Escada-Eigentümerin Megha Mittal:"Sehr dynamisch, sehr fordernd"

Der Modekonzern Escada erklärt die Krise für beendet. Die neue Eigentümerin Megha Mittal über ihre Investition, das schwierige Fashiongeschäft, Familie - und die Frau von heute.

Caspar Busse und Hans-Jürgen Jakobs

Geschäftiges Treiben in der Escada-Zentrale: In dieser Woche wurde die neue Kollektion an den Vertrieb übergeben. Megha Mittal, 34, ist in München, gerade speiste sie mit Firmenchef Bruno Sälzer in der Kantine. Vor anderthalb Jahren ging Escada in die Insolvenz, es sah schlecht aus. Dann kaufte Megha Mittal die Modefirma. Die gebürtige Inderin, die mit ihrer Familie in London lebt, stammt aus einer Textilfabrikantenfamilie. Sie hat Wirtschaft studiert und arbeitete für die Investmentbank Goldman Sachs. Der Mittal-Clan, die den Stahlkonzern Arcelor-Mittal kontrolliert, zählt zu den reichsten Familien der Welt.

Megha Mittal 2011

Megha Mittal: "Eine Modemarke ist nie fertig. Mode ist eine immer fortwährende Reise."

(Foto: colorstorm digital)

SZ: Frau Mittal, Escada war einst Weltmarktführer. Mitte 2009 musste die Firma in die Insolvenz. Die Modemarke hatte ziemlich Staub angesetzt. Dann kamen Sie. Ist jetzt die Krise vorbei?

Megha Mittal: 2010 lief gut für uns, besser, als wir es geplant hatten. Die Schwierigkeiten waren schnell überwunden. Jetzt können wir sagen: Escada ist zurück auf der Bühne. Ich bin sehr stolz auf diese Wende - und auf alle, die mit viel Energie daran gearbeitet haben.

SZ: Es gab große Erwartungen nach Ihrem Einstieg. Wie weit sind Sie mit dem Plan gekommen, das neue Escada zu schaffen? Sind 2010 hundert Prozent erreicht worden?

Mittal: Ich weiß nicht, was hundert Prozent bedeutet. Eine Modemarke ist nie fertig. Mode ist eine immer fortwährende Reise, sehr dynamisch, sehr fordernd. Jede Saison haben wir eine neue Kollektion, die Nachfrage wandelt sich. Es ist ein bisschen wie im Filmbusiness. Ja, wir haben sehr viel geändert und sehr viel bewegt. Escada geht in die richtige Richtung.

SZ: Es reicht Ihnen offenbar nicht.

Mittal: In vielen Bereichen lief es besser als erwartet. Aber, wissen Sie: Ich will immer mehr.

SZ: Wie groß ist Ihr Anteil bei der Erneuerung von Escada?

Mittal: Ich muss die Marke, die Leute, die Strategie unterstützen. Am Anfang habe ich viel Zeit damit verbracht, den Leuten erst einmal zuzuhören und zu fragen, welche Verbesserungen und Lösungen sie im Kopf haben. Am Ende muss ich schauen, dass die Dinge eingehalten werden. Auch wenn ich jetzt ein Jahr hier bin - es ist immer noch eine frühe Phase. Klar ist für mich, dass Bruno Sälzer bisher einen wunderbaren Job gemacht hat. Er hat viel Erfahrung und geht die Dinge sehr professionell an. Wir haben eine sehr gute Arbeitsbeziehung. Ich verbringe viel Zeit mit Reisen und schaue mir auch die großen Märkte an. Escada ist in 80 Ländern vertreten und hat eine eigene Produktion in Slowenien.

"Mode ist meine persönliche Wunschindustrie"

SZ: Welche Escada-Läden haben Ihnen auf Ihren Reisen am besten gefallen?

Mittal: Unser Store in New York, auf der Fifth Avenue, ist phantastisch. Und unser neuer Laden in München zeigt die veränderte Escada-Welt. In einer solchen Umgebung wirkt unsere neue Kollektion ganz anders.

SZ: Ihre Familie sitzt in London. Sie haben zwei kleine Kinder. Wie sind auf Dauer die Aufgaben als Mutter und als weltweit tätige Mode-Unternehmerin zu vereinbaren?

