EU-Finanzkrise:Haushaltslage Spaniens alarmiert Euro-Zone

Nach der Griechenland-Rettung sorgen sich die Finanzminister der Euro-Länder wegen eines überraschend hohen Defizits in Spaniens. Das Schwergewicht in der Euro-Zone soll seine Schuldenquote in einem ersten Schritt um einen halben Prozentpunkt senken. Doch von der offiziellen Schuldengrenze ist es dann noch immer weit entfernt.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Kaum haben die Europäer ihre neuen strengen Haushaltsregeln verabschiedet, steht die erste praktische Bewährungsprobe an. Spanien, ein wirtschaftliches Schwergewicht in der Euro-Zone, hat ein größeres Loch als erlaubt in seinem Haushalt ausgemacht - und ist nicht gewillt, dieses durch zusätzliche Einsparungen zu stopfen. Premier Mariano Rajoy erklärte zur Überraschung seiner Kollegen auf dem jüngsten Gipfel, seine Regierung werde die von Brüssel verordneten Defizit-Ziele für 2012 nicht einhalten. Es bestünde allerdings kein Anlass zu Sorge, ein Jahr später, also 2013, werde Madrid die Vorgaben erfüllen.

Sorgen macht sich Brüssel trotzdem, auch, weil Madrid bislang keine neuen, offiziellen Zahlen zur Haushaltslage gemeldet hat. Deshalb landete das spanische Finanzloch an diesem Montag auf der Agenda der Finanzminister der Euro-Länder in Brüssel. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble reiste sogar eher an - der spanische Kollege Luis de Guindos hatte um ein Sondertreffen gebeten, um seine Haushaltszahlen zu erläutern.

"Spanien wird sein Haushaltsziel 2013 erreichen"

Diese sehen schlechter aus als geplant. Im vergangenen Jahr wollten die Spanier die Neuverschuldung auf 6,5 Prozent der Wirtschaftskraft reduzieren. Bisherigen Berechnungen zufolge landeten sie bei 8,5 Prozent. Und 2012 prognostiziert Madrid statt der geplanten 4,5 Prozent Neuverschuldung etwa sechs Prozent. Dessen ungeachtet, so versichert die spanische Regierung, werde das Ziel, 2013 weniger als drei Prozent neue Schulden zu machen, erreicht. Überzeugend klingt das nicht, sagt ein EU-Diplomat in Brüssel: "Man muss sich doch fragen, wie Spanien im Jahr 2013 noch mehr sparen will, wenn sie es jetzt schon nicht schaffen." Auch Schäuble hegt offensichtlich Zweifel, er flüchtete in eine diplomatische Floskel. "Spanien hat große Fortschritte gemacht, das wird auch an den Finanzmärkten so gesehen."

Nur Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erklärte großzügig. "wir gehen davon aus, dass Spanien sein Haushaltsziel für 2013 erreichen wird". Was im übrigen 2012 an konkreten Aktionen zu passieren habe, "darüber werden wir reden ohne konkrete Beschlüsse zu fassen", sagte er. Gleichwohl forderten die Minister Spanien am Abend dazu auf, sein Defizit statt der prognostizierten 5,8 auf 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.

Die Euro-Finanzminister zeigten sich zuversichtlich, dem zweiten griechischen Hilfspaket Mitte dieser Woche endgültig grünes Licht geben zu können. Sie warten noch auf die Zusage des Internationalen Währungsfonds, sich mit 28 Milliarden Euro zu beteiligen. Sie soll am Mittwoch fallen. Das zweite Hilfspaket sieht 130 Milliarden Euro an Finanzhilfen vor sowie einen Schuldenerlass privater Gläubiger. Beides ist auf den Weg gebracht. Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos teilte am Montag mit, dass Anleihen im Wert von 177,2 Milliarden Euro umgetauscht worden seien.

Schlüsselpositionen werden neu besetzt

Auf der Agenda der Minister standen zudem Personalien. Bis zum Sommer werden vier Schlüsselpositionen in den europäischen Institutionen neu oder erstmals vergeben. Als gesetzt gilt Klaus Regling. Der Deutsche, der den provisorischen Euro-Rettungsfonds EFSF leitet, soll auch den geplanten permanenten Rettungsfonds ESM aufbauen.

Offen sind die drei anderen Posten. Ende Mai räumt der Spanier José Manuel Gonzalez-Paramo seinen Platz im Direktorium der Europäischen Zentralbank. Madrid will ihn durch Antonio Sainz de Vicuña ersetzen, den Leiter der EZB-Rechtsabteilung. Einige Euro-Länder, darunter auch Deutschland, bevorzugen als Nachfolger dagegen den Chef der Luxemburger Zentralbank, Yves Mersch. Allerdings zögert Paris, Mersch das Okay zu geben. Das hat mindestens zwei Gründe. Paris will sich den dritten Posten sichern - den des Präsidenten der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) in London, auf dem Thomas Mirow sitzt. Der ehemalige Wirtschaftsberater von Staatspräsident Nicolas Sarkozy, Philippe de Fontaine Vive, soll Mirow beerben. Doch offensichtlich zeigt sich auch Mirow ambitioniert, noch einmal antreten zu wollen.

Zudem pochen die Franzosen darauf, dass Mersch nur dann in das Direktorium der EZB berufen werden kann, wenn zugleich der Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker nicht wieder als Chef der Eurogruppe antritt. Juncker selbst hatte das zuletzt zwar mehrfach ausgeschlossen. Aber die Suche nach einem geeigneten Nachfolger gestaltet sich kompliziert. Aus dem Umfeld von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, der die Personalie unter den Staats- und Regierungschefs abstimmen muss, verlautete am Montag, es werde "etwas länger dauern". Der Posten soll zum 1. Juli neu besetzt werden - und bisher mag keiner so richtig an den Abschied Junckers von der europäischen Bühne glauben.

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