Ernährung: Brot-Konsum:Aufessen statt wegwerfen

Die Bundesbürger essen weniger Brot - doch es häufen sich die Anzeichen, dass die Verbraucher wegen der Krise weniger Brot in den Müll stecken.

Stefan Weber

Wie auf ein geheimes Signal füllt sich jeden Abend um halb acht der Verkaufsraum der Bäckerei Merzenich in der Kölner Hohestraße. Das Gedränge hat seinen Grund: Vor Geschäftsschluss lässt das Familienunternehmen die Preise purzeln.

Brot, AP

In vielen Haushalten häufen sich Backwaren, auf die keiner mehr Appetit hat.

(Foto: Foto:)

Ob Brezeln oder Croissants - alles kostet nur noch die Hälfte. Wenn die Mitarbeiter um 20 Uhr den Verkaufsraum absperren, sind die Regale leer - und Bäcker Merzenich muss sich nicht um die Entsorgung überschüssiger Ware kümmern. Am nächsten Tag könnte er die Backwaren nicht mehr verkaufen.

In vielen Haushalten häufen sich dagegen Backwaren, auf die keiner mehr Appetit hat - weil sie hart geworden sind vom tagelangen Liegen. Oder weil bei industriell verpackter Ware das Haltbarkeitsdatum überschritten ist und die Ware verschimmelt. Der tatsächliche jährliche Konsum von Backwaren ist viel geringer als jene 83 bis 87 Kilogramm, die in Statistiken auftauchen.

Die Ware wird als Futtermittel verwendet

"Verzehrt werden nur 56 Kilogramm", sagt Helmut Martell, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Großbäckereien. Die Differenz erkläre sich zum einen aus dem Brot, das die Hersteller zurücknähmen, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht sei - die Ware wird meist als Futtermittel verwendet. Zum anderen würden die Verbraucher sehr viele Backwaren wegwerfen.

In jüngster Zeit häufen sich Martell zufolge jedoch die Anzeichen, dass die Verbraucher wegen der Krise weniger Brot in den Müll stecken. Wie verschwenderisch viele Verbraucher in Europa mit Lebensmitteln umgehen, zeigt eine Untersuchung der Universität Wien. Danach landen in manchen Haushalten ein Fünftel der gekauften Produkte im Abfall. Häufig seien sogar ungeöffnete Verpackungen dabei.

Kettenbetriebe gewinnen Marktanteile

In bildungsfernen Haushalten werde mehr weggeworfen, möglicherweise weil diese weniger gut planen könnten. Auch Bäckereien und Lebensmittelhändler, die immer stärker in das Geschäft mit Backwaren drängen und traditionellen Handwerksbetrieben das Leben erschweren, stehen zunehmend vor dem Problem der unverkauften Ware. "Durch die langen Öffnungszeiten hat sich das Problem verschärft. Viele Läden wollen bis kurz vor Schluss Backwaren vorhalten, bleiben am Ende aber auf hohen Beständen sitzen", sagt Martell.

Ausverkauft wollen die Anbieter nicht sein, weil der Wettbewerb zunimmt. Kettenbetriebe wie Kamps und Merzenich gewinnen Marktanteile. Auch die Discounter wollen mit großem Angebot an frischen Backwaren Kunden in ihre Läden locken. So testet Aldi derzeit in einigen Filialen Backautomaten, an denen Kunden die gewünschte Ware aufbacken können.

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