkel verspricht Pause im Sturm

Entspannung, das schon. Aber Entwarnung? Die Schuldenkrise in Europa sei mit der Unterzeichnung des Fiskalpakts "mitnichten überwunden", mahnt Kanzlerin Merkel auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Zwar mussten diesmal keine "aktuen Symptome" bekämpft werden. Aber weitere Risiken lauern schon - im mangelnden Wachstum und der Arbeitslosigkeit in Europa.

Cerstin Gammelin und Martin Winter

Dass das Frühjahrstreffen der Staats- und Regierungschefs der EU nach den ewigen Krisensitzungen der vergangenen zwei Jahre wieder ein "ganz normaler Gipfel" gewesen sei, davon wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in Brüssel nichts wissen. "Die Krise ist mitnichten überwunden." Man habe zwar endlich mal "keine akuten Symptome" zu bekämpfen gehabt, aber für eine Entwarnung sei es noch viel zu früh.

EU-Gipfel beschließt Fiskalpakt: Zwei, drei Jahre, um Vertrauen zurückzugewinnen: Kanzlerin Merkel beim Gipfel in Brüssel.

Zwei, drei Jahre, um Vertrauen zurückzugewinnen: Kanzlerin Merkel beim Gipfel in Brüssel.

(Foto: AFP)

Auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy warnte davor, sich jetzt beruhigt zurückzulehnen. Es gebe zwar Anzeichen dafür, dass sich die Lage stabilisiert. Aber sowohl im mangelnden Wachstum als auch in der Arbeitslosigkeit steckten Risiken.

Dennoch geht es auf den Finanzmärkten etwas ruhiger zu, was laut Merkel vor allem der Europäischen Zentralbank zu verdanken ist, die mehr als 1000 Milliarden Euro in den Finanzmarkt gepumpt habe. "Das verschafft uns jetzt Zeit und mahnt zugleich, in kurzer Zeit gravierende Mängel abzustellen." In kurzer Zeit, das sind nach Merkels Verständnis "zwei bis drei Jahre, in denen wir gemeinsam wettbewerbsfähig werden müssen und das Vertrauen der Welt zurückgewinnen müssen". Sie versprach, Europa werde künftig sehr viel verbindlicher zusammenarbeiten.

Verpflichtet, aus der Krise zu lernen

Der am Freitag von 25 der 27 europäischen Staaten unterzeichnete Fiskalpakt sei ein wesentlicher Schritt dazu. Mit ihm hätten sich nun "alle verpflichtet, aus der Krise zu lernen", lobte sie den Vertrag, der in nur wenigen Wochen ausgehandelt worden war. Die Vertragsparteien verpflichten sich auf eine Schuldenbremse, auf verschärfte Regeln gegen Defizitsünder und auf eine engere wirtschaftspolitische Zusammenarbeit.

Merkel betonte, dass nur die Länder, die den Fiskalpakt ratifizieren, einen Anspruch auf Hilfe aus dem permanenten Euro-Rettungsfonds ESM erwerben. Der ESM soll von Sommer 2012 an einsatzfähig sein und mindestens 500 Milliarden Euro an Krediten vergeben können. Eine Aufstockung dieser Summe soll im März geprüft werden. Der ESM soll zudem über einen Kapitalstock von 80 Milliarden Euro verfügen. Die Staats- und Regierungschefs vereinbarten, in diesem Jahr zwei der fünf geplanten Tranchen zu überweisen. Für Deutschland sind das rund neun Milliarden Euro.

Am Rande des Gipfels bestätigte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker noch einmal, nicht länger Sprecher der Euro-Länder zu bleiben. Seine Amtszeit endet im Sommer. Er ist seit acht Jahren Chef der Eurogruppe aus den Finanzministern der Euro-Länder. Gemeinsam mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy soll er nun einen geeigneten Nachfolger suchen. Van Rompuy war am Vorabend in seinem Amt als Präsident des Europäischen Rates bestätigt und zugleich mit dem Vorsitz der zukünftigen Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs betraut worden.

Der zweitägige Gipfel stand im Zeichen von Wirtschaft und Beschäftigung. Die akute Krise hat sich zwar etwas beruhigt, umso dramatischer sehen allerdings die Wirtschaftsdaten aus.

In den Euro-Ländern ist die Arbeitslosigkeit hoch wie nie, die Prognosen sehen nicht gut aus. Die Chefs wollen nun entschlossen gegensteuern. Bis zum Jahr 2020 sollen mindestens drei von vier arbeitsfähigen Europäern einen Job haben. Um Beschäftigung attraktiver zu machen, sollen die Löhne an die Produktivität angepasst werden, die Steuern auf Arbeit sollen reduziert werden; auch will man günstige Bedingungen für das Einstellen von jungen Menschen, Frauen und älteren Arbeitnehmern schaffen.

Der Gipfel einigte sich zudem auf Maßnahmen zur wirtschaftlichen Belebung. Dazu zählen schnelle Datenleitungen, besondere Kredite für klein- und mittelständische Unternehmen sowie mehr Forschung und Entwicklung. Um die Vorhaben trotz leerer Kassen finanzieren zu können, schlug EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erneut sogenannte Projekt-Bonds vor. Das sind Anleihen, die aus dem Haushalt der EU finanziert werden sollen. Eine Entscheidung darüber soll im Juni fallen.

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