Süddeutsche Zeitung

EU-Finanzminister:1279 Milliarden Euro

Haushaltskommissar Günther Oettinger fordert viel Geld für die Europäische Union - und will Deutschland den Rabatt bei den Beiträgen nehmen.

Von Björn Finke, Luxemburg

Viel Geld, viel Ärger: Verhandlungen über Budgets sind meistens schwierig, und die EU streitet gerade über gleich zwei wichtige Haushaltspläne. In Luxemburg kamen die Finanzminister zusammen und debattierten unter anderem über ein eigenes Budget für die Euro-Zone. Das Treffen wird an diesem Donnerstag fortgesetzt. Zugleich versuchen die Mitgliedstaaten, sich auf einen neuen Finanzrahmen für den gesamten EU-Haushalt zu einigen. Da schlägt die EU-Kommission die gewaltige Summe von 1 279 Milliarden Euro vor, verteilt auf die sieben Jahre von 2021 bis 2027. Bei der Finanzierung erhob der scheidende Haushaltskommissar Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel Forderungen, die der Bundesregierung gar nicht passen können.

Der CDU-Politiker will die Rabatte abschaffen, die reiche Staaten auf ihren Beitrag erhalten. Das erste Land mit solch einem Nachlass war Großbritannien. Die Briten verlassen die EU vermutlich, was der Haushälter jetzt zum Anlass nimmt, sämtliche Rabatte in Frage zu stellen. Es sei Zeit, dass sich die Staats- und Regierungschefs auf "ein faireres und transparenteres System einigen, in dem für alle die gleichen Regeln gelten", heißt es im Positionspapier der Kommission. Betroffen wäre auch Deutschland. Die Bundesregierung will den Rabatt freilich nicht aufgeben.

Oettinger argumentiert, dass die fünf verbleibenden Nachlass-Profiteure von allen Mitgliedern die niedrigsten Beitragsbelastungen haben, gemessen als Anteil an ihrer Wirtschaftsleistung: Dänemark, Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden. Die Rabatt-Empfänger gehören zu den reichsten Staaten; der Abschlag soll ausgleichen, dass sie wenig Geld aus EU-Hilfstöpfen erhalten. Arme Länder zahlen hingegen überdurchschnittlich viel in den Haushalt ein - wieder gemessen an der Wirtschaftsleistung.

Die Verhandlungen über den Haushaltsplan für die sieben Jahre von 2021 an sind noch mühsamer als sonst, weil mit Großbritannien ein großer Beitragszahler wegfällt. Gleichzeitig will die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die im November ihr Amt antritt, in Klimaschutz investieren. Das kostet. Oettinger schlug bereits vor anderthalb Jahren einen Haushaltsentwurf vor, doch es geht nur langsam voran. "Die Zeit wird knapp", sagt er. "Europa kann sich eine Verzögerung beim langfristigen Budget nicht leisten."

Ursprünglich wollten sich die Regierungen bis Jahresende einigen, aber nun wird spekuliert, dass es erst im Herbst 2020 soweit sein könnte - beunruhigend kurz vor Start des Sieben-Jahres-Plans. In der zweiten Hälfte 2020 hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. Der Druck könnte daher groß sein, dass Berlin dann für eine Einigung Kompromisse eingeht. Zwist gibt es dabei nicht nur über Rabatte, sondern auch über die Gesamthöhe.

Oettinger schlägt ein Volumen von 1,114 Prozent der Wirtschaftsleistung der verbleibenden EU-Staaten vor - das entspricht 1 279 Milliarden Euro. Das EU-Parlament wird an diesem Donnerstag eine Resolution verabschieden, die sogar eine Steigerung auf 1,3 Prozent fordert. Deutschland und andere große Beitragszahler wollen das Budget dagegen wie bislang bei einem Prozent deckeln. Nach Kalkulationen Berlins würde Deutschland selbst bei einem Wert von einem Prozent jedes Jahr zehn Milliarden Euro mehr zahlen, um den Abgang der Briten auszugleichen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich Ende kommender Woche bei einem Gipfeltreffen mit dem Sieben-Jahres-Rahmen befassen. Eine Einigung wird nicht erwartet.

In Luxemburg stritten die Finanzminister derweil über ein viel kleineres Budget - das für die Euro-Zone. Frankreich hatte gefordert, dass die Euro-Zone einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister erhält, um auf Krisen besser reagieren zu können. Das lehnten Staaten wie die Niederlande ab; als Trostpreis für die Franzosen wurde im Juni beschlossen, einen Fonds zu schaffen, der in Euro-Staaten Projekte unterstützt, mit denen Regierungen ihre Wirtschaft voranbringen wollen. Der sperrige Titel: Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit. Der Fonds soll über 17 Milliarden Euro verfügen, die über sieben Jahre verteilt nach einem festen Schlüssel an Mitgliedstaaten ausgezahlt werden. Er ist folglich zu klein, um große Wirkung entfalten zu können.

Das Geld stammt zunächst aus dem EU-Haushalt. Strittig ist aber, ob Euro-Staaten den Mini-Fonds mit Extra-Zahlungen aufstocken können oder sollen. Die Finanzminister einigten sich darauf, dass die Regeln für den Topf solche Einzahlungen ermöglichen; die Staaten könnten dafür einen eigenen Vertrag abschließen. Wie dieses Abkommen aussehen soll, ob eine Zielmarke für Zusatzzahlungen vorgegeben wird, ob diese Überweisungen freiwillig sind oder alle Länder mitziehen müssen - darüber gab es am Mittwoch bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe keinen Konsens. Widerstand gegen jedwede Verpflichtung leisteten vor allem die Niederländer, hieß es. Die Debatte geht weiter.

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SZ vom 10.10.2019
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