Konjunktur:Deutschland hinkt hinterher

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Ein Container-Schiff in der Nordsee: Deutschland ist stark von Exporten abhängig. (Foto: Jonas Walzberg/dpa)

Die Wachstumsprognose der EU fällt für die Bundesrepublik relativ schwach aus. Finanzminister Christian Lindner kann sich auch über die Pläne zum Stabilitätspakt nicht freuen.

Von Björn Finke, Brüssel

Die Lage ist schlecht, aber besser als noch im Herbst erwartet: Die deutsche Wirtschaftsleistung soll in diesem Jahr bloß um 0,2 Prozent wachsen. Nur in zwei der 20 Euro-Staaten - Estland und Lettland - fällt die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts noch mauer aus. Dies geht aus der jüngsten Konjunkturprognose der EU-Kommission vor, die Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Montag in Brüssel vorstellte. Klingt deprimierend, doch im Herbst war die Behörde davon ausgegangen, dass die deutsche Wirtschaftsleistung sogar schrumpfen würde.

Die Volkswirte der Kommission bewegen sich hier im Gleichschritt mit ihren Kollegen im Bundeswirtschaftsministerium. Die sagten im Herbst ebenfalls einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts voraus, rechnen nun aber mit ganz leichtem Wachstum. Der drittletzte Rang in der Konjunkturtabelle bedeutet zudem eine Verbesserung gegenüber 2021: Vor zwei Jahren wuchs keine andere Volkswirtschaft der EU langsamer als die deutsche.

Hinter der deutschen Malaise steckt, dass die Exportindustrie sehr wichtig ist und die Abhängigkeit von russischem Gas sehr groß war. Deswegen leidet Deutschland besonders unter den globalen Lieferkettenproblemen und dem Kappen der Gaseinfuhren. Dass sich Deutschland und die ganze EU nun aber zumindest besser schlagen als noch vor kurzem befürchtet, liege daran, dass die Gaspreise gesunken und die Speicher recht voll seien, erläutert die Kommission. Zudem ist die Arbeitslosigkeit weiterhin niedrig, und Manager äußern sich in Firmen-Umfragen zuversichtlicher.

Die Kommission erhöhte deshalb ihre Wachstumsprognose nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Euro-Zone - von 0,3 Prozent für 2023, die im Herbst erwartet worden waren, auf 0,9 Prozent. Im Jahr 2022 war die Wirtschaft der 20 Euro-Länder allerdings noch um kräftige 3,5 Prozent gewachsen. Kommissar Gentiloni war daher nicht in Jubelstimmung: "Den Europäern steht immer noch eine schwierige Zeit bevor", sagte der frühere italienische Ministerpräsident. Die Inflation werde ebenfalls nur schrittweise sinken. Seine Behörde rechnet für die Euro-Zone mit einer Rate von 5,6 Prozent im laufenden Jahr und 2,5 Prozent in 2024.

Der Stabilitätspakt tritt wieder in Kraft

Gentiloni äußerte sich auch zur Zukunft des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, also der Regeln für solide Haushaltsführung. Die Kommission hatte die Vorschriften zum Start der Pandemie ausgesetzt, damit die EU-Regierungen Firmen und Bürgern besser helfen können. Wegen des Ukraine-Krieges wurde diese Pause verlängert, doch Gentiloni sagte jetzt, er erwarte, dass der Pakt Anfang 2024 wieder in Kraft treten werde.

Bis dahin will die Kommission das komplizierte und schlecht durchgesetzte Regelwerk vereinfachen und realistischer gestalten. Gentiloni stellte im November einen Entwurf vor; die EU-Finanzminister wollten darüber bei ihrem Treffen in Brüssel am Montagnachmittag und Dienstagmorgen diskutieren. Im März sollen auch die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel über den Pakt debattieren. Doch wenn zum Jahreswechsel wirklich ein reformierter Pakt in Kraft treten soll, müssen sich Kommission und die Regierungen sehr bald auf ein Konzept einigen. Ansonsten würde es schwierig, rechtzeitig die Gesetzesänderungen abzuschließen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner warnt allerdings, dass es bis zu einer Verständigung noch dauern werde: "Wir stehen am Beginn intensiver Gespräche", schrieb der FDP-Vorsitzende pünktlich zum Ministertreffen in einem Gastbeitrag in der FAZ. Er wiederholte seine Kritik an dem Vorschlag der Kommission, dass die Behörde künftig mit hoch verschuldeten Mitgliedstaaten wie Italien individuelle Pfade zum Schuldenabbau vereinbaren solle. "Sonderwege für einzelne Staaten darf es nicht geben", erklärte Lindner. Als Kompromiss regte er an, dass der Stabilitätspakt Staaten mehr Zeit geben könnte, ihre Verbindlichkeiten auf die Zielmarke von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken. Neben diesen 60 Prozent für den Schuldenstand gibt der Pakt auch eine Obergrenze für das jährliche Haushaltsdefizit von drei Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Die Reform würde diese Zielmarken, die sogenannten Maastricht-Kriterien, unangetastet lassen.

Es gibt mehr Geld für Start-ups

Am Rande des Ministertreffens präsentierte die Europäische Investitionsbank (EIB) einen neuen Hilfsfonds für Start-ups. Dafür stellen Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Belgien der EU-Förderbank zunächst 3,25 Milliarden Euro zur Verfügung, eine weitere halbe Milliarde steuert die EIB selbst bei. Der Fonds namens "European Tech Champions Initiative" leitet das Geld an private Beteiligungsgesellschaften weiter, deren Geschäftsmodell es ist, jungen Firmen Kapitalspritzen zu gewähren, gegen Anteile an dem Unternehmen. Der Fonds zielt auf etablierte Start-ups ab, denen Geld zur Finanzierung ihres globalen Wachstums fehlt. Bisher werden junge europäische Firmen in dieser Phase der Entwicklung oft von Rivalen aus Amerika gekauft. Der Fonds der Luxemburger Förderbank soll eine Alternative bieten.

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