Steuerfahnder in Deutschland haben wieder Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse ins Visier genommen. Ihnen wird vorgeworfen, möglicherweise über Scheinversicherungsverträge Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben. Erst im vergangenen Jahr hatte die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter der Credit Suisse wegen Steuerhinterziehung ermittelt.
[] Um welche Form der Geldanlage geht es?
Kunden legen ihr Geld in einer oder auch mehreren Lebensversicherungen langfristig an. Die Laufzeit der Produkte beträgt meist zwölf Jahre, während dieser Zeit fallen keine Steuern an. Auch bei Ausschüttung kann ein ermäßigter Steuersatz gelten. Wie eine Versicherungsexpertin aus Liechtenstein einmal erklärte, könnten deutsche Kunden mit den Lebensversicherungen im Vergleich zur normalen Geldanlage etwa zehn Prozent Steuern sparen. Außerdem gibt es Vorteile bei der Weitergabe des Vermögens, wenn der Versicherte stirbt. Die Summe geht nicht in den Nachlass ein, demnach fällt keine Erbschaftsteuer an. Auch kann die gesetzliche Erbfolge umgangen werden. Nicht nur Versicherungstöchter der Schweizer Bank Credit Suisse, um deren Kunden es nun geht, haben solche Versicherungen ausgegeben. Viele Schweizer Banken und Versicherer werben mit diesen Policen als legaler Form, Steuern zu sparen. Unter anderem die Swiss Life, Bâloise und Töchterfirmen der Bank UBS. Überprüft werden derzeit Kunden, die bei der Credit Suisse Life Ltd. mit Sitz auf den steuergünstigen Bermudas Versicherungen haben. Laut Unternehmensauskunft ist der Versicherer "spezialisiert auf fondsgebundene Versicherungslösungen für vermögende Kunden in Europa und zählt auf diesem Gebiet zu den Marktführern".
[] Was ist daran illegal?
Die deutschen Steuerbehörden vermuten, dass es sich bei den Versicherungen nicht um echte Vorsorgeprodukte handelt, sondern um verdeckte Spareinlagen. Vor allem besteht schon lange der Verdacht, dass die Versicherungen genutzt werden, um unversteuertes Vermögen in niedrig versteuertes legales Vermögen umzuwandeln. Die sogenannten Versicherungsmäntel werden darum auch Insurance Wrapper oder Private Placement Insurance genannt, weil sie Vermögen wie in einen Mantel "einhüllen" und oft individuell auf den Kunden zugeschnitten wurden. Während der langen Laufzeit, in der das Geld in der Versicherung nicht besteuert wird, verjährt zudem eine mögliche vorherige Steuerhinterziehung. Die Straftat darf nach Ablauf von zehn Jahren nicht mehr geahndet werden. Eine Schweizer Tageszeitung fragte im Sommer 2009 den Gründer eines Versicherungsunternehmens in Liechtenstein, ob er Angst habe, dass die "Wrapper als Nächstes in den Fokus der Steuerbehörden kommen". Die Antwort lautete damals: "Das kann nicht passieren, weil bei uns der Kunde unterschreibt, dass er die Gelder vor Beginn der Laufzeit deklariert hat." Überprüft haben die Versicherer solche Angaben allerdings nicht. Der befragte Versicherungsunternehmer sah bereits 2009 ein "Gefahrenpotenzial" darin, dass Schwarzgeld in den Policen versteckt werden könne. "Ich hoffe, dass niemand dieser Versuchung erliegt. Denn das könnte unserer Branche einen enormen Reputationsschaden bescheren und in Zukunft irgendwann eine zweite Welle an Steuerskandalen hervorbringen." Diese Ahnung hat sich nun, drei Jahre danach, erfüllt.
[] Wer ist für den Steuerbetrug verantwortlich: die Bank oder der Kunde?
Die Credit Suisse verweist auf die Verantwortlichkeit ihrer Kunden. Dem Handelsblatt sagte ein Banksprecher, der Kunde müsse "die Steuersituation selber klären". Die Bank habe ihren Kunden geraten, "einen Steuerexperten beizuziehen ... und gegebenenfalls eine Selbstanzeige vorzunehmen". Deutschland hat schon 2009 versucht, den Versicherungen beizukommen. Seit Oktober 2009 dürfen solche Anlagen nicht mehr individuell für den Kunden zusammengestellt sein; die Fonds, in die er investiert, müssen öffentlich zugänglich sein und der Kunde darf keinen direkten Zugriff auf seine Einlagen haben. Zudem muss die Versicherung tatsächlich den Todesfall schützen - durch diesen Versicherungsanteil wird das Vermögen gemindert.
[] Um wie viel Geld geht es und wie viele Menschen stehen in Verdacht?
Nach Informationen einer der Bank nahestehenden Person überprüfen die Finanzämter in Bochum und Düsseldorf - zum Teil in Hausdurchsuchungen - die Finanzen von bis zu 5000 Kunden in Deutschland. Wie die Ermittler auf sie aufmerksam wurden, ist bislang nicht bekannt. Insgesamt geht es laut dem Handelsblatt um mehrere Milliarden Euro, die nicht korrekt versteuert seien. Demnach seien in den Versicherungen durchschnittlich eine halbe Million Euro angelegt. Gegen die Bank selbst werde, so sagte ein Credit-Suisse-Sprecher, nicht ermittelt. Man wisse jedoch, dass gegen Kunden ermittelt werde, die von der Schweiz aus betreut werden. Die Versicherungsverträge, um die es nun geht, sind zwischen 2004 und 2009 geschlossen worden. Seit 2009 müssen solche Verträge direkt nach Abschluss dem Bundesfinanzministerium gemeldet werden - sofern sie von einem deutschen Makler geschlossen wurden. Makler aus Liechtenstein hingegen müssen die Anlagen erst bei Auszahlung der Versicherung melden. Allein in Liechtenstein gibt es aber mehr als 20 solcher Lebensversicherer. Eine Schweizer Tageszeitung brachte 2010 in Erfahrung, dass Kunden aus aller Welt durchschnittlich zwei Millionen Euro in den Versicherungen anlegen.
[] Was tut die deutsche Regierung, um sich mit der Schweiz über Steuerflüchtlinge zu einigen?
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) möchte sich mit der Schweiz gütlich einigen. Sein Ziel ist, dass Deutsche ihr Geld, dass auf Schweizer Konten Zinsen bringt, genauso versteuern müssen, wie in Deutschland auch: Sie sollen also die Abgeltungssteuer von 25 Prozent und den Soli zahlen. Mit einem freundlichen Angebot möchte Schäuble außerdem Menschen zum Steuernzahlen bewegen, die Schwarzgeld in der Schweiz verstecken: Sie sollen anonym und pauschal Steuern nachzahlen. Vielen Politikern von SPD und Grünen sind diese Maßnahmen zu lasch. Es könnte daher sein, dass die rot-grünen Landesregierungen im Bundesrat Schäubles Vorschlag im Herbst ablehnen. Bereits seit 2005 gilt das Zinsbesteuerungsabkommen zwischen den Ländern der EU und der Schweiz. Seitdem wurden zunächst pauschal 15 Prozent, seit Juli 2011 35 Prozent aller Zinszahlungen von den Schweizer Banken einbehalten. 75 Prozent davon werden an die Finanzministerien der jeweiligen EU-Herkunftsländer der Konteninhaber abgeführt. Seitdem haben Anlageprodukte wie die Lebensversicherungen einen Boom erlebt.