Escada geht in die Insolvenz:Die neue Kleiderordnung

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Escada war zwar irgendwie überall dabei, doch geholfen hat es nicht: Der Konzern muss in die Insolvenz - weil das echte Erfolgskonzept fehlt.

Caspar Busse und Christian Mayer

In einem für die Modebranche nicht unwesentlichem Bereich war Escada immer ziemlich erfolgreich - selbst als der Abstieg der Münchner Marke schon deutlich sichtbar war. Wenn irgendwie die Chance bestand, eine exponierte Dame der Gesellschaft mit einer Robe auszustatten, kannte die Großzügigkeit der Firma keine Grenzen. Im Eilverfahren erhielten Prominente die teuersten Kreationen, die manchmal in letzter Minute noch ins Hotel geliefert wurden.

Nicht genügend Käufer: die Kollektionen von Escada. (Foto: Foto: ddp)

Überall dabei

Das Signal an die Konkurrenz und die Kundinnen war klar: Escada ist überall dabei. Beim Wiener Opernball, wo die Sängerin Anna Netrebko in einem bordeauxfarbenen Abendkleid im Empire-Schnitt Werbung machte, beim Deutschen Fernsehpreis in Berlin, wo die deutsche Schauspielerin Johanna Wokalek als Escada-Repräsentantin über den roten Teppich schritt, und selbstverständlich bei fast allen gesellschaftlich relevanten Terminen in Bayern. Besonders in München gab es einen festen Kreis von Escada-Trägerinnen, die immer wieder von den großzügigen Leihgaben profitierten. Und man kann sich kaum daran erinnern, dass Karin Stoiber, die lange Zeit als gertenschlanke First Lady im Münchner Outfit unterwegs war, überhaupt jemals eine andere Marke getragen hat.

Es hat alles nichts geholfen, denn trotz der prominenten Unterstützung - sogar Lady Diana trug das Label einst in die Welt - war Escada zuletzt nicht mehr angesagt. Trotz mancher Glanzpunkte in der neuesten Kollektion hatten die Produkte keinen glanzvollen Ruf mehr. Das Urteil von Modekritikern und Markenexperten fiel teilweise vernichtend aus: Vor allem wegen der ständigen Personalwechsel und internen Querelen hatte die Firma größte Schwierigkeiten, den Anschluss an die Konkurrenz zu halten; das Image der verstaubten Eleganz klebte am Label wie der Golddekor der achtziger Jahre an manch feiner Robe.

"Eleganz, Farbe, Sinnlichkeit"

Selbst Escada-Chef Bruno Sälzer räumte Verirrungen ein und forderte: "Wir wollen wieder deutlich machen, wofür wir stehen: Eleganz, Farbe, Sinnlichkeit und Glamour sind unser Geschäft". Doch gerade daran fehlte es zuletzt immer häufiger. Wie verzweifelt die Firma um Erneuerung bemüht war, konnte man am besten im Flagshipstore der jüngeren und weniger exklusiven Escada-Sport-Linie beobachten. Doch selbst im Vorzeige-Geschäft in der Münchner Maximilianstraße sah man oft mehr arabische Prinzessinnen und reiche Russinnen als einheimische Kunden. Der Laden in New York musste sogar mangels Nachfrage geschlossen werden.

Dass nun in der deutschen Modebranche ein großes Wehklagen über das Ausscheiden des gescheiterten Konkurrenten zu hören ist, war ohnehin nicht zu erwarten. Aber es überrascht schon, dass Escada als absoluter Einzelfall gesehen wird, als Beispiel für Missmanagement und mangelnde Markenpflege. Bei Hugo Boss etwa verweist man darauf, dass man bisher noch relativ gut durch die Krise gekommen sei. Das Unternehmen aus Metzingen hatte zuletzt stark unter dem neuen Großinvestor zu leiden: Der Finanzinvestor Permira zog unter anderem massiv Geld bei Boss ab.

Vorteil der Berechenbarkeit

Und doch verzeichnete Boss im ersten Halbjahr 2009 zwar auch einen Umsatzverlust von knapp fünf Prozent, ist damit aber deutlich weniger von der Krise auf dem Modemarkt betroffen als die inländischen Konkurrenten, die im Schnitt zehn Prozent weniger Umsatz machen. Das hat auch damit zu tun, dass Boss - anders als Escada - nicht so stark im Luxussegment Geschäfte macht, sondern sich eher der kommerziellen Mode für die Mittelschicht verschrieben hat. Diese Kunden -darunter viele Geschäftsleute - sind einigermaßen berechenbar und weniger auf Trends in der Haute Couture fixiert.

Ohnehin macht Boss nur noch zwanzig Prozent seiner Geschäfte in Deutschland. Gleichwohl wittert man in Metzingen durch die bevorstehende Insolvenz von Escada eine Chance: "Starke Marken profitieren in Krisenzeiten, da kann man sogar Marktanteile gewinnen", sagt Boss-Sprecher Philipp Wolff. Der Börsenkurs von Boss reagierte zunächst auch mit einem Plus auf die angekündigte Insolvenz von Escada. Auch bei Wunderkind, dem noch jungen Label des deutschen Mode-Zampanos Wolfgang Joop, herrscht verhaltener Optimismus. Einen Umsatzrückgang konnte die in Potsdam ansässige Firma bisher vermeiden, "die Entwicklung ist stabil", sagt ein Firmensprecher - der 64-jährige Designer darf also weiter davon träumen, die Laufstege in Paris und Mailand zu erobern.

Insgesamt reagiert die Konkurrenz auf die Krise aber mit Zurückhaltung. Nach Jahren des Wachstums verzeichnet die gesamte deutsche Bekleidungsindustrie jetzt Rückgänge, vor allem auch aufgrund rückläufiger Exporte. Weniger Experimente bei den Kollektionen, Konzentration auf das Kerngeschäft, Reduktion des Angebots - so sieht die Notlösung bei vielen Firmen aus.

Doch das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, findet Gerd Strehle, der im Familienunternehmen Strenesse am liebsten selbst die Fäden zieht. Das mögliche Ende von Escada sei bedauerlich und ein schwerer Verlust für die Branche, sagt Strehle. Eine ähnliche Entwicklung sei bei Strenesse aber ausgeschlossen, denn man könne mit einem inzwischen verkleinerten Angebot schneller und besser auf Kundenwünsche reagieren. 75 Millionen Euro Umsatz machte die Firma im vergangenen Jahr, dieses Ergebnis wird man wohl nicht erreichen - aber die Strategie, auf die Krise mit einer "kleinen, aber scharfen Kollektion" zu reagieren, soll sich auszahlen. "Wenn man weniger Einzelteile hat, dann kann auch jedes Teil richtig gut sein - und Kosten spart man auch", sagt der Unternehmer. Ein Konzept, dass möglicherweise auch bei Escada hätte erfolgreich sein können.

© SZ vom 13.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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