Erwin Müller und die Schweizer Bank Sarasin:Drogerie-König kämpft um Millionen

Drogeriemarkt-Inhaber Erwin Müller wirft der Schweizer Bank Safra Sarasin vor, ihn um 50 Millionen Euro betrogen zu haben

Erwin Müller ist ein typischer Patriarch, der auch mit 80 Jahren seinen aus 674 Filialen bestehenden Konzern noch selbst lenkt.

(Foto: dpa)

Der Ulmer Unternehmer Erwin Müller wirft der Schweizer Bank Sarasin nach SZ-Informationen vor, ihn um fast 50 Millionen Euro betrogen zu haben. Den deutschen Fiskus soll das Institut sogar um eine Milliarde Euro geprellt haben. Nun teilt der schwäbische Patriarch heftig aus.

Von Max Hägler und Klaus Ott

Erwin Müller ist ein Mann, der schon viele Kämpfe ausgefochten hat. Den ersten aktenkundigen im Jahr 1968. Während die Studenten in Aufruhr waren, wollte der junge Friseur Müller damals möglichst viel schaffen. Auch montags, was laut Handwerksordnung verboten war. Müller schnitt trotzdem, flog aus der Innung und galt als "Rebell von Ulm". Bald danach hat der Jungunternehmer Kamm und Schere gegen Stift und Papier eingetauscht und ist einer der erfolgreichsten deutschen Drogisten geworden. Seine gläsernen Warenhäuser, die vor allem im Süden und Osten der Republik, aber auch im Ausland stehen, machen gute Umsätze.

Aufgebaut hat der eigensinnige Drogerie-König aus dem Schwäbischen sein Imperium mit Fleiß (Lebensmotto: "Arbeiten, arbeiten, arbeiten!"), Geschick und einer gehörigen Portion Streitlust. Konflikten, ob mit der Konkurrenz, den Behörden, der Belegschaft oder der Gewerkschaft, ist er nie aus dem Weg gegangen. Manchmal hat er auch überzogen.

Rasante Aktiendeals

Aus Erwin Müller ist ein typischer Patriarch geworden, der auch mit 80 Jahren seinen aus 674 Filialen bestehenden Konzern noch selbst lenkt; und der nun, im hohen Alter, vor dem wohl größten Kampf seines Lebens steht. Gegner ist die brasilianische Milliardärsfamilie Safra, die mehrere große Banken besitzt. Und deren Unternehmensgruppe kürzlich eine Schweizer Privatbank gekauft hat, mit der Müller gute Geschäfte machte, aber inzwischen über Kreuz liegt.

J. Safra Sarasin heißt dieses Institut, benannt nach den neuen (Safra) und alten (Sarasin) Inhabern aus Südamerika und der Schweiz. Der Streit geht soweit, dass der schwäbische Patriarch der Schweizer Bank vorwirft, diese habe offenbar den deutschen Fiskus um mehr als eine Milliarde Euro geprellt. Geschehen sein soll das bei riesigen Börsendeals, bei denen Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividendenanspruch rasant schnell gehandelt wurden.

So steht das in einem Schreiben, das Müllers Anwalt Eckardt Seith an die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht geschickt hat. Darin heißt es: "Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass . . . der Bundeshaushalt um mehr als eine Milliarde Euro geschädigt wurde." Gemeint ist der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland. Und gemeint sind Cum-Ex-Fonds, die von Sarasin und einer Anwaltskanzlei entwickelt und angeboten worden seien - vor der Übernahme durch Safra. Das sind heftige Anschuldigungen, die das Schweizer Institut genauso heftig zurückweist.

Den Verlierer wird der Streit Millionen kosten

Alles falsch, pure Verleumdung. J. Safra Sarasin droht Müller mit Regressforderungen. Das kann den Drogerie-König Unsummen kosten. Oder die Bank. Je nachdem, wer Recht hat und am Ende gewinnt.

Der Streit um Cum und Ex führt mitten hinein in womöglich kriminelle Aktiengeschäfte, mit denen Banken, Fonds und Börsenhändler den deutschen Fiskus um viele Milliarden Euro erleichtert haben sollen, ehe 2012 eine Gesetzeslücke geschlossen wurde. Die Deals sollen darauf abgezielt haben, mehr Kapitalertragsteuern erstattet zu bekommen, als gezahlt worden waren. Der Fiskus prüft zahlreiche Fälle, um Geld zurückzuholen, auch von internationalen Häusern wie der britischen Barclays, die aber dementiert, darin verwickelt zu sein. Bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) ermitteln sogar Steuerfahnder und Staatsanwälte.

