Ermittlungen gegen Deutsche-Bank-Chef:Fitschen und die Was-wäre-wenn-Frage

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Jürgen Fitschen, Chef der Deutschen Bank

(Foto: AFP)

Es könnte heute alles ganz anders aussehen: Denn gegen den Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, wird schon seit August 2011 wegen Steuerbetrugs ermittelt - vor seiner Berufung auf den Chefposten. Dass er Vorstandsvorsitzender auch dann geworden wäre, wenn die Ermittlungen bekannt gewesen wären, erscheint zumindest fraglich.

Von Klaus Ott, München, und Andrea Rexer, Frankfurt

Das Datum ist brisant. Schon seit 29. August 2011 ermittelt die Generalstaatsanwalt Frankfurt in der Affäre um Steuerbetrug im großen Stil beim Emissionshandel gegen Jürgen Fitschen, wie die Süddeutsche Zeitung jetzt erfuhr. Damals war der Manager noch einfaches Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. Seinen Posten als Vorstandschef trat Fitschen (zusammen mit Anshu Jain) erst Mitte 2012 an. Hätten die Bank und die Öffentlichkeit frühzeitig von dem Verdacht gewusst, wäre das größte Geldinstitut im Lande vor einem Dilemma gestanden: Kann jemand Vorstandschef werden, gegen den ein Steuerstrafverfahren läuft?

Mitte 2011 waren Jain und Fitschen vom Aufsichtsrat als neue Vorstandschefs ausgerufen worden. Die Amtsübergabe sollte Mitte 2012 stattfinden. Solche Personalien sind nicht in Stein gemeißelt: Der alte Vorstandschef Josef Ackermann sollte neuer Aufsichtsratschef werden - wozu es dann doch nicht kam. Wie stark wäre wohl der öffentliche Druck gewesen, den Beschuldigten Fitschen nicht an die Konzernspitze rücken zu lassen.

Aber damals wusste eben außer den Ermittlern noch niemand von dem Verfahren. Auch Fitschen selbst nicht. Die Ermittlungen gegen ihn, Finanzvorstand Stefan Krause und drei weitere Bankangestellte sind erst vor kurzem bekannt geworden. Mitte Dezember 2012, durch eine Razzia bei der Bank. Fitschen wird vorgeworfen, dass die von ihm Ende 2010 unterzeichnete Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009 um 155 Millionen Euro falsch gewesen sein soll. 155.476.955 Euro und 35 Cent, um ganz genau zu sein. Das Verfahren gegen den Bankchef und andere Beschuldigte ist Teil der Affäre um zweifelhafte Geschäfte beim Handel mit Verschmutzungsrechten, in der das Geldinstitut eine zentrale Rolle spielt. Und in der nun auch Fitschen Ärger hat.

Wer eine Million Euro an Steuern hinterzieht, zu seinen eigenen Gunsten, der kommt hinter Gitter. Da kennt die Justiz kein Pardon. Wer den Fiskus um viele Millionen Euro schädigte, dürfte erst recht keine Gnade erwarten. Droht Fitschen also nun das Gefängnis?

Hängt seine Karriere an einer fehlenden Fußnote?

Das wohl nicht, schließlich geht es ja nicht um persönliche Bereicherung. Sondern um das Geld der Bank, in der man die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft ohnehin für unbegründet hält. Schließlich hat das Institut einen Monat vor Abgabe der fraglichen Steuererklärung mit dem Fiskus über den Fall gesprochen. Drei Rechts- und Steuerexperten und ein Anwalt der Bank erörterten am 18. November 2010 im zuständigen Finanzamt V-Höchst in Frankfurt mit drei Vertretern der Behörden, inwieweit die Bank bei den fraglichen Emissionshandels-Geschäften Steuererstattungen geltend machen könne.

Am 20. und 22. Dezember 2010 folgten die von Fitschen und Krause unterschriebene Steuererklärung und ein Begleitschreiben. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt wirft Fitschen, Krause und drei weiteren Beschäftigten vor, darin nicht noch einmal auf die strittigen Fälle hingewiesen zu haben. Aus Sicht der Bank war das nicht notwendig, weil man ja zuvor mit den Behörden gesprochen hatte. Die Ermittler haben übrigens selbst notiert, dass der Fiskus mit der Bank die Deals beim Handel mit Verschmutzungsrechten "im Vorfeld mehrfach" diskutiert habe.

Letzten Endes könnte es also um einen formalen Aspekt gehen: Muss die Steuererklärung bei solch einem Vorgang einen ausdrücklichen und ausführlichen Hinweis enthalten, in dem auf die vorausgegangenen Gespräche und Korrespondenzen verwiesen wird? Hängt Fitschens Karriere, überspitzt ausgedrückt, an einer fehlenden Fußnote?

Den Beschuldigten wird angelastet, bei Abgabe der Steuererklärung Ende 2010 sei ihnen bekannt gewesen, dass wegen der offenbar kriminellen Emissionsgeschäfte Untersuchungen liefen. Trotzdem seien Steuererstattungen für betrugsbehaftete Lieferketten bei Verschmutzungsrechten geltend gemacht worden. Eine erste Razzia Ende April 2010 auch bei der Bank und andere Details waren Fitschen und seinen Kollegen natürlich bekannt gewesen. Aber auch dem zuständigen Finanzamt in Frankfurt, V-Höchst. Die Bank hatte keine zwei Wochen nach der Razzia, am 10. Mai 2010, einen Brief dorthin geschickt - mit Angaben über die Durchsuchung, die verdächtigen Geschäfte und die dabei kassierten Steuererstattungen. Und darauf, dass man bestimmte Ansprüche "vorsorglich" nicht mehr geltend mache. Unterschrieben haben das zwei Bankbeschäftigte, die jetzt zu den Beschuldigten zählen.

Im Blickpunkt des öffentlichen Interessens steht vor allem Vorstandschef Fitschen. Intern soll aber in erster Linie Finanzvorstand Krause unter Druck stehen, erzählen Beschäftigte der Bank. Schließlich fällt die Steuererklärung in seinen direkten Verantwortungsbereich, während Fitschen die betreffende Erklärung damals nur vertretungsweise unterschrieben habe. Und Insider glauben, das Verfahren gegen Fitschen sei seitens der Ermittler "ein Tritt vors Schienbein", weil die Bank lange Zeit mit der Justiz nicht kooperiert habe.

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