Mittal: Das ist eine konstante Herausforderung. Man lernt dazu. Ich wollte diesen Weg und glaube daran. Man lernt halt, seine Zeit besser zu nutzen und Prioritäten zu setzen. Und man muss akzeptieren, dass man nicht alles machen kann. Nach München komme ich ziemlich oft - manchmal nur für einen Tag, manchmal für zwei Tage. Viel habe ich von der Stadt noch nicht gesehen, leider.

SZ: Ihr Mann Aditya ist Finanzchef des Stahlkonzerns Arcelor-Mittal, den Ihr Schwiegervater Lakshmi aufgebaut hat. Ist Mode ein neuer Geschäftszweig der Dynastie?

Mittal: Mode ist meine persönliche Wunschindustrie. Schließlich habe ich bei meinen Eltern, die ein Textilunternehmen im indischen Hyderabad haben, früh die Branche kennengelernt. Die Mittals sind sehr wichtig für mich. Sie helfen mir und kommen zu wichtigen Events, zum Beispiel zur Berlin Fashion Show in dieser Woche. Sie sind sehr angetan vom Wandel bei Escada.

SZ: Von Stahl zu Haute Couture, das scheint ein weiter Weg zu sein.

Mittal: Das kann man nicht vergleichen. Die Produkte sind schon sehr unterschiedlich. Sicher, in jedem Geschäft braucht man eine Buchhaltung, Marketing, eine gute Produktion. Doch das Besondere an Mode ist das Immaterielle. Dinge, die man nicht genau beschreiben und quantifizieren kann. Das Gefühl, das Instinktive, die Kreativität. Mode ist ein Leute-Geschäft. Man muss Menschen bewegen. Ich genieße das.

SZ: Das Erfolgsmodell der Mittal-Familie sieht vor, überall auf der Welt marode Stahlfirmen auf der Welt zu kaufen und zu einem Verbund zu formen. Wann kaufen Sie die nächste Fashion-Firma?

Mittal: Im Augenblick denke ich nicht daran. Was wird in 10, 15 Jahren sein? In der Zukunft sind Zukäufe nicht ausgeschlossen. Ich nehme genau wahr, was in der Branche passiert. Glauben Sie mir, es gibt immer Kaufgelegenheiten.

SZ: Sie könnten Escada zurück an die Börse bringen und sich dort das Geld für Akquisitionen besorgen.

Mittal: Derzeit gibt es nichts Konkretes. Ich bin ein langfristiger Investor.

SZ: Und eine gute Escada-Kundin. Erstehen Sie beim Shopping jetzt noch andere Modemarken?

Mittal: Es gibt da noch einige schöne alte Sachen, die ich auftrage.

SZ: Die Unterschiede zwischen Stahl und Mode mögen groß sein, eines aber ist gleich: der Zwang, Geld zu verdienen.

Mittal: Im operativen Geschäft haben wir 2010 schon Gewinn gemacht. Für 2011 erwarten wir Wachstum und unter dem Strich richtig schwarze Zahlen.

SZ: Wann findet Ihr Spaß an der Mode bei schlechten Bilanzen ein jähes Ende?

Mittal: Natürlich wollen wir Gewinne machen - wenn es geht, so schnell wie möglich. Aber wir müssen realistisch sein. Das hängt ganz von der Lage in der Luxusindustrie ab.

SZ: Diese Branche wurde in der Wirtschaftskrise arg gebeutelt. Auf einmal kauften Kunden aus Russland oder arabischen Ländern einfach nicht mehr.

Mittal: Die Luxusgüterindustrie hat sich Gott sei Dank im Jahr 2010 erholt. Die Krise hat in der Modeindustrie viel verändert: Das Verhalten der Kunden ist heute ganz anders. Sie wollen Marken kaufen, denen sie vertrauen und bei denen sie sicher sein können, Qualität zu bekommen. Vor der Krise gab es Konsum ohne Nachdenken. Marken mit einer kulturellen Tradition, globaler Präsenz und Größe kommen gestärkt aus der Krise raus. Das macht Escada wertvoll.

SZ: Was haben Sie konkret in dem einst so anfälligen Mode-Unternehmen geändert?

Mittal: Die neue Ausrichtung von Escada war schon auf gutem Weg. Neue Lieferanten und neue Mitarbeiter im Design waren bereits an Bord, die IT wurde verbessert. Insgesamt ist Escada im vergangenen Jahr viel moderner geworden und legt mehr Wert auf das, was Frauen täglich tragen können. Das Unternehmen hat sich wieder auf seine DNA besonnen.

