GeldanlageWenn ein Aktienfonds plötzlich doch nicht mehr grün ist

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Doch nicht so grün wie gedacht? Viele Fonds sind trotz Nachhaltigkeit im Titel auch in fossile Energien investiert.
Doch nicht so grün wie gedacht? Viele Fonds sind trotz Nachhaltigkeit im Titel auch in fossile Energien investiert. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Viele vermeintlich nachhaltige Fonds halten noch immer Anteile an fossilen Konzernen. Neue Vorgaben zwingen Anbieter zum Handeln. Doch statt fossile Investitionen zu streichen, benennen sie Dutzende ihrer Fonds kurz vor Fristende einfach um.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Fondsanbieter stehen seit Langem in der Kritik, weil ihre vermeintlichen Nachhaltigkeitsfonds in Wirklichkeit oft weniger „grün“ sind, als es die Produktnamen suggerieren. Für zusätzliche Verwirrung sorgten paradoxerweise EU-Vorgaben, die zwar auf Transparenz abzielten, es jedoch ermöglichten, dass auch expandierende Öl- und Gasunternehmen in „nachhaltigen“ Fonds enthalten waren – obwohl gerade diese Konzerne die Einhaltung der Klimaziele teils systematisch behindern.

Um Anlegern nicht nur Transparenz, sondern auch Klarheit zu bieten, hat die europäische Fondsaufsicht ESMA einheitliche Namensregeln für Nachhaltigkeitsfonds eingeführt. Wertpapierfonds, die Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Umwelt“ oder „Impact“ im Namen tragen, müssen spätestens bis Ende Mai strengere Ausschlusskriterien für Investitionen in Kohle-, Öl- und Gasgeschäfte erfüllen. Zudem schreibt die ESMA vor, dass mindestens 80 Prozent des Fondsvermögens auch wirklich nach dem beworbenen ESG-Ansatz investiert werden. ESG steht für Umwelt (Environment), Soziales und Governance (gute Unternehmensführung). Die Richtlinie ist zwar bereits im November 2024 für neu aufgelegte EU-Fonds in Kraft getreten; für bestehende Produkte endet die Übergangsfrist aber erst am 21. Mai 2025.

Kurz vor Ablauf der Frist scheint nun plötzlich Betriebsamkeit ausgebrochen zu sein bei den großen Fondsgesellschaften. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, haben sie Dutzende Fonds mit Nachhaltigkeitsbezug im Namen entweder einfach umbenannt oder aber die Anlagerichtlinien angepasst, sodass sie die strengeren Vorgaben der ESMA immerhin jetzt erfüllen.

Union Investment, deren Fonds in Volksbanken vertrieben werden, will beispielsweise zehn ihrer 13 zentral angebotenen Nachhaltigkeitsfonds umbenennen – meist wird dabei der Begriff Nachhaltigkeit gestrichen. Den Fonds „Uni Nachhaltig Aktien Dividende“ will das genossenschaftliche Institut aus wirtschaftlichen Gründen ganz auflösen.

Die Deutsche-Bank-Tochter DWS teilte zwar mit, dass es bei ihren Fonds nur geringfügige Anpassungen gegeben habe, die unmittelbar auf die ESMA-Regeln zurückzuführen gewesen seien. Außerdem passe sie ihre Produktpalette ohnehin regelmäßig an, falls erforderlich. Tatsächlich aber gab es auch bei der DWS kurz vor der Deadline mehrere Änderungen: Wie aus veröffentlichten Mitteilungen an die Anteilsinhaber hervorgeht, musste auch die DWS die Verkaufsprospekte für zahlreiche ESG-Fonds den neuen ESMA-Leitlinien anpassen. Zudem benannte auch die DWS mehrere Fonds um, darunter sogar den gerade erst prominent beworbenen „Frauenfonds“ „DWS Invest ESG Women for Women“, der nun „DWS Invest ESG Social Focus“ heißen soll. Zuvor hieß es im Verkaufsprospekt, der Fonds habe einen starken Fokus auf Diversität und Gleichberechtigung. Jetzt heißt es vage, das Fondsmanagement nutze ein Bewertungsmodell, das allgemeine soziale und Diversitätsthemen berücksichtige.

Auch Allianz Global Investors hat die Namen von acht Fonds geändert. Bei der Mehrheit der betroffenen Produkte wurden laut Unternehmensangaben jedoch die Anlagerichtlinien angepasst, sodass die Fondsbezeichnungen erhalten bleiben konnten. Die Deka, die Fondsgesellschaft der Sparkassen, hat laut einer Liste sogar mindestens 36 Fonds umbenannt, bei denen Begriffe wie ESG oder Nachhaltigkeit im Namen standen.

„Glaubwürdigkeit eines Marktes untergraben“

Kritiker halten diese Änderungen für überfällig. „Es ist ein Skandal, dass Fonds, die als ‚nachhaltig‘ vermarktet wurden, nun umbenannt werden müssen, weil sie nicht länger in großem Stil in fossile Energieunternehmen investieren dürfen“, sagt Alison Schultz von der bankenkritischen Organisation Finanzwende. „Das zeigt, dass viele Anbieter bisher kein Problem damit hatten, ihre Fonds als ‚nachhaltig‘ zu labeln und gleichzeitig Milliarden in die fossile Industrie zu investieren.“ Dies habe nicht nur Verbraucherinnen und Verbraucher getäuscht, sondern auch Kapital, das eigentlich der ökologischen Transformation dienen sollte, fehlgeleitet. Besonders verantwortungslos sei, dass sich viele Anbieter lediglich für eine Umbenennung entschieden – statt fossile Investitionen konsequent aus ihren Fonds auszuschließen. Damit würden sie das Vertrauen der Anleger missbrauchen und die Glaubwürdigkeit eines Marktes untergraben, der nur funktioniere, wenn ein Produkt halte, was es verspreche.

Wie gravierend die Missstände sind, zeigen aktuelle Recherchen der Nichtregierungsorganisationen Urgewald und Facing Finance. Sie deckten auf, dass viele europäische ESG-Fonds – die sogenannten Artikel-8- und Artikel-9-Fonds – weiterhin massiv in fossile Unternehmen investieren. Von mehr als 14 000 analysierten ESG-Fonds, die in europäischen Ländern gehandelt werden, investierten mehr als ein Drittel (4 792 Fonds) zusammen mehr als 123 Milliarden Euro in Unternehmen, die entweder neue fossile Projekte vorantreiben oder keinen glaubwürdigen Ausstiegsplan aus der Kohle vorgelegt haben.

„Wenn ein Fonds sich ‚nachhaltig‘ nennt und zugleich in fossile Expansion investiert, ist das Irreführung“, sagt Alison Schultz. „Solche Produkte hätten längst sanktioniert werden müssen.“ Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin sei gefordert, künftig konsequenter durchzugreifen. Immerhin, ein erstes Zeichen wurde bereits gesetzt: Die Frankfurter Staatsanwaltschaft verhängte kürzlich ein Bußgeld von 25 Millionen Euro gegen die DWS – die erste Greenwashing-Strafe dieser Art in Europa.

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