Altersvorsorge:Der Staat muss Ausdauer belohnen

Sonnenuntergang am Meer

Schon jetzt ist abzusehen, dass es Union und SPD nicht mehr schaffen werden, die private Altersvorsorge gerechter zu gestalten.

(Foto: Matthias Balk/picture alliance / dpa)

Die Sparer in Deutschland entdecken die Aktienanlage. Wer langfristig anlegt, etwa mit ETF oder anderen Fonds, wird aber immer noch vom Fiskus bestraft. Das muss sich ändern.

Kommentar von Thomas Öchsner

Liebe ist ein großes Wort. Man kann seine Partnerin oder seinen Partner lieben, vielleicht auch seinen Hund oder seine Katze. Insofern ist das Wort Liebe etwas übertrieben, wenn es um die Beziehung von Anlegern zu ihren Wertpapieren geht. Das Deutsche Aktieninstitut schwadronierte kürzlich trotzdem von einer "neuen Liebesgeschichte", die sich in Deutschland zwischen Privatanlegern und ihren Aktien entwickelt habe. Richtig daran ist: Die Beziehung verändert sich gerade, auch weil es für Erspartes keine oder kaum noch Zinsen gibt. Zunehmend mehr Menschen legen Geld in Aktien oder gerne auch in Indexfonds (ETF) an, die einen Börsenindex wie den Dax nachbilden. Nur, die Bundesregierung hat das Thema leider bislang verschlafen.

Noch immer werden Aktien verteufelt. Vor allem die SPD und die Linken sehen darin in erster Linie Instrumente für Spekulanten, denen es nur um ihren schnellen Profit geht. Gewiss, solche Anleger gibt es natürlich. Dabei wird aber vergessen, dass Aktien, Aktienfonds und kostengünstige ETF hervorragend dazu geeignet sind, sich langfristig eine zusätzliche Altersvorsorge zusammenzusparen. Genau hier liegt ihr Charme: Wer über Jahrzehnte so - das Geld breit gestreut - anlegt, nicht panisch alles verkauft, wenn die Kurse wie vor einem Jahr wegen der Corona-Krise tief sinken, konnte sich bislang stets über ordentliche Erträge von im Durchschnitt sechs, sieben Prozent oder mehr pro Jahr freuen.

Die Besteuerung von Anlagen für die Altersvorsorge ist ein einziges Kuddelmuddel

Was aber macht die Politik in Deutschland? Sie bestraft nicht nur Spekulanten, sie bestraft auch diejenigen, die von ihrem Haushaltsbudget vielleicht mühsam 50 oder 100 Euro im Monat für ein oder zwei ETF abzwacken und dann nach 20 oder 30 Jahren feststellen müssen, dass ihre Kursgewinne gar nicht steuerfrei sind, sondern davon der Fiskus 25 Prozent Abgeltungsteuer plus Solizuschlag einkassiert. Gekniffen sind also ausgerechnet auch die Bürger, die das tun, was die Politiker gebetsmühlenartig von ihnen einfordern: zusätzlich für den Ruhestand vorsorgen, weil die gesetzliche Rente allein und die betriebliche Altersvorsorge, wenn überhaupt vorhanden, dafür nicht reichen.

Derzeit ist die Besteuerung von Vorsorgeprodukten ein einziges Kuddelmuddel. Anleger an den Börsen werden anders besteuert als Riester-Rentner , und die wiederum anders als Sparer mit einer Lebensversicherung oder Eigentümer einer Immobilie. Für Letztere gilt: Wer als Privatperson eine Immobilie erwirbt, diese vermietet und nach zehn Jahren verkauft, kann den Gewinn kassieren, ohne einen Cent Steuern zahlen zu müssen.

Diese Privilegierung von Immobilien-Eigentümern will die SPD nun abschaffen, so steht es in ihrem Wahlprogramm. Gewonnen ist dadurch nichts, außer ein paar Steuern mehr. Bestraft werden aber diejenigen, die eine Immobilie zur Altersvorsorge nutzen oder zum Beispiel Arbeitnehmer mit einem selbst genutzten Haus oder einer Wohnung, die für einen neuen Arbeitsplatz umziehen müssen und für den Kauf einer neuen Immobilie dann nach Abzug von Steuern weniger Eigenkapital hätten. Hilfreich wären hingegen faire, gerechte steuerliche Anreize für diejenigen, die nachweislich zusätzlich fürs Alter vorsorgen, in welcher Form auch immer. Das wäre auch über gestaffelte Steuern möglich: Je länger die Haltedauer, desto geringer sollte der pauschale Steuersatz sein, bis nach frühestens zehn Jahren gar keine Steuern mehr anfallen.

Schon jetzt ist allerdings abzusehen, dass es Union und SPD, so wie im Koalitionsvertrag geplant, nicht mehr schaffen werden, die private Altersvorsorge gerechter zu gestalten. Es wird die Aufgabe der nächsten Regierung sein, die gerade aufblühende Aktienkultur zu fördern. In einer schwarz-grünen Koalition sollte dies gelingen. Dann könnte aus der "neuen Liebesgeschichte" zumindest eine lange Freundschaft werden.

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