Etihad steigt bei Air Berlin ein:Mehdorn im Morgenland

Frohe Botschaft für den Vorstandschef: Die Rettung für Air Berlin kommt aus Abu Dhabi. Die Fluggesellschaft Etihad steigt groß beim angeschlagenen Unternehmen ein. Den Deal fädelte der neue Chef Mehdorn persönlich in der Wüste ein. Denn Etihad hat, was die deutsche Fluglinie so dringend braucht.

Jens Flottau, Berlin

Vor ein paar Wochen war Hartmut Mehdorn in großer Mission unterwegs. Zusammen mit seinem Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer war der Vorstandschef von Air Berlin an den Persischen Golf gereist, dorthin, wo Scheichs herrschen und das große Geld sitzt, verdient mit jahrelanger Erdölförderung.

Man schlenderte über die Dubai Air Show, ließ sich die neue Boeing 787 zeigen und schaute mal bei den Kollegen von Airbus vorbei. Das eigentliche Ziel an diesem angenehm sonnigen Novembertag lag aber eine gute Autostunde entfernt. Die Deutschen sprachen bei James Hogan in Abu Dhabi vor, dem Chef von Etihad Airways. Der hat, was Air Berlin so dringend braucht: Kapital.

Der Ausflug ins Morgenland war erfolgreich.

Am Montagmorgen stand fest: Etihad, die staatliche Fluggesellschaft Abu Dhabis, steigt als größter Einzelaktionär bei Air Berlin ein. Sie hält künftig 29,2 Prozent der Air-Berlin-Anteile und wird mit zwei Vertretern im Verwaltungsrat vertreten sein. Seit Januar hatten die Araber, so verriet Hogan, ein kleines Air-Berlin-Aktienportfolio von knapp drei Prozent aufgebaut. Nun wollen die beiden Unternehmen Streckennetze und Vielfliegerprogramme aufeinander abstimmen und schon im ersten Jahr Synergien in Millionenhöhe finden. "Wir haben nicht vor, unsere Beteiligung über 29 Prozent hinaus zu steigern", sagt Hogan.

Auch so schon ist der Einfluss immens. Es ist ein weiterer Fall, indem Geld aus arabischen Ländern in die deutsche Wirtschaft fließt - sichtbares Zeichen der Globalisierung und der Machtverschiebung. Solche Petro-Euros wirken beim Autohersteller Daimler, bei VW, beim Baukonzern Hochtief oder bei Ferrostaal. Und bei Air Berlin, der Erfindung des Joachim Hunold, die in ein böses Luftloch geraten ist, sichern die Investoren aus dem Mittleren Osten das Überleben.

In der Luftverkehrsbranche galten die Finanzen der Firma zuletzt als sehr besorgniserregend - vor allem, weil im saisonal immer schwachen Winter weitere Verluste auflaufen werden. Auch Mehdorn, der Ex-Bahn-Chef auf neuem Himmelfahrtskommando, räumt ein, Air Berlin sei in einer "schwierigen Lage" gewesen. Nun sei es gelungen, "die Finanzierung der Air Berlin zu stabilisieren". Für Lufthansa ist der Einstieg Etihads zwar eine schlechte Nachricht, weil Air Berlin plötzlich in einen größeren Verbund integriert ist. Jedoch löst auch der neue Investor die grundsätzlichen Schwierigkeiten des Unternehmens nicht automatisch.

Etihad erwirbt den größten Teil der Air-Berlin-Aktien per Kapitalerhöhung. Der neue Eigner zahlt 2,31 Euro pro Aktie, insgesamt also knapp 73 Millionen Euro. Darüber hinaus stellt er Air Berlin einen über fünf Jahre laufenden Kredit von bis zu 255 Millionen Dollar zur Verfügung. Er soll offiziell dem weiteren Ausbau der Flotte und des Streckennetzes dienen - tatsächlich aber dürfte Air Berlin das Geld schlicht benötigen, um die Zeit bis zur Sanierung zu überbrücken. Mehdorn müht sich, die Dramatik aus der Sache zu nehmen: "Unsere Strategie war erfolgreich, das sieht man am Wachstum." Für die Verluste macht er vor allem "externe Faktoren" verantwortlich.

