ETF-Markt:Der günstige Moment

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Im Zeichen des Bullen: Börsengehandelte Fonds (Exchange Traded Funds, ETF) sind im Aufwärtstrend.

(Foto: Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Neuerdings müssen Anbieter die Kosten von Finanzprodukten offenlegen. Dabei schneiden an der Börse gehandelte Fonds besonders gut ab. Das könnte der Anlageform hierzulande zum Durchbruch verhelfen.

Von Norbert Hofmann

Das Analysehaus Morningstar traut dem europäischen Markt für börsengehandelte Fonds (ETF) einen großen Sprung zu. In fünf Jahren könnte das Volumen der Finanzprodukte fast das Dreifache von heute ausmachen und auf zwei Billionen Euro anwachsen, nachdem es sich in den vergangenen fünf Jahren bereits verdoppelt hat. Für einen weiteren Anstieg der Produkte, die lediglich einen bestimmten Index abbilden, sprechen die niedrigen Kosten.

Bislang entfallen auf den ETF-Markt erst rund 17 Prozent des insgesamt in Europa verwalteten Vermögens. Die Finanzmarktrichtlinie Mifid II, die den Anlegerschutz stärken soll, könnte den Kostenfaktor noch mehr in den Fokus der Anleger rücken und der Branche so weiteren Auftrieb verleihen. Banken und Fondsplattformen müssen demnach von diesem Jahr an in einem jährlichen Bericht unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten eines Finanzprodukts genau nachweisen (Ex-post-Transparenz). Bereits seit 2018 haben die Verkäufer ihre Kunden vorab über die beim Erwerb anfallenden Kosten zu informieren (Ex-ante-Pflicht). "Die Mifid-II-Richtlinie hat dem ETF-Markt schon jetzt eine Menge gebracht, weil sie bei Privatanlegern die Kosten der Finanzberatung noch stärker ins Bewusstsein ruft", sagt Morningstar-Analyst Ali Masarwah.

Große Anbieter können meist günstigere Preise bieten

Ein Verbot für Vertriebsprovisionen wie in Großbritannien und den Niederlanden gibt es in Deutschland zwar nicht. Viele Anleger kaufen aber lieber einen leicht verständlichen Indexfonds, als für aktiv gemanagte Fonds Vermittlungsprovisionen - sogenannte Kickbacks - zu zahlen.

Allerdings gibt es auch zwischen den einzelnen ETF Kostenunterschiede. Große Fonds etwa können ihre Fixkosten leichter auf die Masse verteilen und so Renditevorteile bieten. Weil bei solchen ETF auch mehr Investoren Anteile handeln, schmilzt zudem die Spanne zwischen An- und Verkaufspreisen an der Börse. Kein Wunder, dass in Europa immer wieder viele Anlegermittel den größten Anbietern zufließen. Ganz vorn liegen die großen drei, die rund zwei Drittel des verwalteten Vermögens auf sich vereinen: die Société-Générale-Tochter Lyxor, die Blackrock-Marke iShares und der zur Deutschen Bank gehörende Anbieter X-Trackers. Die Großen stärken ihre Position zudem durch Übernahmen. So hat Invesco, ebenfalls aus dem Kreis der Top Ten, den Konkurrenten Source gekauft. Das ETF-Geschäft der Credit Suisse ist unter das Dach von iShares geschlüpft, und im Mai dieses Jahres hat Lyxor den Kauf des ETF-Bereichs Comstage von der Commerzbank vollzogen.

Die Großen machen den Markt dennoch nicht unter sich aus. Kleinere Anbieter können sich mit Nischenprodukten wie etwa Indizes für kleinere Regionen oder Hochzinsanleihen profilieren. Gleichzeitig werben renommierte Adressen wie Fidelity, J. P. Morgan und Franklin Templeton, die Anleger bislang eher aus dem Bereich aktiv gemanagter Fonds kennen, auch um ETF-Anleger. "Diese neuen Player bringen genug Größe und langen Atem mit, um im Markt bestehen zu können", sagt Masarwah. Der Konkurrenzkampf ist intakt. "Die Anleger profitieren vom Wettbewerb durch ein großes Produktangebot, geringere Kosten und noch mehr Transparenz", sagt Heike Fürpaß-Peter von Lyxor.

Auch der Indexfonds-Pionier Vanguard aus den USA wirbt verstärkt um deutsche ETF-Anleger. Eigentümer des Investmentunternehmens sind die US-Fonds selbst und damit deren Anleger in den USA. "Wir streben vor allem mit ETF auf die Kernanlageklassen Aktien und Anleihen große Volumen an und können daraus resultierende Kostenvorteile aufgrund unserer genossenschaftlichen Struktur an die Anleger weitergeben", sagt Deutschland-Chef Sebastian Külps. Ihm ist es ein Anliegen, ETF mit der für sie typischen breiten Risikostreuung noch stärker als ideales Instrument für die langfristige Anlage zu positionieren.

Mit wachsendem Marktvolumen gewinnen die großen Anbieter im Markt auch an Einfluss. Indem sie die Stimmrechte der Fondsanleger wahrnehmen, können sie die Geschäftspolitik der Firmen, in die sie investieren, hinterfragen. Das gilt auch mit Blick auf eine soziale und nachhaltige Unternehmensführung. "Wir nehmen Stimmrechte schon jetzt wahr und wollen es künftig noch mehr tun", sagt Fürpaß-Peter von Lyxor. Aber bekommen ETF-Anbieter nicht zu viel Macht? Külps von Vanguard sieht das nicht so. "Wir stehen mit den Unternehmen im konstruktiven Dialog und wollen sie dabei unterstützen, langfristig und nachhaltig Wert für alle Anteilseigner zu schaffen." Aber man wolle sie nicht stark in ihrer Strategie beeinflussen oder gar ihr Geschäftsmodell ändern. Nahebringen will Vanguard im Dialog dennoch einige Kernanliegen. Das reicht von einer leistungsorientierten Vergütung des Managements über kompetente Aufsichtsgremien bis hin zur Diskussion um Nachhaltigkeit.

Dem ETF-Markt insgesamt könnte der Trend zu noch mehr digitalen Anlageangeboten durch sogenannte Fintechs zusätzlich Auftrieb geben. Dazu gehören Fonds-Plattformen für den Kauf und Verkauf ebenso wie Robo-Advisors, die standardisierte Online-Anlageempfehlungen anbieten. "ETF eignen sich für solche digitalen Modelle, die ohne Vertriebsprämien arbeiten", sagt Külps. Direktbanken haben bereits entscheidend zum Markteintritt der Fonds beigetragen. "Fintechs könnten weitere Veränderungen hin zu einer Art Amazon-Angebot des Investierens bringen und das Thema ETF noch mehr in die Breite tragen", betont Fürpaß-Peter.

Ein weiterer Treiber ist die Produktvielfalt. Dazu gehören auch ETF, die auf Themen wie künstliche Intelligenz ausgerichtet sind. Darüber hinaus haben semi-aktive Produkte ihren Platz im Markt gefunden. Sie investieren in einen Index, der gezielt bestimmten, vorher definierten Faktoren gerecht wird. "In Deutschland erfreuen sich beispielsweise Dividenden-ETF, die den Fokus auf Aktien mit hohen und kontinuierlichen Ausschüttungen in der Vergangenheit legen, hoher Nachfrage", sagt Masarwah.

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