Vergleich mit "kriminellen Umsatzsteuerkarussellen"

Von der HVB führen bereits seit Längerem deutliche Spuren zur alten Sarasin-Bank, denen die Behörden nachgehen. Und jetzt kommt auch noch der Ulmer Patriarch Müller und liefert stapelweise Material gegen Sarasin. Der geschäftstüchtige Schwabe macht das allerdings nicht nur aus Vaterlandsliebe, sondern weil ihm fast 50 Millionen Euro verloren gehen könnten. Müller hatte zuletzt wieder viel Geld bei Sarasin investiert; in ein Anleihemodell, das angeblich zwölf Prozent Rendite bringen sollte.

Erwin Müller, 2002

Erwin Müller 2002 in seinem Büro in Ulm.

(Foto: DPA)

Die Schweizer Bank hatte bei Kapitalanlegern rund 250 Millionen Euro eingesammelt, die über eine Luxemburger Gesellschaft an US-Pensionsfonds gingen. Die nahmen noch zusätzlich Kredite auf, handelten in großem Stil mit Aktien, und beantragten hinterher in Deutschland Steuererstattungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Der mittlerweile wegen solcher Deals höchst alarmierte Fiskus zögert aber seit nun schon zwei Jahren, die Millionen herauszurücken.

Der Vorwurf: arglistige Täuschung und Betrug

Bleiben die Finanzbehörden weiter stur, dann verlieren Anleger wie Müller viel Geld. Das mag der alles andere als konfliktscheue Drogerie-König nicht hinnehmen. Er fordert fast 50 Millionen Euro Schadenersatz von Sarasin; er hat bereits eine erste Klage beim Landgericht Ulm eingereicht; und er hat vier aktive und ehemalige Manager der Schweizer Privatbank bei der Staatsanwaltschaft Zürich angezeigt. Der Vorwurf: arglistige Täuschung und Betrug. Außerdem kooperiert Müller über seinen Anwalt Seith mit den deutschen Behörden, die Cum-Ex-Geschäfte untersuchen.

Der schwäbische Patriarch teilt ganz schön heftig aus, und sein Stuttgarter Anwalt Seith legt kräftig nach. Seith vergleicht die fraglichen Cum-Ex-Deals mit "kriminellen Umsatzsteuerkarussellen". Es sei einzig und allein darum gegangen, sich am deutschen Fiskus "hemmungslos zu bereichern". Müller sei das verschwiegen worden, und hätte der das auch nur geahnt, dann hätte er natürlich nie mitgemacht. Wegen solcher Äußerungen hat Seith Post bekommen, von der Kanzlei Hengeler Müller, einer der ersten Adressen in der deutschen Wirtschaft.

Müller wird nicht schnell aufgeben

Hengeler Müller kümmert sich um die Deutsche Bank, um Siemens und neuerdings auch um J. Safra Sarasin. Die Privatbank fordert via Hengeler Müller, dass Erwin Müller und sein Anwalt diverse Vorwürfe zurücknehmen, und droht den beiden mit "rechtlichen Konsequenzen". Im Übrigen habe der Drogist mit früheren, ähnlichen Engagements bei Sarasin erhebliche Profite gemacht und deshalb von sich aus gefragt, ob er nochmals ein "solches Investment" machen könne, so Hengeler Müller.

Geld kann der Drogerie-König aus Ulm bestimmt gebrauchen, nachdem er 2012 bei Finanzwetten gegen den Schweizer Franken 235 Millionen Euro verloren hat. Und stur ist er ohnehin. Die Stadt Ulm wollte Ende der Neunzigerjahre eine gemütliche Fischerhütte an einem Baggersee abreißen lassen, die Müller gekauft hatte und die sich als Schwarzbau erwies. Der schwäbische Dickschädel stritt so lange mit der Stadt, bis er nach einem Deal seine Hütte behalten durfte.

Im Streit mit der Schweizer Privatbank wird Müller erst recht nicht schnell aufgeben. Andererseits sind die Sarasins und Safras Gegner von Format. Die Sarasins, einer von ihnen gehört noch zur Bankspitze, sollen von Sarazenen abstammen. Das waren kampferprobte Leute. Und ein frühes Familienoberhaupt der Safras hat mal gesagt: "Wenn du dich entschließt, ins Bankengeschäft einzusteigen, dann baue deine Bank wie ein Schiff, das stark genug ist, sicher durch jeden Sturm zu segeln."

Wie die Aktiendeals funktionieren und wie die Steuerfahndung nun dagegen vorgeht, lesen sie hier.

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