Süddeutsche Zeitung

Erneuerbare Energien:Strom aus 500 Meter Höhe

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Fliegende Windkraftwerke sollen über der Meeresoberfläche günstig Energie erzeugen.

Von Helmut Martin-Jung, München

Manche Ideen brauchen eben ein bisschen länger. Dass man mit einer Art Lenkdrachen eine Kutsche ziehen lassen konnte, das hatte Anfang des 19. Jahrhunderts schon ein Schuldirektor aus Bristol demonstriert. Der Wind muss bei dem Versuch ganz schön geblasen haben, denn George Pocock soll in seinem Gefährt immerhin mit 20 Meilen die Stunde dahingesaust sein, 32 km/h. In jüngeren Zeiten wurde mit Segeln an Frachtschiffen experimentiert, die helfen sollten, diese über die Meere zu ziehen.

Eine noch vielversprechendere Technik aber sind fliegende Windturbinen. Eine solche, entwickelt von der Firma Makani, die zum Google-Mutterkonzern Alphabet gehört, hat jetzt vor der Küste Norwegens einen ersten Probeflug erfolgreich absolviert. Warum aber sollen die Turbinen überhaupt fliegen und nicht wie man es kennt auf einen Turm montiert werden?

Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens muss man dann keine aufwendigen Konstruktionen auf dem Meeresgrund errichten. Und zweitens weht der Wind in größerer Höhe viel beständiger und zweitens kräftiger als in der Nähe der Meeresoberfläche oder am Boden. Denn ab etwa 500 Meter spielt die Bodenreibung keine Rolle mehr. Das macht sich deutlich bemerkbar, denn die Leistung eines Windrades steigt mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit. Ist die Windgeschwindigkeit also doppelt so hoch, lässt sich achtmal soviel Energie daraus gewinnen. 500 Meter, so hoch sollen auch die Fluggeräte von Makani fliegen.

Man kann sie sich vorstellen wie ein ziemlich schlankes Flugzeug. Die Spannweite beträgt 26 Meter, an den aus Karbon gefertigten Tragflächen sitzen acht Rotoren, die durch den Wind zur Drehung gebracht werden und so elektrischen Strom erzeugen. Dieser wird mit einem Kabel nach unten geleitet. Die Station, die sich auf der Wasseroberfläche befindet, muss zwar auch auf dem Grund verankert werden. Allerdings muss sie keinen riesigen Masten tragen und kann deshalb wesentlich kleiner und kostengünstiger ausfallen. Das Rotor-Flugzeug hängt an einem Seil und beschreibt in bis zu 500 Meter Höhe eine kreisförmige Bahn und kann nach Firmenangaben bis zu 600 Kilowatt Strom liefern.

Obwohl der erste Versuch erfolgreich verlaufen ist, bleiben den Ingenieuren noch jede Menge Aufgaben zu lösen. Bis die Technologie in größerem Maßstab eingesetzt werden könne, vergingen mindestens noch fünf bis zehn Jahre, schätzt die auf Zukunftstechnologien spezialisierte Beratungsabteilung des Nachrichtendienstes Bloomberg BNEF. Kleinere Projekte jedoch könnten womöglich schon in ein bis zwei Jahren funktionieren.

Makani ist nicht die einzige Firma, die an fliegenden Stromgeneratoren arbeitet. Dabei gibt es eine Vielzahl von Ideen, wie man die Turbinen nach oben bringt, wo der Wind weht. Der Weg dorthin ist aber von einigen Schwierigkeiten gesäumt. Die Geräte sind Blitzen ausgesetzt, und damit sie überhaupt nach oben kommen, müssen sie verschiedene Luftschichten mit unterschiedlichen Bedingungen überwinden.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2019
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