Dass einmal ein strategischer Investor in Sachen Air Berlin weiterhelfen müsste, kommt nicht überraschend. Hunolds Schöpfung hat seit dem Börsengang 2006 nur zweimal einen minimalen Gewinn erwirtschaftet, ansonsten aber zum Teil hohe Verluste eingefahren. Allein 2011 rechnen Analysten mit 200 Millionen Euro Verlust. Im August war der langjährige Chef Hunold wegen der Dürre im Bilanzwerk zurückgetreten und hatte an Aufsichtsrat Mehdorn übergeben. Öffentlich betonte der neue Chef stets, Air Berlin könne sich aus eigener Kraft sanieren - doch er begann schon bald mit der Suche nach einem Investor mit tiefen Taschen.

Air Berlin wird Zubringer für Etihad

Kritiker werfen Air Berlin seit Jahren eine unklare Strategie vor. Im Vergleich zu Lufthansa, Ryanair, Easyjet oder Air France-KLM ist das Unternehmen klein - und es hat doch versucht, etliche Geschäftsfelder gleichzeitig abzudecken. Air Berlin ist Ferienflieger, betreibt ein dichtes innerdeutsches Streckennetz, hat von LTU Langstrecken übernommen und lockt hier Geschäftsreisende. 2012 will die Airline der Oneworld-Allianz beitreten, woran sich trotz des Einstieges von Etihad nichts ändern soll.

Etihad steigt bei Air Berlin ein: Noch vor Weihnachten sollte unbedingt ein Deal her: Stewardessen von Etihad und Air Berlin auf der Pressekonferenz.

Noch vor Weihnachten sollte unbedingt ein Deal her: Stewardessen von Etihad und Air Berlin auf der Pressekonferenz.

(Foto: AP)

Durch den Einstieg der Reichen aus Abu Dhabi droht das Air-Berlin-Modell noch komplexer zu werden: Nun kommt noch die Rolle als Zubringer für Etihad hinzu. Ein Teil der Langstrecken wird jetzt über Abu Dhabi geführt. Die arabische Fluggesellschaft verspricht sich von dem Deal vor allem ein dichtes europäisches Zubringernetz für eigene Flüge.

Etihad hat jüngst Flüge nach Düsseldorf aufgenommen, einer großen Air-Berlin-Basis. Air Berlin wiederum verlegt den bisherigen Dubai-Flug nach Abu Dhabi. Die beiden werden große Teile ihrer Verbindungen künftig als Gemeinschaftsflüge vermarkten und die Vielfliegerprogramme gegenseitig anerkennen. Auf beiden Seiten werde das zu Zusatzerlösen von bis zu 40 Millionen Euro im ersten Jahr führen. "Wir gehen davon aus, dass das in den Folgejahren noch mehr wird", so Hogan.

Branchenkreisen zufolge hat vor allem der Etihad-Chef zuletzt viel Druck gemacht, um die Transaktion noch vor Weihnachten zu vollenden. Der Australier verbrachte das gesamte Wochenende für Verhandlungen in Berlin; dann war die Einigung im Prinzip perfekt. Der Verwaltungsrat von Air Berlin stimmte erst am späten Sonntagabend zu. In einem Brief an die Mitarbeiter schreibt Hogan, der Montag sei "einer der wichtigsten Tage in der Geschichte von Etihad". Die Firma werde sofort positive Effekte feststellen, weil man Zugang zur Air-Berlin-Kundenbasis von 33 Millionen Passagieren pro Jahr habe.

Verkäufer Mehdorn redete parallel mit mehreren Interessenten, etwa der chinesischen HNA Group (Hainan Airlines). Das wiederum schreckte Etihad-Chef Hogan. Dessen Schlussangebot war dann "zu gut, um nein zu sagen", sagt ein Air-Berlin-Mann. Die Finanzaufsicht BaFin will die Vorgeschichte des Deals aber noch mal überprüfen: Vor zwei Wochen hatte Etihad einen Bericht dementiert, demzufolge ein Abschluss unmittelbar bevorstehe; über die Verhandlungen mit Air Berlin hatte erstmals die SZ im November berichtet.

Doch dann musste es sehr schnell gehen. Die Gaben aus dem Morgenland werden dringend gebraucht.

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