Das Ende von Escada hatte sich schon länger angekündigt, doch am Schluss ging es dann ganz schnell: Am Dienstagabend kurz vor 22 Uhr gab Deutschlands größtes Modelabel bekannt, dass es Insolvenz anmelden muss.

Nicht einmal die Hälfte der Gläubiger wollte auf Geld verzichten und das Angebot für den Umtausch einer Escada-Anleihe annnehmen. 80 Prozent hätten es sein müssen. Nur dann wollten die Banken weiter Geld geben.
Die dringend notwendige Kapitalerhöhung fiel aus und das bedeutete das vorläufige Ende der einstigen Münchner Erfolgsstory in der glitzernden Welt des internationalen Modegeschäfts.
Dabei fing 1976 alles so pittoresk an: Der junge deutsche Unternehmer Wolfgang Ley traf das schwedische Top-Model Margaretha und sie gründen eine Modefirma, benannt nach einem Rennpferd.
Ein echtes Erfolgsduo
Damals in der Haute-Couture-Epoche von Chanel, Versace, Gucci und Armani standen sie für extravaganten Stil. Ley, der damals schon Kleider für das Modehaus Beck kreierte, ließ sich von Margaretha für eine eigene Kollektion gewinnen.
Das Duo hatte Erfolg: Margaretha schneiderte aparte, feminine - und was die Farben anbelangt - grelle Kleider. Die berühmten Goldknöpfe waren ihre Idee - als Tribut an die "überquellende Lebensfreude der achtziger Jahre".
Gleichzeitig brachte Wolfgang, der begnadete Verkäufer, Margarethas Mode an die Frau. Escada wurde größer und größer und entwickelte sich zu einem erfolgsverwöhnten und arrivierten Modekonzern von zuletzt weltweit mehr als 4000 Beschäftigten.
Der erste Einschnitt kam als Margaretha 1992 im Alter von nur 59 Jahren starb. Das Tandem verlor den kreativen Kopf und in der Folge die gestalterische Linie. In den schweren Zeiten verzettelte sich der Witwer zudem. Das Geld aus dem Börsengang investierte er in Zukäufe wie Kemper und Schneberger, die sich als Sanierungsfälle erwiesen.
Die Banken greifen ein
Bei Escada setzte eine Zeit des Kommen und Gehens ein. Viele Manager und Designer heuerten an und sprangen alsbald wieder ab, nur einer blieb: Wolfgang Ley, inzwischen das eigentliche Problem. Denn Ley konnte zwar schon immer gut mit Menschen, war ein harter Arbeiter und verstand auch etwas von Mode. Doch ein guter Manager war er nicht, vor allem nicht in harten Zeiten.
1998 griffen die Hausbanken ein: Der erfahrene Manager Peter Zühlsdorff wurde zum Aufsichtsratschef bestellt; er sollte dem Gründer helfen, den Übergang in die Ära nach Ley zu schaffen. Doch dann kam die nächste Zäsur: Nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 dachten die Verbraucher an vieles, nur nicht unbedingt an Luxusartikel - Escada geriet in eine schwere Existenzkrise.
Ley suchte schon damals verzweifelt frisches Kapital, doch auch die langjährigen Hausbanken HypoVereinsbank und Deutsche Bank verweigerten sich - zu unsicher erschien ihnen die Zukunft des Modehauses.
Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie Escada in die Hand eines russischen Investors geriet.
Im letzten Moment sprang ein geheimnisvoller Investor ein - die weitgehend unbekannte Firma HMD, eine Abspaltung der Venture-Capital-Gesellschaft Texas Pacific Group. HMD blätterte 2003 für einen 27-Prozent-Anteil 45 Millionen Euro hin und rettete damit Escada.
