EU:Extra-Hilfe aus Brüssel

EU: Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager klagt, dass Unterschiede bei Staatshilfen zwischen Ländern den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren.

Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager klagt, dass Unterschiede bei Staatshilfen zwischen Ländern den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren.

(Foto: KENZO TRIBOUILLARD/AFP)

Manchen Ländern fehlen die Mittel, Firmen mit Kapitalspritzen zu unterstützen. Ein neues EU-Programm soll helfen.

Von Björn Finke, Brüssel

Das sollte für einige Investments reichen: Die Bundesregierung hat satte 100 Milliarden Euro in ihrem Wirtschaftsstabilisierungsfonds für Staatsbeteiligungen reserviert. Brauchen Konzerne in der Corona-Krise dringend Kapital, kann der Bund dieses über den Fonds bereitstellen und als Großaktionär bei der strauchelnden Firma einsteigen. Solch eine Teilverstaatlichung wird etwa bei der Lufthansa diskutiert. Auch in anderen europäischen Ländern würden sich Unternehmer über so ein Hilfsprogramm freuen. Doch manchen Regierungen fehlen die finanziellen Reserven, um im großen Stil Kapitalspritzen zu gewähren. Deshalb will hier die EU-Kommission einspringen. Die Brüsseler Behörde plant, kommende Woche die Einführung eines sogenannten Solvenzinstruments vorzuschlagen.

Die Kommission registriert mit Unbehagen, dass es riesige Unterschiede gibt beim Niveau der Corona-Staatshilfen der einzelnen Mitgliedsländer. Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager klagte in einem SZ-Interview, dies könne den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt verzerren. Ein EU-Programm für Kapitalspritzen könnte die Unterschiede zumindest teilweise verringern. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte im Europaparlament, das Instrument solle "dazu beitragen, den Rekapitalisierungsbedarf gesunder Unternehmen zu decken, die infolge der Ausgangsbeschränkungen in Schwierigkeiten geraten sind". Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni ergänzte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, Ziel sei es, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank (EIB), dem EU-Förderinstitut, Anreize für private Investitionen in solche Firmen zu setzen.

"Das Instrument wird offen für alle Mitgliedstaaten sein, aber wir werden es so entwerfen, dass es vor allem Unternehmen in jenen Ländern dient, die am härtesten von der Pandemie getroffen sind und deren Regierungen weniger finanzielle Ressourcen haben", sagte der Italiener - und dürfte dabei etwa an sein Heimatland denken. In der Behörde heißt es, die Kommission und die EIB könnten Teile der Verlustrisiken übernehmen, wenn Investoren Corona-geschädigten Betrieben Kapital zur Verfügung stellen. Nicht geplant sei, dass die Kommission Aktionärin wird.

Das Solvenzinstrument soll Teil des Corona-Hilfspakets sein, das von der Leyen am 27. Mai präsentieren will - zusammen mit einem neuen Entwurf für den mittelfristigen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027. Die Größe des Pakets ist zwischen den Mitgliedstaaten umstritten; ein deutsch-französischer Vorschlag, der am Montagabend präsentiert wurde, setzt das Volumen bei 500 Milliarden Euro an. Der Plan der Kommission werde vorsehen, dass 80 Prozent der Mittel an Regierungen fließen sollen, ist aus der Behörde zu hören. Das ist besonders wichtig für Staaten wie Italien und Spanien, die ohnehin hoch verschuldet sind und nun heftig unter der Pandemie leiden. Weitere zehn bis 15 Prozent des Corona-Topfs will die Kommission dafür nutzen, um wichtige Branchen zu unterstützen und Firmen das Investieren zu erleichtern. Unter diese Rubrik würde das neue Solvenzinstrument fallen.

Bereits im März lockerte die Kommission die strengen Regeln für staatliche Beihilfen an Unternehmen. Vor anderthalb Wochen legte die Behörde auch einen Rahmen fest, unter welchen Bedingungen Regierungen Kapital zuschießen und als Aktionär einsteigen dürfen. Mitgliedstaaten müssen ihre Programme bei der Kommission genehmigen lassen. Statistiken zeigen aber, dass die Unterstützung sehr ungleich verteilt ist: Geschätzt die Hälfte aller bewilligten Staatshilfen für die Wirtschaft entfällt allein auf Deutschland, während Firmen in klammen Ländern wie Griechenland mit deutlich weniger Staatsgeld auskommen müssen.

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