ETFs:MSCI wirft Russland-Aktien raus

ETFs: Demonstranten in Amsterdam vorige Woche vor den niederländischen Büros von Gazprom. Der Konzern fliegt aus dem ETF-Index MSCI All Country World.

Demonstranten in Amsterdam vorige Woche vor den niederländischen Büros von Gazprom. Der Konzern fliegt aus dem ETF-Index MSCI All Country World.

(Foto: Richard Wareham/imago images)

Große Indexanbieter schmeißen russische Aktien aus ihren Kurskörben. In den ETFs von Privatanlegern könnten die Titel aber verbleiben. Wie kann das sein?

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Viele Abkürzungen in der Finanzwelt sind bei Privatanlegern kaum bekannt, aber eine unaussprechliche Buchstabenkombination hat es zu weltweitem Ruhm gebracht. Die vier Lettern MSCI sind in vielen Ländern zum Goldstandard für simples Investieren geworden. Denn MSCI konstruiert als Indexanbieter Tausende Aktienindizes, denen Anleger an der Börse folgen können. Wenn die Indexanbieter ihre Aktienkörbe neu zusammensetzen, werden sie so zum Wegweiser für Milliardensummen. Eine Macht, die die Finanzspezialisten nun voll ausspielen.

Der Finanzdienstleister MSCI hat nun entschieden, russische Aktien aus vielen seiner Indizes rauszuwerfen. Indem man russischen Aktien den Status als Schwellenlandtitel entzieht, können die Papiere in vielen bekannten Aktienbarometern nicht mehr enthalten sein. Wer als Anleger zum Beispiel in den Weltindex MSCI All Country World mit rund 3000 Aktien vom ganzen Globus investiert hat, fragt sich nun, was ab 09. März mit den russischen Titeln im eigenen Welt-ETF passiert.

Vorneweg: Für Privatanleger, die mit börsengehandelten Indexfonds (ETFs) eins zu eins weltweiten Aktienbarometern folgen, trifft das Aus für Russland-Aktien kaum. "Im Industrieländerindex MSCI World war Russland sowieso nicht vertreten", sagt ETF-Analyst Jan Altmann vom Analysehaus Just ETF. Auch im breiter gefassten MSCI All Country World mit rund 4000 Aktien aus 48 Ländern machte Russland vor Beginn des Ukraine-Kriegs nur rund 0,4 Prozent des Gewichts aus. Genau 17 russische Aktien fanden sich Ende Dezember im Index, vom Diamantenproduzenten Alrosa über den Gasriesen Gazprom bis hin zur VTB Bank.

Wie die ETF-Anbieter russische Aktien konkret aus ihren Anlageprodukten werfen dürften, unterscheidet sich. Manche ETFs bilden ihren Index eins zu eins ab (vollreplizierend), andere kaufen eine repräsentative Stichprobe aller Aktien (teilreplizierend), dritte bilden den Verlauf des Index über komplizierte Finanzgeschäfte künstlich nach (synthetisch). Da der Anbieter Lyxor seinen ETF auf den MSCI All Country World künstlich nachbildet, finden sich dort sowieso keine russischen Aktien im Fonds, er dürfte also kaum Umstellungsprobleme haben.

Andere Anbieter wie iShares oder SPDR kaufen eine repräsentative Aktienstichprobe, um dem MSCI All Country World zu folgen. So hielt der ETF auf den MSCI All Country World des Anbieters SPDR zur letzten detaillierten Offenlegung Ende September rund 15 russische Aktien. Wenn die Titel am 09. März dann aus dem MSCI-Index fliegen, haben die ETF-Anbieter ein Problem: Wie können sie die Aktien ganz praktisch loswerden? In Russland dürfen Broker auf Weisung von Ausländern schließlich keine Aktien mehr verkaufen, an anderen Börsen ist der Handel ausgesetzt.

Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung teilte der Anbieter SPDR mit, wie er mit den Aktien ab dem 09.03. verfahren will: "Wenn wir die Aktien dann nicht verkaufen können, bleiben sie erst einmal im ETF enthalten - momentan allerdings zu Werten nahe null", sagt Matteo Andreetto von SPDR. So könnte die kuriose Situation entstehen, dass die russischen Aktien nicht mehr Teil des Index sind, im ETF selbst aber noch enthalten sein könnten.

Die Logik dahinter: "Vielleicht können die ETF-Anbieter später auf inoffiziellen Handelsplätzen versuchen, dafür noch einen irgendeinen Preis zu bekommen", sagt ETF-Experte Gerd Kommer von der Anlagegesellschaft GKC. Momentan allerdings sind russische Aktientitel außerbörslich offenbar nicht verkäuflich. Aus Finanzkreisen heißt es, dass momentan nicht einmal Hedgefonds derzeit noch im Markt seien, um die Russland-Aktien zu Schnäppchenpreisen aufzuschnappen und auf bessere Zeiten zu warten. Sicher ist derzeit nur eines: Privatanleger selbst müssen sich bei der Umstellung um nichts kümmern, alle Arbeit übernimmt der ETF-Anbieter.

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