Süddeutsche Zeitung

EU-Corona-Paket:Streit um Haushalt und Hilfen

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Die EU-Finanzminister diskutieren über den Corona-Topf. Bei den Christdemokraten im Parlament regt sich Kritik.

Von Björn Finke, Brüssel

Es ist ein beeindruckender Doppelbruch mit sechs Variablen - und er entscheidet über zig Milliarden Euro. Die EU-Kommission will mit dieser Formel berechnen, wie viel Geld aus dem geplanten Corona-Hilfstopf maximal an einzelne Mitgliedstaaten fließen kann. Doch zwischen den Regierungen ist ein Disput darüber entbrannt, ob die Behörde die richtigen Kriterien ansetzt. Andere Variablen oder Gewichtungen führen zu anderen Ergebnissen, zum Wohle des einen Landes, zum Schaden seines Nachbarn. Am Dienstagnachmittag tauschten sich die EU-Finanzminister über diese und weitere Streitfragen rund um den Hilfstopf und den neuen EU-Haushalt aus.

Die Videokonferenz soll dabei helfen, eine Schaltung der Staats- und Regierungschefs Ende kommender Woche vorzubereiten. Eine Einigung auf das Finanzpaket wird aber auch bei diesem Gipfel nicht erwartet. Dafür werden echte Spitzentreffen in Brüssel nötig sein, die im Juli stattfinden sollen. Insgesamt geht es um gut 1,8 Billionen Euro: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentierte vor zwei Wochen einen Entwurf für das EU-Budget von 2021 bis 2027, der 1,1 Billionen Euro umfasst. Daneben stellte sie den Corona-Hilfstopf vor. Für den will die Behörde 750 Milliarden Euro Schulden machen. Das Geld soll den EU-Haushalt in den ersten Jahren massiv aufstocken; 500 Milliarden Euro sollen dem Vorschlag zufolge via EU-Programme als Zuschuss an Staaten fließen, 250 Milliarden Euro als Darlehen.

Umstritten unter den Regierungen sind neben dem Verteilungsschlüssel etwa das Volumen und die Frage, wie viel als nicht rückzahlbarer Zuschuss und wie viel als Kredit überwiesen wird. Vor allem Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden drängen auf einen kleineren Umfang und einen kleineren Anteil an Zuschüssen. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel sagte vor der Konferenz am Dienstag, das Gesamtpaket sei "volumenmäßig, aber auch inhaltlich, für uns in der derzeitigen Form nicht akzeptabel".

Das Quartett fordert zudem, Hilfsgelder aus dem Corona-Topf an strenge Bedingungen zu knüpfen. Zu den Hauptprofiteuren werden Italien und Spanien gehören - Länder, die von der Pandemie hart getroffen wurden und ohnehin hoch verschuldet sind. Die südeuropäischen Regierungen plädieren daher für einen möglichst großen Anteil an Zuschüssen und eher laxe Auflagen. Zwist gibt es ebenfalls über die Rückzahlung der Schulden, welche die Kommission aufnimmt. Von der Leyen schlägt vor, die Anleihen zwischen 2028 und 2058 zu begleichen, doch die Bundesregierung wünscht sich einen früheren Start und einen kürzeren Zeitraum.

Die Kommission will 310 der 500 Milliarden Euro Zuschüsse über ein neues EU-Programm auszahlen, das staatliche Investitionen und Reformen unterstützen soll. Regierungen müssen dafür Pläne mit förderwürdigen Projekten einreichen. Die Pläne sollen die Reformvorschläge berücksichtigen, welche die Kommission regelmäßig für die einzelnen Länder veröffentlicht - und die von den Regierungen bislang ähnlich regelmäßig ignoriert werden.

Die Behörde hofft, dass ihre Reformvorschläge durch diese Vorgabe ernster genommen werden - und dass diese Auflage die sinnvolle Verwendung des Geldes sicherstellt. Kritiker fordern aber härtere Bedingungen und Kontrollen. Solche Töne sind auch im Europaparlament zu hören, etwa bei der EVP, der Fraktion der europäischen Christdemokraten. Die Abgeordneten müssen Haushalt und Hilfstopf am Ende zustimmen. Am Dienstag beschloss das Präsidium dieser größten Fraktion im Parlament, eine Arbeitsgruppe für das Hilfspaket einzusetzen. Die Gruppe soll die Debatte begleiten und Verbesserungsvorschläge erarbeiten.

Einer der Initiatoren ist der CDU-Abgeordnete Markus Pieper. "Die Gelder dürfen nicht in der spanischen Sozialhilfe versacken", sagt Pieper, der im Haushaltskontrollausschuss des Parlaments sitzt. "Vielmehr benötigen wir eine verbindliche Zweckbindung für Zukunftsinvestitionen." Die Kommission könne sich auch manches bei den Regeln für die Strukturfonds abschauen, die Brüsseler Hilfstöpfe für benachteiligte Regionen: "Da müssen die Länder die Empfänger der Fördergelder veröffentlichen. Bei Missbrauch müssen die Regierungen Geld zurückzahlen."

Eine parteiübergreifende Initiative aus dem Europaparlament kämpft noch für eine andere Forderung: Elf Abgeordnete, darunter Andreas Schwab von der CDU und Reinhard Bütikofer von den Grünen, regen in einem Brief an von der Leyen an, Geld aus dem Corona-Topf nur dann auszuzahlen, wenn Regierungen bei den geförderten Investitionen auf die Hilfe der EU hinweisen - etwa mit einer Plakette an Bauwerken.

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SZ vom 10.06.2020
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