Süddeutsche Zeitung

EU-Finanzen:Bangen in Brüssel

Der Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, muss um seinen Job fürchten - denn vermutlich ist er bald auch nicht mehr Finanzminister der Niederlande. Kandidaten für die Nachfolge gibt es durchaus. Doch sie haben alle einen Makel.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

So viel Lob ist selten. Schon gar nicht für jemanden, der vom Wähler dermaßen brutal abgestraft wurde, dass er davon ausgehen muss, seinen Job zu verlieren. Gut drei Viertel ihrer Sitze hat Jeroen Dijsselbloems Partei bei den niederländischen Parlamentswahlen verloren. Ein Desaster. Der Sozialdemokrat rechnet selbst nicht damit, dass er Finanzminister in Den Haag bleibt. Wenn es nach ihm geht, würde er aber ein anderes Amt ganz gerne behalten: das des Eurogruppen-Präsidenten. Einfach wird das nicht. Aber immerhin gibt es viel Lob von den auffallend netten Kollegen.

An diesem Montag sind die Euro-Finanzminister mal wieder nach Brüssel gekommen, um über Griechenland zu beraten. Aber Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spricht vor der Sitzung lieber über Dijsselbloem: "Er macht seine Arbeit sehr gut." Die Amtszeit des Niederländers laufe bis Anfang 2018, sagt Schäuble. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin erklärt: "Er ist ein sehr guter Präsident der Eurogruppe." Und auch der belgische Kollege Johan Van Overtveldt meint: "Er macht einen wundervollen Job."

Wenn man das alles hört, könnte man glatt meinen, es gebe keinen Besseren für den Job als Dijsselbloem, diesen hochpolitischen Kopf mit den sorgfältig gegelten Locken und der Nickelbrille. Er selbst sagt an diesem Montag das, was er sagen muss: "Mein Mandat läuft bis 2018." Ansonsten liege es an der Eurogruppe darüber zu entscheiden, was passiert, wenn es einen neuen niederländischen Finanzminister gibt, der aller Voraussicht nach nicht Dijsselbloem heißen wird.

Spätestens dann stellt sich die Frage, über die am Rande des Eurogruppen-Treffens gesprochen wird: Wäre es nicht gut, wenn das Gremium einen Präsidenten hätte, der sich voll und ganz darauf konzentrieren könnte? Diese Möglichkeit gibt es, denn im Protokoll 14 zum Vertrag von Lissabon, das die Arbeit der Euro-Gruppe regelt, steht nicht, dass der Chef des Gremiums ein aktiver Finanzminister sein muss.

Dijsselbloem selbst lässt jedenfalls keinen Zweifel erkennen, dass er auch im Fall seines Ausscheidens aus der Regierung in Den Haag den Job gerne weitermachen würde. Dann stünde aber eine Debatte bevor, die auch Dijsselbloem stets zuwider war, nämlich die Frage: Braucht die Währungsunion einen Euro-Finanzminister? Und falls ja, wer sollte das sein: die sich bereits als "kollektiver Euro-Finanzminister" betitelte EU-Kommission oder ein Vollzeit-Präsident der Euro-Gruppe?

Kandidaten gibt es genug. Nur haben viele ein Problem: Sie sind keine Sozialdemokraten

Wie es aussieht, haben die nationalen Minister weder große Lust auf das eine noch das andere. Einen hauptamtlichen, in Brüssel residierenden Vorsitzenden lehnen die meisten Minister bislang ab. Sie befürchteten, dass dieser sich auf ihre Kosten als "Mister Euro" aufspielen könnte. So offen sagt das an diesem Montag natürlich niemand. Lediglich Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling äußert sich skeptisch über die Idee, einen permanenten Vorsitz der Eurogruppe zu schaffen. Solche Initiativen seien in der Vergangenheit nicht von Erfolg gekrönt gewesen.

Er glaube, "dass es gut ist, wenn amtierende Finanzminister die Gruppe führen".

Vielleicht sagt Schelling das aber auch nur, weil er selbst als möglicher Dijsselbloem-Nachfolger im Gespräch ist. Doch der Österreicher hätte dasselbe Problem wie der Spanier Luis de Guindos, der schon bei der letzten Präsidentenwahl antrat - und verlor. Ihr Nachteil: Schelling und De Guindos sind keine Sozialdemokraten. Gemäß der Brüsseler Macht-Arithmetik müsste der Eurogruppen-Präsident aber einer sein, denn mit der Wahl Antonio Tajanis zum EU-Parlamentspräsidenten sind die wichtigsten EU-Positionen mit Konservativen besetzt. Bliebe also der willige Slowake Peter Kažimír, der zwar nett twittert, aber während der Ratspräsidentschaft seines Landes inhaltlich enttäuscht hat.

Auch Dijsselbloem war am Anfang seiner Amtszeit misstrauisch beäugt worden. Das hat sich aber gelegt. So viel Lob kommt schließlich nicht von ungefähr. Vor allem in der Griechenland-Krise hat er sich durch sein Verhandlungsgeschick hervorgetan. Doch ausgerechnet zuletzt gab es Kritik an seinem Amtsverständnis. In Athen soll Dijsselbloem der griechischen Regierung zu verstehen gegeben haben, dass er der maßgebliche Verhandlungspartner sei. Das sehen so manche Finanzminister und auch der Internationale Währungsfonds (IWF)

nicht sehr gerne. Derweil geht der Streit mit dem hoch verschuldeten Land in die nächste Runde. In den kommenden Tagen sollen die Gespräche in Brüssel intensiviert werden, um eine Einigung bei den offenen Punkten zu erreichen, sagt Dijsselbloem nach den Beratungen am Montag. Trotz Fortschritten könne er aber nicht versprechen, dass dies bis zur nächsten Sitzung der Eurogruppe am 7. April in Malta möglich ist. Dijsselbloem nannte als offene Themen Reformen im Arbeitsmarkt, im Rentensystem und Steuerfragen. Die europäischen Geldgeber drängen Athen zu weiteren Sparmaßnahmen, bevor frisches Geld aus dem 2015 beschlossenen Hilfsprogramm fließen kann. Die zweite Überprüfung der Reformen ist noch immer nicht abgeschlossen. Dabei ist dies die Voraussetzung dafür, dass der IWF über eine Beteiligung an dem 86-Milliarden-Euro-Programm entscheidet. Sowohl Dijsselbloem als auch Schäuble hatten stets klargestellt, dass eine IWF-Beteiligung unabdingbar sei. Der Minister aus Berlin machte zudem deutlich, dass Griechenland erst wieder Kredite ausgezahlt bekomme, sobald der IWF an Bord sei. Zurzeit braucht Griechenland kein Geld, erst im Juli ist es wieder soweit. Dann muss Athen etwa sieben Milliarden Euro an Schulden begleichen. Das weiß auch Dijsselbloem. Ob er dann noch im Amt sein wird, weiß er allerdings nicht.

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SZ vom 21.03.2017
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