Süddeutsche Zeitung

Erklärung von Lars und Meike Schlecker:"Sippenhaft gibt es im deutschen Recht nicht"

Die Kinder von Firmengründer Anton Schlecker wehren sich gegen die Vorwürfe, die Familie hätte Vermögen zur Seite geschafft. Stattdessen müssten Lars und Meike Schlecker den Vater finanziell unterstützen. Über ihr Privatvermögen schweigen sie aber weiterhin.

Max Hägler, Stuttgart

Wer will, kann es so lesen: Familie Schlecker zelebriert ihr Leid und hofft auf Mitleid. Alles habe Vater Anton verloren, aber "wir werden ihn selbstverständlich auch in dieser Situation nicht im Stich lassen", schreiben seine Kinder Lars und Meike im Blog der Firma. Es ist die erste Stellungnahme, seitdem klar ist, dass die Drogeriekette komplett stillgelegt wird.

"Vom Sportwagen bis zur schönen Uhr hat er alles als Teil der Insolvenzmasse abgeben müssen", ist zu lesen. Und zum Lebenswerk: "Zusammengebrochen". Der Satz: "Es ist nichts mehr da", ausgesprochen auf der Pressekonferenz zu Beginn der Insolvenz, sei "absolut richtig" gewesen. Es gebe "kein Zurück in die Normalität, denn die Firma war für uns alle Lebensinhalt - und da ist jetzt erst einmal ein großes Nichts".

Ein großes Nichts, kein Sportwagen mehr, keine schöne Uhr - wer den Blog-Eintrag überfliegt, fühlt sich an den Fall der Madeleine Schickedanz erinnert, an deren Sturz von der Milliardärin zur armen Gärtnerin, die sich nicht mal eine Pizza leisten könne. Die Tochter des Quelle-Gründers, die an der Pleite-Unternehmung Arcandor (Karstadt, Quelle) beteiligt war, hatte nach dem Zusammenbruch in der Bild am Sonntag lamentiert: "Wenn die Rettung von Arcandor scheitert und die Banken die Kredite fällig stellen, verliere ich alles - Häuser, Aktien, Beteiligungen an anderen Firmen. Ich bekäme mit meinen 66 Jahren noch nicht einmal Rente. [...] Wir leben von 500 bis 600 Euro im Monat. Wir kaufen auch beim Discounter." Und dann: "Gemüse, Obst und Kräuter haben wir im Garten." Eine Inszenierung, für die viele Häme übrig hatten.

Wiederholt sich das Ganze? Müssen die Schleckers Gemüse und Kräuter aus dem Garten holen? Dieses Bild wollen die beiden Schlecker-Kinder nicht zeichnen wollen, trotz manch ungeschickter Formulierung. Wer langsam liest, der findet in diesem Text, der zwei Din A4-Seiten lang ist, nichts ganz Neues - aber man kann den Wunsch erspüren, eben nicht in der Schublade Schickedanz zu landen. Ob es gelingt, ist eine andere Frage.

Es gilt weiterhin, was Meike bereits im Januar gesagt hat: "Wir werden als Familie zurechtkommen und wir wollen nicht jammern." Das ist ein Satz, hört man aus ihrem Umfeld, der ihnen sehr wichtig ist. Er klingt nach Aufrichtigkeit. Nach Selbstbehauptung. Und er zeigt doch, dass Meike und Lars noch im Schlecker-Land leben."Unser Vermögen ist immer noch Privatsache"

Denn natürlich haben Antons Frau Christa und die beiden Kinder weiterhin Vermögen: "Sippenhaft gibt es im deutschen Recht nicht", erklären Lars und Meike Schlecker jetzt. Genaueres wollen sie nicht sagen. "Was die gesamte Darstellung unserer Vermögenslage angeht, so möchten wir richtigstellen, dass wir in den vergangenen Jahren und durch die Insolvenz ebenfalls das Allermeiste verloren haben und die kursierenden Angaben merklich über der Wirklichkeit liegen." Wie viel das war, und wie es um den Fuhrpark bestellt ist, den Bild zeigte, darauf gibt es keine Antwort. Das sei "immer noch unsere Privatsache".

Wobei das mit Privatsache relativ ist. Meike Schlecker war es, die Ende Januar mit dem Insolvenzverwalter am Tisch saß in der verspiegelten Unternehmenszentrale. Aufgeregt, kämpferisch, vielleicht ängstlich. "Ich glaube, Sie haben es nicht verstanden: Es ist nichts mehr da", sagte sie zu Journalisten, die nach dem Vermögen fragten. Bruder Lars war einige Tage später morgens im Fernsehen. Mit offenem Blick verkündete er: "Wir sind frohen Mutes!"

Dass dieser frohe Mut vergangen ist, auch das kann dem jüngsten Blog-Eintrag entnehmen. Bei Schlecker gab es Fehlentscheidungen, der Laden wäre aber zu retten gewesen, heißt es. Schade sei, dass die Verhandlungen "mit den hoch und ernsthaft interessierten Investoren" schließlich vor allem wegen der Personalkosten und dem Nicht-Zustandekommen der Transfergesellschaft gescheitert seien, erklären die Schlecker-Kinder. Ein Hieb auf die Politik, auf die Gewerkschaft Verdi und die Beschäftigten.

2011 habe man sich "auf einem allgemein guten Weg zu mehr gemeinsamem Verständnis" befunden, beschreiben die Kinder das Verhältnis zu Verdi. Doch in der Insolvenz sei die Gewerkschaft "in der Rolle des Verteidigers des Flächentarifvertrags gefangen" gewesen. Verdi lehnte eine 15-Prozent-Lohnkürzung ab.

Eine Frechheit, findet Stefanie Nutzenberger, Bundesvorstand bei Verdi. Sie wird auch nicht dadurch besänftigt, dass sich die Kinder bei den "vielen ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern" bedanken und ihnen ihr "Mitgefühl" aussprechen: "Das Logistik-Dienstleistungsunternehmen von Lars und Meike Schlecker hat bis zur Insolvenz und darüber hinaus überteuerte Rechnungen gestellt und damit zur Pleite des Schlecker-Unternehmens beigetragen." Daran würden auch jüngste Beileidsbeteuerungen nichts ändern. "Wenn ausgerechnet Lars und Meike Schlecker jetzt zur Investorensuche wieder auf drastische Lohnsenkung setzen, zeigt es, dass sie nichts hinzugelernt haben."

Die Debatte geht weiter. Der Vorteil von Blogs ist, das sie üblicherweise auch Kommentare zulassen.

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SZ vom 23.06.2012/mike
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