SZ: Das Design galt als altbacken, auch war manche Kundin in die Jahre gekommen.

Mittal: Wir zielen stärker auf die neuen Konsumenten von heute. Das war erfolgreich. Wenn ich mir die Escada-Läden anschaue, sehe ich neben unserem Stammpublikum viele neue Kundinnen.

SZ: Die unter 40 Jahre alt sind?

Mittal: Das Alter ist nicht das Entscheidende. Was zählt, ist die Art, sich zu kleiden, experimentell zu sein. Diese Frauen stellen sich ihren eigenen Look zusammen. Das ist der Trend. Wir haben darum herum eine neue Marketing- und Imagekampagne etabliert. In der Mode geht es vor allem um Bilder, um Lifestyle. Für das "Gold-Konzept" bei Escada und für das "Silber-Konzept" bei Escada Sport stehen unsere beiden neuen Models. Und wir haben unsere globale Präsenz verstärkt.

SZ: Unter Ihrer Ägide wurde die Kollektion von Escada im Schnitt um 30 Prozent billiger. Hat sich das bewährt?

Mittal: Die neue Preisstrategie war schon vor meinem Einstieg umgesetzt worden. Das war strategisch ein kluger Schachzug. Viele Anbieter im Markt haben das auch so gemacht. Die Folge ist, dass sich mehr Frauen die Marke Escada leisten können. Ein Abendkleid konnte man früher nicht unter 2000 Euro kaufen, das ist jetzt anders.

SZ: Offenbar ist der Jahresumsatz in 2010 ungefähr auf dem Niveau von 2009 geblieben. Damals wurden 280 Millionen Euro erwirtschaftet. Stimmt das?

Mittal: Sie haben recht, unser Geschäft ist stabil. Bei sinkenden Preisen bedeutet dies, dass mehr Frauen Escada gekauft haben. Gleichzeitig haben wir den Gewinnbeitrag gesteigert.

SZ: Was ist mit Indien, Ihrem Heimatland?

Mittal: Der Markt dort wächst langsamer. Escada hat in Indien keine Präsenz, noch nicht. Zur richtigen Zeit starten wir.

SZ: Escada hat mehr als 2000 Mitarbeiter, 400 von ihnen in der Zentrale in München. Was folgt aus der Geschäftsentwicklung für Ihre Personalpolitik?

Mittal: Da wir wachsen, werden wir das Personal ausweiten. Wir werden in diesem Jahr weltweit 100 neue Mitarbeiter einstellen.

SZ: Lernen Sie auch Deutsch?

Mittal: Ich muss jetzt irgendwann damit beginnen. Deutsch soll ja die schwierigste Sprache in Europa sein, historisch hat sie aber dieselben Wurzeln wie Hindi. Vielleicht habe ich da einen Vorteil.

SZ: Ihr Vorstandschef Bruno Sälzer hat bei seinem vormaligen Arbeitgeber Boss sowohl Mode für Frauen als auch für Männer verantwortet. Wäre das ein Weg für Escada?

Mittal: Für die Zukunft gibt es viele Optionen. Dazu gehört der Männermarkt. Erst einmal sind wir aber auf Frauenmode konzentriert, und wollen es perfekt machen.

SZ: Was ist so schwierig, Männerbekleidung hinzunehmen?

Mittal: Die Unterschiede in den Märkten sind sehr groß. Männer kaufen modische Kleidung eher fürs Büro. Privat haben sie damit nicht viel zu tun. Die Bedürfnisse von Frauen sind dagegen breiter. Unser Ziel ist es, Frauen für alle Gelegenheiten einzukleiden.

SZ: Am Ende soll Escada wieder, so wie vor vielen Jahren, Weltmarktführer sein. Wann ist es so weit?

Mittal: Ich wollte, ich wüsste die exakte Antwort. Die Leute haben nicht vergessen, dass wir mal dort oben standen. Es verblüfft mich immer wieder, wenn zum Beispiel Claudia Schiffer erzählt, wie Escada einst die Mode dominierte. Oder wenn mir berühmte Hollywood-Schauspielerinnen von ihren Erlebnissen in Escada berichten. Oder wenn eine Frau auf einer Party stolz erzählt: "Ich habe vor 20 Jahren in Escada geheiratet."

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