Erdöl:Warum die Ölstaaten streiten und streiten

Views Of The Cadereyta Oil Refinery As Mexico Predicts 2.2 Million Barrels Per Day Production For 2016

Ein Arbeiter in einer Raffinerie in Mexiko: Unter den erdölexportierenden Ländern kollidieren unterschiedlichste Interessen.

(Foto: Bloomberg)
  • Wichtige Ölstaaten berieten, wie sich der Preisverfall beim Erdöl aufhalten lässt. Doch sie kommen zu keiner Einigung.
  • Knackpunkt sind die unterschiedlichen Interessen. Iran will schnell mehr Öl fördern, um seine Marktanteile zu erhöhen.
  • Saudi-Arabien will seine Produktion aber nur deckeln, wenn auch Rivale Iran mitzieht.

Analyse von Vivien Timmler und Jakob Schulz

Es fühlt sich an wie ein Déjà-vu: Am Wochenende trafen sich wichtige Öl-Förderländer in Doha, um über eine Stabilisierung der Lage auf dem Ölmarkt zu beraten. Eine Deckelung der Fördermenge hätte für die kriselnden Ölstaaten die Rettung sein können - doch die Beratungen scheiterten.

Dabei hatte es im Februar für diese Pläne gar nicht schlecht ausgesehen: Schon damals hatten sich die Energie- und Ölminister von Russland, Saudi-Arabien, Venezuela und Katar zu einer Gesprächsrunde getroffen. Sie galt als Ausdruck der Bemühungen des Ölförderkartells Opec, dem drastischen Preisverfall beim Erdöl entgegenzuwirken. Das Resultat der Gespräche bezeichnete der saudische Ölminister als "erfolgreich": Die Produktion solle auf dem Niveau vom Januar eingefroren werden - jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich andere Förderstaaten in- und außerhalb der Opec anschließen würden.

Streit zwischen Saudi-Arabien und Iran behindert Verhandlungen

Doch dieser Plan ist nun in großer Runde gescheitert. Vor allem Saudi-Arabien, das im Februar einer Deckelung noch vorerst zugestimmt hatte, habe die Verhandlungen behindert, heißt es. Der saudische Ölminister Ali al-Naimi hatte gefordert, dass alle 13 Opec-Länder ihre Produktion einfrieren müssten. Iran hatte jedoch schon vor den Verhandlungen angekündigt, dem nicht Folge zu leisten - und schickte seinen Ölminister gar nicht erst nach Doha.

Iran, das sich gerade erst von Wirtschaftssanktionen befreit hat, will sich seinen Aufschwung nicht durch künstliche Begrenzungen kaputtmachen lassen, im Gegenteil: Iran werde seine Produktion steigern, und zwar wie geplant auf vier Millionen Barrel am Tag, betonte der iranische Ölminister.

Iran stellt für Saudi-Arabien mehr als nur einen Öl-Rivalen dar. Beide Länder sehen sich als Regionalmächte, die etwa im Bürgerkriegsland Syrien unterschiedliche Kriegsparteien unterstützen. Auch die Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten lasten auf den Beziehungen der beiden Länder. Die meisten Saudis sind Sunniten, das Königshaus hat den extrem konservativen sunnitischen Wahhabismus zur Staatsreligion gemacht. Die meisten Menschen in der Islamischen Republik Iran hingegen sind Schiiten.

Unter diesem Umständen sei es nicht möglich gewesen, eine Einigung zu erzielen, hieß es am Sonntagabend nach heftigen Verhandlungen. Es brauche dafür vor allem eins: mehr Zeit. Aber die haben viele kriselnde Ölförderstaaten nicht.

Wie es zu dem Ölpreisverfall kommen konnte

Dabei hatte es über viele Jahre ganz anders ausgesehen. Ein Barrel Öl mit etwa 159 Litern kostete teils mehr als 100 US-Dollar. Staaten mit riesigen Rohstoffvorkommen konnten vor Kraft kaum laufen und finanzierten ihre Ausgaben mit den scheinbar endlos sprudelnden Ölmilliarden.

Nicht wenige Experten prognostizierten, dass die Preise angesichts schrumpfender Ölvorkommen immer weiter steigen würden. Es kam anders: Neue Technik machte solche Vorhersagen obsolet. Der Erfolg der Fracking-Technologie in den USA führte dazu, dass Öl- und Gasvorkommen, deren Erschließung vorher als zu aufwendig und zu teuer galt, plötzlich zu marktfähigen Preisen gefördert werden konnten. Das Ölangebot auf den Weltmärkten wuchs. Golfstaaten wie Saudi-Arabien förderten zugleich immer mehr Öl, um einerseits Marktanteile zu halten, andererseits den US-Förderern zu schaden, die auf höhere Ölpreise angewiesen waren.

In der Folge brachen die Ölpreise zwischen Mitte 2014 und Ende 2015 teils um bis zu 70 Prozent ein. Erschwerend kam hinzu, dass die Nachfrage nach dem Rohstoff zurückging, etwa, weil China angesichts abkühlender Konjunktur weniger Öl nachfragte.

Welchen Ölförderstaaten es besonders schlecht geht

Venezuela

Die schlimmsten Auswirkungen zeigt der Ölpreisverfall wohl in Venezuela. Außer Öl wird in dem Land so gut wie nichts mehr gefördert oder hergestellt - das Land ist im höchsten Maße abhängig vom Ölexport. Wird der Rohstoff billiger, schrumpfen die Einnahmen des Landes - im Januar musste die Regierung deshalb sogar den Wirtschaftsnotstand ausrufen.

Zudem droht die Wirtschaftskrise zu einer politischen Krise zu werden. Jahrelang hatte die Regierung sich mit Subventionen, etwa der Benzinpreise, die Zuneigung der Bürger sichern können. Nun kann sie diese Unterstützung nicht mehr bieten. Mittlerweile können viele Läden bereits keine Waren mehr anbieten, den Menschen fehlen Dinge des täglichen Bedarfs.

Russland

Auch die russische Regierung gerät durch die sinkenden Ölpreise unter Druck. Die Wirtschaft schrumpfte im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent, der Rubel hat seit Beginn des Ölpreisverfalls Mitte 2014 mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Auch die Bürger bekommen die Exportprobleme zu spüren: Die Lebensmittelpreise haben sich im Jahr 2015 teils verdoppelt, viele Menschen können sich nur noch die nötigsten Dinge leisten.

Saudi-Arabien

Zehn Millionen Barrel Öl pumpt das Königreich momentan jeden Tag aus dem Wüstensand - so viel wie nie zuvor. Trotzdem verliert es in wichtigen Ländern wie China und Südafrika Marktanteile. Das ist für Saudi-Arabien schmerzhaft, weil sich das Land in der Vergangenheit wirtschaftlich stark vom Öl abhängig gemacht. Nahezu drei Viertel seiner Einnahmen generiert Saudi-Arabien aus dem Geschäft mit dem Öl, genau genommen aus der Besteuerung von Gewinnen des Ölverkaufs.

Schon jetzt sind die Einbußen gewaltig: Saudi-Arabien verzeichnete für 2015 bei einem Budget von 240 Milliarden Euro und einer Wirtschaftsleistung von etwa 600 Milliarden ein Defizit von rund 90 Milliarden Euro. Als Folge hob die Regierung kürzlich zum ersten Mal seit zehn Jahren die Preise für Strom und Wasser an. Harte Einschnitte für eine energiehungrige Nation, die sich in Zeiten eines hohen Ölpreises üppige Ausgaben leistete.

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