EU-Entscheidung:Deutschland macht Genmais möglich

Lesezeit: 3 min

Proteste gegen die umstrittene Genmaissorte 1507 vom dem Kanzleramt in Berlin (Foto: obs/Jakob Huber/Campact e.V.)

Die Mehrheit der Deutschen ist gegen grüne Gentechnik. Doch die Bundesregierung will sich bei der Entscheidung über eine umstrittene Genmaissorte in der EU nun enthalten - und könnte so dessen Genehmigung möglich machen.

Von Oliver Hollenstein

Die Mehrheit der Deutschen ist gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. 88 Prozent, um genau zu sein, so hat es die Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag von Greenpeace erfragt. Dennoch wird Deutschland sich voraussichtlich enthalten, wenn in Brüssel an diesem Dienstag die Europaminister der EU-Staaten zusammenkommen, um über die Zulassung der umstrittenen Genmaissorte 1507 abzustimmen.

Die Koalition in Berlin ist uneins. Während SPD und CSU den Anbau ablehnen, ist die CDU dafür. Die scheinbar logische Konsequenz für Brüssel: Enthaltung. Damit könnte die Bundesregierung nun aber indirekt den Weg freimachen für die Gentechnik. Denn sollten - wie es sich bereits abzeichnet - die Minister keine Mehrheit finden, entscheidet am Ende die EU-Kommission. Und die hat schon signalisiert, den Genmais zulassen zu wollen.

Kritiker sehen das Votum als Grundsatzentscheidung. Während Gentech-Pflanzen rund um den Globus auf dem Vormarsch sind, war man in Europa lange skeptisch, die großen Saatgutfirmen hatten Schwierigkeiten, sich durchzusetzen. Bereits 2001 hatte die US-Saatgutfirma Dupont Pioneer den Antrag gestellt, ihren Genmais 1507 in Europa anbauen zu dürfen. Es passierte aber lange erst einmal gar nichts. Dann diskutierten die Ausschüsse. Bis schließlich das Gericht der Europäischen Union (EuG) im September 2013 eine Entscheidung anmahnte.

Nun könnte sich die Lage drastisch ändern und die grüne Gentechnik zunehmend auf europäische Felder kommen, fürchten die Skeptiker. Bisher wird in der EU nur der gentechnisch veränderte Mais MON 810 der Firma Monsanto zu kommerziellen Zwecken gepflanzt. In Deutschland ist der Mais aber durch eine Sonderregelung der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) verboten. Die besonders stärkehaltige Kartoffel Amflora von BASF war ebenfalls zugelassen, bis das EU-Gericht Anbau und Vertrieb im Dezember wegen Verfahrensfehlern untersagte. Sie wird aber ohnehin seit 2011 nicht mehr in Europa angebaut.

Genmais ist gegen Pflanzenschutzmittel resistent

Der Genmais 1507 ist resistent gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel und Mottenlarven. Ob das ungefährlich ist, ist umstritten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert, dass der Mais so viel Insektengift produziere, dass zum Beispiel Schmetterlinge gefährdet seien. Seit Jahren wird auch diskutiert, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel für Menschen gesundheitsschädlich sind. Die EU-Kommission verweist dagegen darauf, dass die europäische Lebensmittelbehörde den Anbau von Genmais 1507 in sechs wissenschaftlichen Stellungnahmen für unbedenklich erklärt habe.

Nun könnten also die Europaminister den Mais noch stoppen. Sie stimmen an diesem Dienstag über das ihnen fachfremde Thema ab, weil ein Treffen der EU-Agrarminister im Januar ausgefallen ist. Für Deutschland nimmt der Staatsminister des Auswärtigen Amtes, Michael Roth von der SPD, an der heutigen Abstimmung teil. Die EU-Staaten müssen bis zum 12. Februar Stellung beziehen. Frankreich hatte sich als Gegner der Zulassung dafür eingesetzt, dass die Länder nicht nur schriftliche Stellungnahmen abgeben, sondern auch die Minister noch einmal debattieren.

Trotz einer weit verbreiteten Skepsis in den EU-Ländern, gilt es derzeit als unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit gegen die Zulassung von Genmais 1507 stimmt. Das Problem: Dafür ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, die sich in der EU nach einem komplexen Verfahren anhand der Bevölkerungsgröße der Länder errechnet. Derzeit wollen die meisten Länder gegen den Vorschlag stimmen, unter anderem Frankreich, Italien und Polen. Eine kleinere Gruppe (unter anderem mit Großbritannien und Spanien) ist dafür. Weil aber weitere Länder wie Deutschland und die Niederlande sich enthalten, könnte es nicht für eine Mehrheit reichen.

Kritik an Enthaltung der Bundesregierung wird lauter

Deswegen wird die Kritik lauter an den Plänen der Bundesregierung, sich enthalten zu wollen. "Jetzt kommt es darauf an, auch das deutsche Gewicht in die Waagschale zu werfen", sagt etwa der Gentechnik-Experte der Grünen im Bundestag, Harald Ebner, und fordert die Bundesregierung auf, mit Nein zu stimmen. "Wenn die Bundesregierung sich enthält, zeigt die Kanzlerin, dass sie nicht im Sinne der Menschen in Deutschland handelt."

Das deutsche Landwirtschaftsministerium stellt sich derweil bereits darauf ein, dass der Genmais zugelassen wird. Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will mithilfe von Regionalklauseln Ausnahmen ermöglichen. "Mein Ziel ist, dass jedes Bundesland entscheiden kann, ob es den Anbau zulässt oder nicht." Das wiederum sehen Kritiker ziemlich kritisch und warnen: Wird der Genmais erst einmal angebaut, machen seine Pollen nicht an Ländergrenzen halt.

© Süddeutsche.de/dpa/afp/ohol - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: