Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:Wie die EU den Gaspreis deckeln will

Die Kommission präsentiert die lange erwarteten Details für die staatliche Obergrenze. Ob das Limit Verbrauchern wirklich hilft, ist aber fraglich.

Von Björn Finke, Brüssel

Die EU-Kommission hat den Regierungen der Mitgliedstaaten Details des geplanten Gaspreisdeckels vorgestellt. Die Brüsseler Behörde präsentierte den EU-Botschaftern der 27 Länder am Mittwoch ein fünfseitiges Diskussionspapier; pünktlich zum Treffen der EU-Energieminister Ende kommender Woche soll ein Gesetzentwurf folgen. Das Konzept, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wird aber jene EU-Regierungen enttäuschen, die einen harten Markteingriff zum Senken der Preise fordern. Der Deckel, den die Kommission "Marktkorrektur-Mechanismus" nennt, soll nur gegen "vorübergehende" und "exzessive" Preisbewegungen schützen und Spekulation eindämmen, heißt es in dem Papier - als Beispiel wird der August angeführt.

Damals war die Notierung am Amsterdamer TTF-Terminmarkt auf 350 Euro pro Megawattstunde gestiegen - auch weil sich EU-Regierungen im Sommer gegenseitig überboten haben, um von Förderländern Gas für die Befüllung der Speicher zu kaufen. Der TTF-Preis ist die wichtigste Gasnotierung für Europa; viele Lieferverträge sind daran gekoppelt. Inzwischen ist dieses Preisbarometer wieder auf unter 150 Euro gefallen, womit es allerdings immer noch weit über dem früheren Durchschnitt liegt. Im Diskussionspapier nennt die Kommission keinen Euro-Betrag für den Deckel, doch die Bezugnahme auf August lässt darauf schließen, dass diese Obergrenze ein gutes Stück entfernt sein wird vom jetzigen Niveau. Damit wird der Mechanismus den aktuellen Preis nicht drücken, aber er wird Schutz gegen extreme Sprünge bieten.

Die Kommission ist skeptisch

Diese gesetzliche Obergrenze soll automatisch in Kraft treten, sobald zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muss der TTF-Preis für Terminkontrakte für die Lieferung im Folgemonat (Month-ahead TTF) eine - noch nicht festgelegte - Zahl von Wochen einen bestimmten Preis überschreiten. Und zweitens muss diese Steigerung ein Ausreißer sein im Vergleich zur Entwicklung auf den Weltmärkten. Die Kommission wird prüfen, ob die Preise für Flüssigerdgas-Lieferungen weltweit weniger stark angezogen haben als der TTF-Preis. Nur wenn der Abstand zwischen TTF-Notierung und Weltmarkt-Preisen einen Grenzwert übertrifft, wird der Mechanismus ausgelöst. Klettern also die Preise in Europa im Gleichschritt mit denen im Rest der Welt, wird es keinen Deckel geben.

Daneben kann die Kommission die Obergrenze jederzeit wieder einkassieren, sollten schädliche Nebenwirkungen auftreten. So warnen Deckel-Gegner wie die Bundesregierung, dass eine staatliche Obergrenze die Nachfrage anheizen und Förderländer verschrecken könnte. Auf der anderen Seite fordern die Regierungen von 15 Mitgliedstaaten, darunter Frankreich und Italien, ausdauernd die Einführung eines gesetzlichen Limits, um die Preise zu senken. Die Kommission gehört zum Lager der Skeptiker und hat lange gezögert, solchen Forderungen nachzukommen. Dass das Deckelkonzept nun so vorsichtig ausfällt, spiegelt diese Skepsis wider - und das Kalkül, auf diese Weise einen Kompromiss zwischen Gegnern und Befürwortern zu finden.

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