Zwei Jahre nach dem Einstieg konnten der neue Großaktionär und Zühlsdorff Ley schließlich zum Ausstieg überreden. Als "Creative Chairman" und ausgestattet mit einem Beratervertrag bis Ende 2008 behielt der Gründer formal zwar eine wichtige Rolle im Unternehmen, doch de facto war er entmachtet.
Auf Ley folgte Frank Rheinboldt - ein Nachwuchsmanager, der bereits seit 15 Jahren bei Escada war. Doch für den 42-Jährigen sollte der Job an der Escada-Spitze nur ein kurzes Intermezzo werden. Denn kurz nach seiner Bestellung zeigte sich erstmals, wer wirklich hinter HMD steckte - der Investor Rustam Aksenenko, Sohn des einstigen russischen Eisenbahnministers Nikolai Aksenenko, der in der Boris-Jelzin-Ära auf dem richtigen Posten saß, um schnell zu viel Geld zu kommen.
Ungeduldiger Investor
Aksenenko machte Rheinboldt schnell klar, dass er inzwischen ungeduldig geworden war. Im Mai 2007 setzte der Russe auf der Hauptversammlung schließlich seinen Gefolgsmann, den Franzosen Jean-Marc Loubier, als Nachfolger Rheinboldts durch.
Zunächst sah es so aus, als ob die Sanierung des Modehauses nun tatsächlich - wie von Aksenenko gefordert - mehr Tempo aufnahm. Loubier kündigte an, unrentable Filialen zu schließen, das Geschäft mit Accessoires auszubauen und sich auf die Kernmärkte China, USA und Deutschland zu konzentrieren.
Doch dann floppte die neue Kollektion, Escada musste die Prognose für das laufende Geschäftsjahr erneut senken. Im Frühjahr 2008 verschärfte sich die Krise weiter: Schwaches Interesse an der Herbst-Winter-Kollektion bescherte dem Unternehmen nochmals sinkende Umsätze und Verluste.
Doch im Sommer 2008 keimte dann wieder Hoffnung auf: Die Tchibo-Eigner Wolfgang und Michael Herz stiegen bei Escada ein und verpassten dem Konzern eine neue Führungsspitze. Neuer Vorstandsvorsitzender wurde der frühere Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer. Der dritte Vorstandschef binnen zweieinhalb Jahren übernahm den Konzern mit roten Zahlen.
Auch Netrebko kann nicht helfen
Im Frühjahr 2009 wurde die ganze Misere schließlich offenkundig. Es half alles nichts: Dass Stars wie Anna Netrebko und Angelina Jolie oder Bayerns frühere First Lady Karin Stoiber Escada tragen, konnte die bilanzielle Schieflage nicht mehr verhindern - das Unternehmen kämpfte endgültig ums Überleben.
Nach einem Verlust von 70 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2007/08 (31. Oktober) und roten Zahlen auch im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres nahm Finanzvorstand Markus Schürholz erstmals das Wort "Insolvenz" in den Mund. Er könne sie nicht mehr ausschließen, so der Manager schon damals.
In einem letzten verzweifelten Rettungsversuch verlangte der von der Pleite bedrohte Konzern im Juni 2009 schließlich finanzielle Opfer von seinen Anlegern. Sie sollten auf mehr als die Hälfte einer Anleihe mit einem Volumen von 200 Millionen Euro verzichten. Der Schritt war Kernstück des finanziellen Notplans für Escada, doch die Aktionäre folgen ihm schließlich nicht mehr.
Ist die Insolvenz nun das endgültige Aus für Escada? Immerhin zeigt der Fall Rosenthal, das bekannte Marken auch nach einer Pleite Überlebenschancen haben. Auch für das Label Escada, das in Hollywood jeder kennt, könnte sich ein Investor finden lassen. Interesse wird beispielsweise dem US-Modekonzern Vanity Fair nachgesagt. Die Amerikaner könnten ihre Designlinie mit Escada zum Ramschpreis aufwerten. Ob dann noch Escada drin ist, wo Escada draufsteht, ist allerdings die Frage.